Linke in Schleswig-Holstein Mobben, schachern, bocken

Der Erfolg von Oskar Lafontaine im Saarland gibt der Linken Auftrieb. Doch in anderen westdeutschen Landesverbänden stockt der Aufbau der Partei: Die Forderungen der Akteure sind teilweise illusorisch, in Schleswig-Holstein klagen Genossen über Mobbing und Postengeschacher.
Oskar Lafontaine: "Ihr handelt für uns alle mit"

Oskar Lafontaine: "Ihr handelt für uns alle mit"

Foto: WOLFGANG RATTAY/ REUTERS

Berlin - "Wer nicht die Meinung des Vorstands teilt, wird weggemobbt." Angelika Hannapel fühlt sich ungerecht behandelt. Am Dienstag hat sie einen Brief bekommen - mit der Aufforderung: Sie solle ihr Kreistagsmandat niederlegen und die Partei verlassen." Das sieht die Kommunalpolitikerin aus Probsteierhagen nicht ein, sie klagt: "In der Linken wird nur noch um Posten geschachert, es geht nicht mehr um Politik."

Hannapel gehört zum Neumünsteraner Kreis, einem Netzwerk innerhalb der Linkspartei Schleswig-Holstein, das sich explizit gegen den Kurs des Vorstands stellt. Die Linke entwickle sich zu einer "SPD light" und mache sich dadurch überflüssig, kritisiert Hannappel. Die Landes-Chefin Cornelia Möhring weist die Vorwürfe zurück: "Das ist ausgemachter Blödsinn." Hannapel habe erklärt, sie könne wegen des Kurses der Linken "aus Gewissensgründen" keinen Wahlkampf machen, "da braucht sie sich nicht wundern, dass Parteifreunde sie zum Rückzug auffordern". Und dann fügt Möhring maliziös an: "Reisende soll man nicht aufhalten."

Es ist ein parteiinterner Streit, wie er auch schon in Hessen Anfang des Jahres tobte. Auch dort beschwerten sich Mitglieder bitter über Diffamierung und Ausgrenzung. Die Gruppe um den ehemaligen Spitzenkandidaten Pit Metz trat kurz vor den Wahlen aus. Wer Recht hat, ist von außen kaum zu beurteilen, beide Seiten überziehen sich mit Anschuldigungen und Verleumdungen.

Klar ist: Nach dem Erfolg von Oskar Lafontaine im Saarland gerät fast in Vergessenheit, dass die Linke im Westen eine junge Splitterpartei ist und eine Plattform für Sektierer bietet. Mit großem Aufwand versucht die Berliner Parteiführung seit zwei Jahren, Skandale und Affären in den Ländern zu verhindern. Nicht immer mit Erfolg.

  • So überschatteten in Niedersachsen 2008 die Worte der Abgeordneten Christel Wegner den Wahlerfolg (7,1 Prozent). Die DKP-Frau hatte den Bau der Mauer in der ARD gerechtfertigt als "Maßnahme, um zu verhindern, dass weiterhin Westdeutsche in die DDR konnten". Außerdem hatte Wegner gesagt, bei einer neuen Gesellschaftsform, die sie anstrebe, brauche es wieder "so ein Organ" wie die DDR-Staatssicherheit. Die Niedersachsen warfen das DKP-Mitglied aus der Fraktion. Noch heute ärgern sich führende Genossen über die Rolle des Landeschefs Dieter Dehm, der Wegners Kandidatur unterstützt hatte.
  • In Hessen setzte sich im Sommer 2007 der Marburger Pit Metz gegen den Lafontaine-Favoriten Dieter Hooge durch. Direkt nach seiner Wahl setzte Metz den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr mit dem Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze gleich. Nur zehn Tage danach musste er seine Kandidatur zurückziehen, der Parteilose Willi van Ooyen wurde Spitzenkandidat.
  • Auch die Genossen in Nordrhein-Westfalen sorgen bei führenden Parteimitgliedern für wenig Begeisterung. Sahra Wagenknecht kandidiert dort auf Platz fünf für den Bundestag - und auch beim Wahlprogramm setzte sich der Landesverband für schärfere Formulierungen ein, als sie der Parteivorstand vorgeschlagen hatte. Landeschef Wolfgang Zimmermann weist Vorwürfe, die NRW-Linke sei radikaler, jedoch zurück. Es gebe eben Forderungen, "die nicht verhandelbar sind", sagt er - "dazu zählen beispielsweise der Afghanistan-Abzug und die Rücknahme der Agenda-Gesetze. Wenn wir das opfern würden, hätten wir uns gar nicht erst als Partei gründen müssen." Vorwürfe, die Haltung hätte das Ergebnis bei den Kommunalwahlen geschmälert, weist Zimmermann zurück: "Die Tatsache, dass die etablierten Parteien kaum zu unterscheiden sind sowie die Nichteinhaltung von Wahlversprechen schmälern in erster Linie Wahlergebnisse." Ein Seitenhieb auf die pragmatischen Genossen im Osten.

Fehltritte wie in Hessen und Niedersachsen will die Linke in der Zukunft unbedingt vermeiden. Bei dem schleswig-holsteinischen Parteitag mahnte Lafontaine: "Ihr handelt für uns alle mit." Die Worte zeigten Erfolg: Auf den vorderen Plätzen gab es keine Überraschungen, Spitzenkandidatin wurde die Ex-Grüne Antje Jansen. Auf Platz zwei landete der Pragmatiker Heinz-Werner Jezewski.

Grünen-Chef nennt Linke "Haufen von zersplitterten Gruppen"

Sogar eine Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung können sich die Schleswig-Holsteiner mittlerweile vorstellen. Nur eine aktive Regierungsbeteiligung schloss Jansen aus.

Bei den Grünen stoßen die Avancen allerdings nicht auf Begeisterung. Parteichef Robert Habeck sagte SPIEGEL ONLINE: "Ich habe keine ideologischen Vorbehalte gegen die Linke, aber in Schleswig-Holstein ist das ein Haufen von zersplitterten Gruppen." Er wisse gar nicht, mit wem er es zu tun habe, und daher könne es auch keine verlässlichen Absprachen geben. Habecks Urteil: "Die Linke in Schleswig-Holstein gibt es nicht."

Auch inhaltlich gebe es keine Schnittmengen, da die Vorstellungen der Linken illusorisch seien. So fordert die Partei ein Investitionsprogramm von 3,5 Milliarden Euro, die Rücknahme aller Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst und "kostenfreien öffentlichen Nahverkehr" für alle Bürger.

"Bockige Parteien haben wir genug im Landtag"

Habeck spottet: "Über die Forderungen muss man gar nicht erst nachdenken. Das wirkt auf mich nur bockig - und bockige Parteien haben wir schon genug im Landtag."

Wegen ihrer fundamentaloppositionellen Haltung haben die Grünen auch keine guten Erinnerungen an die ehemalige Landeschefin Jansen, die nun die Liste der Linken anführt. Einer, der in den neunziger Jahren an ihrer Seite aktiv war, sagt: "Antje Jansen ist nicht politikfähig, wenn man Politik so definiert, Realitäten zu verändern." Sie gehöre zu denen, "die sich ihre Realität backen" und Kompromisse nicht akzeptieren wollen. So habe sie beständig gegen die rot-grüne Landesregierung gearbeitet und den Widerstand des Fundi-Flügels organisiert. Erst mit einem Misstrauensvotum gelang es den Realos, Jansen 1997 als Sprecherin abzulösen.

Obwohl er vor der Zerstrittenheit der Linken warnt, glaubt Grünen-Chef Habeck, dass die Partei auch in Schleswig-Holstein über fünf Prozent kommt: "Ich befürchte, dass sie den Sprung in den Landtag schaffen - wegen des Rückenwinds der Bundestagswahl. Aber verdient haben sie es nicht."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren