Möglicher Bundeswehr-Einsatz für Libyen Riskante Mission

Die Libyen-Konferenz in Berlin gilt als ein Erfolg deutscher Außenpolitik. Ein Thema wird aber vorerst nicht angegangen: eine europäische Friedenstruppe für das Land unter Beteiligung der Bundeswehr.
Marine-Fregatte bei der Operation "Sophia": Neuer Einsatz im Mittelmeer?

Marine-Fregatte bei der Operation "Sophia": Neuer Einsatz im Mittelmeer?

Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Der Uno-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghassan Salamé, wirkte fast euphorisch. Als die internationale Konferenz in Berlin zu Ende ging, sprach er von "einem großartigen Tag". Tatsächlich scheint der außenpolitischen Initiative von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) ein vorläufiger Erfolg beschieden zu sein.

Alle Teilnehmer der Konferenz haben sich verpflichtet, das Waffenembargo einzuhalten und die militärische Unterstützung für die beiden Kriegsparteien – die von der Uno anerkannte Regierung von Fayez Sarraj und der aufständische Feldmarschall Khalifa Haftar – einzustellen (mehr dazu lesen Sie hier). Mehr als 50 Punkte umfasst das Abkommen, in den kommenden Wochen wird an der Umsetzung gearbeitet, unter anderem in Genf, aber auch mit einer weiteren Konferenz in Berlin.

Kanzlerin Merkel (Mitte) und Außenminister Maas bei der Libyen-Konferenz im Bundeskanzleramt

Kanzlerin Merkel (Mitte) und Außenminister Maas bei der Libyen-Konferenz im Bundeskanzleramt

Foto: Guido Bergmann/ dpa

Nur ein Thema wurde vorsorglich ausgeklammert: eine europäische Friedensmission, die das Abkommen militärisch überwacht, wie sie kurz vor der Konferenz der neue EU-Außenbeauftragte Josep Borrell  in einem Interview mit SPIEGEL aufgebracht hatte. Merkel mied das Thema auf einer Pressekonferenz: Über die Methoden, mit denen ein dauerhafter Waffenstillstand überwacht werden könnte, sei noch nicht im Einzelnen gesprochen worden. Dazu, so die Kanzlerin, müsse die aktuelle Waffenruhe erst „dauerhaft halten“.

Kommt die Mission "Sophia" wieder?

Es ist eine Frage, die im politischen Berlin am Tag danach vorsichtig diskutiert wird. Schließlich herrscht in Libyen ein Bürgerkrieg, in dem eine Unzahl bewaffneter Gruppen und Stämme unterwegs sind. Und in dem die Akteure auf der internationalen Bühne - allen voran Russland, Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate - ihre eigenen Ziele verfolgen.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, sagte dem SPIEGEL, auch wenn ein Einsatz der Bundeswehr "jetzt nicht auf der Tagesordnung" stehe, komme Deutschland als Initiator des Berlin-Prozesses und der EU als wichtigem Nachbar Libyens eine besondere Verantwortung zu. "Die Folgegespräche werden zeigen, wie internationale Unterstützung zur Durchsetzung des Waffenembargos aussehen kann", sagte er.

Ein Name fällt dabei immer wieder: die Wiederaufnahme der EU-Mission "Sophia" im Mittelmeer, die bis Ende September lief und dem Kampf gegen die Schleuserkriminalität galt. Die deutsche Marine war daran seit Mitte 2015 beteiligt. Die Wiederaufnahme der EU-Mission "Sophia" im Mittelmeer sei "auf alle Fälle sinnvoll, um Waffenlieferungen zu unterbinden", so Schmid.

"Gefährlicher als der Krieg in Afghanistan"

Deutlich kritischer als die Regierungsseite sieht der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai die Ergebnisse der Konferenz. Diese seien nur auf dem Papier ein großer Erfolg. "Wer die Vereinbarungen der Konferenz in die Realität umsetzen will, muss sich konkret über einen möglichen multilateralen Einsatz Gedanken machen", sagt der Liberale über eine mögliche Militärmission. "Die deutsche Politik sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass dieser Einsatz gefährlicher als der Krieg in Afghanistan sein kann", sagte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Erwartungen hat Djir-Sarai an zwei EU-Staaten, die bislang auf unterschiedlichen Seiten der Konfliktparteien standen – Italien, das die Regierung Sarraj unterstützt und Frankreich, das auf Haftar setzte. Beide Länder müssten "einen wesentlichen Beitrag im Rahmen eines multilateralen Einsatzes leisten", sagte Djir-Sarai. Sie trügen für die jetzige Situation in Libyen "eine wesentliche Verantwortung".

Auch bei den Grünen blickt man zurückhaltend auf eine Militärmission. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger und der außenpolitische Sprecher Omid Nouripour veröffentlichten gemeinsam eine Erklärung zu den Ergebnissen der Konferenz, in der sie "Monitoring-Mechanismen" einforderten, die für eine glaubhafte Überwachung sorgen sollen. Was eine Militärmission angeht, blieben die beiden Grünen im Vagen: Es sei "noch zu früh", über einen Bundeswehreinsatz "zu diesem Zweck zu spekulieren".    

Drei Szenarien für die Bundeswehr werden durchgespielt

Die Bundesregierung mühte sich am Montag sichtlich, die Debatte um einen Einsatz der Bundeswehr in Libyen oder den Gewässern vor dem Land zu bremsen. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte in der Regierungs-Pressekonferenz, vor einem echten und unter beiden Seiten verhandelten Waffenstillstand müsse man über eine Militärmission zur Absicherung nicht reden.

Gleich neben Seibert saß ein Militär aus dem Verteidigungsressort. Pflichtschuldig gab er zu Protokoll, es gebe keinerlei konkrete Planungen für eine deutsche Militärmission. Damit ruderte er ziemlich weit zurück, hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer doch schon vor der Libyen-Konferenz angekündigt, sie werde „sehr schnell“ Pläne für eine deutsche Beteiligung an einer Libyen-Mission vorlegen.

Die Worte der Ministerin zeigen, dass die CDU-Chefin eine deutsche Beteiligung an einer Libyen-Mission wohl fast für unausweichlich hält. Seit Monaten lässt sie keine Gelegenheit für Forderungen aus, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen müsse. Nach dem Berliner Libyen-Gipfel ist ein Wegducken damit keine echte Option mehr.

In ihrem Ministerium planen die Strategen bisher mit drei Szenarien:

  1. So könnte die EU die Mission „Sophia“ zur Kontrolle des Waffenembargos für Libyen wieder aufleben lassen - an dem Einsatz hatte sich bis ins Frühjahr 2019 auch die Marine mit einer Fregatte beteiligt. Der Operationsplan der Mission sah die Kontrolle von verdächtigen Schiffen auf dem Weg in das Krisenland ausdrücklich vor. Trotz der schwierigen Materiallage wäre die Marine wohl in der Lage, ein Schiff für Waffenkontrollen zu stellen. Auch die robusten Boarding-Teams für Inspektionen auf hoher See stehen zur Verfügung. Ungeklärt indes ist, was bei einer Neuauflage von „Sophia“ mit Flüchtlingen geschehen soll, die von den EU-Schiffen - wie in der Vergangenheit - im Mittelmeer gerettet würden.

  2. Als wesentlich heikler gilt unter den Militärs die Absicherung eines möglichen Waffenstillstandsabkommens in Libyen selbst. Sollte sich die Staatengemeinschaft unter dem Dach zur Uno für eine Mission mit Bodentruppen entscheiden, müssten robust ausgestattete Einheiten in Libyen stationiert werden, um die bewaffneten Milizen auseinander zu halten - ohne selbst in die Schusslinie zu geraten.

  3. Als Mittelweg nannten erfahrene Militärs eine zivile Beobachtermission durch Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ähnlich wie im Osten der Ukraine könnten diese  - ausgestattet mit gepanzerten Geländewagen - die geplante Entwaffnung der Milizen und den Abzug von schweren Waffen vor Ort beobachten.

Ganz ohne militärischen Schutz aber ist im Krisenland Libyen auch eine solche Mission schwer vorstellbar, heißt es im Wehrressort. Denn die Lage in Libyen unterscheidet sich noch einmal deutlich von der in der Ost-Ukraine – sie ist schlichtweg gefährlicher.

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