Sahra Wagenknecht Rückkehr nach Weimar – und zur eigenen Partei

In Weimar zelebriert Linkenchefin Susanne Hennig-Wellsow ihre Versöhnung mit dem Ehepaar Wagenknecht/Lafontaine. Die Partei soll nun wieder enger zusammenstehen. Klappt das?
Aus Weimar berichtet Timo Lehmann
Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht und Susanne Hennig-Wellsow in Weimar

Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht und Susanne Hennig-Wellsow in Weimar

Foto: Martin Schutt / dpa

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Ein bisschen ist Sahra Wagenknecht wegen Goethe nach Weimar gekommen. Sie freue sich, wieder einmal hier zu sein, sagt sie bei ihrer Rede auf der Bühne. »Ich mag Weimar. Es ist eine so wunderschöne Stadt.« Als Schülerin habe sie hier im Goethehaus gejobbt, bei ihrer Großtante gewohnt. Aber der eigentliche Grund für ihr Dasein sei natürlich, weil sie hier für die Linke werben will, fügt sie noch an.

Dass Wagenknecht für die Linke wirbt, daran gab es zuletzt in der eigenen Partei erhebliche Zweifel. Diese will Wagenknecht mit diesem Wahlkampftermin nun offenbar ausräumen. Es ist sozusagen eine Rückkehr in doppelter Hinsicht: nach Weimar und auch zu ihrer eigenen Partei.

Zu Gast ist sie hier in Thüringen, um mit ihrem Ehegatten Oskar Lafontaine für die Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow in deren Bundestagswahlkreis zu werben. Auf dem Unesco-Platz in der Altstadt hören gut 700 Menschen dem Ehepaar und der Parteichefin zu, der Platz ist bis in die Gassen drum herum voll besetzt.

Die klassische Wagenknecht-Rede

Der gemeinsame Auftritt ist für die Linke so etwas wie ein Wunder. Mit der alten Parteispitze war das Ehepaar tief verfeindet, die Beziehung zur eigenen Partei zerrüttet. Auch zuletzt gab es bei den Genossinnen und Genossen viel Ärger, etwa über Wagenknechts Buch, das einige als Abrechnung mit der Partei verstanden. Wagenknecht kritisierte, die Linke habe die Arbeiterschaft vernachlässigt und konzentriere sich zu stark auf Themen des großstädtischen Milieus, was einige ihrer Parteifreunde derart aufbrachte, dass sie ihren Rücktritt forderten und manche sogar ein Ausschlussverfahren beantragten. Lafontaine wiederum rief wegen Streitereien im Saarland dazu auf, dort mit der Zweitstimme nicht die Linke zu wählen.

Die im Frühjahr gewählte Vorsitzende Hennig-Wellsow fuhr vor einigen Wochen wegen der Querelen ins Saarland und sprach sich mit den beiden aus. Mit Erfolg, wie nun der Termin zeigt. Statt über Lifestyle-Linke zu wettern, widmen sich Wagenknecht und Lafontaine in ihren Reden wieder ihrem alten Gegner: der Bundesregierung.

In der Außenpolitik habe die Große Koalition »schmählich versagt«, in der Coronakrise sowieso, sagt Wagenknecht. Gesundheitsämter seien »kaputtgespart« geworden. »Wir brauchen endlich wieder einen handlungsfähigen Staat.« Ein Unding seien die Parteispenden aus der Wirtschaft an die anderen Parteien und dass sich Politiker nach ihrer Karriere den »Arsch vergolden« lassen. Es ist eine klassische Wagenknecht-Rede, die Zuhörerinnen und Zuhörer klatschen und johlen.

Auch macht Wagenknecht noch mal deutlich, dass sie für ihre eigene Partei steht. »Man muss nicht jeden Programmpunkt im Wahlprogramm gut finden. Geht mir sogar auch so«, sagt sie, was für Gelächter sorgt. Aber das komme aus voller Überzeugung: »Es gibt im Bundestag keine andere Partei, die erstens noch nie einem Krieg zugestimmt hat, und die zweitens noch nie einen müden Euro von einem Rüstungskonzern, von einer großen Bank oder einer anderen Wirtschaftslobby bekommen hat.« Deshalb werbe sie dafür, die Linke zu wählen.

»Unterstützung für Susi!«

Das unterstreicht dann den Versöhnungsakt, der hier vollzogen werden sollte. Bei aller Kritik an ihrer Partei, wählen sollte man sie natürlich trotzdem, so Wagenknechts Botschaft. Auch Lafontaine, der im nächsten Monat 78 Jahre alt wird, attackiert die Regierung scharf wie in früheren Zeiten. Er möge die Stadt Weimar wirklich, das sei nicht gelogen, sagt er. Wagenknecht habe ihn schon mehrfach hierher »geschleppt« – und auch er ruft: »Unterstützung für Susi!«

Für Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow ist der Besuch aus dem Saarland wichtig. Wagenknecht ist noch immer die populärste Politikerin der Linken, ihr Buch befindet sich seit Wochen in den Bestsellerlisten und sie schafft es sogar, in einer 60.000-Einwohner-Stadt wie Weimar Hunderte Menschen zu einer Parteiveranstaltung zu locken. Wenn die Linke aus ihrem Umfragetief bei sechs Prozent rauskommen will, ist sie auf Wagenknecht angewiesen.

Hennig-Wellsow will ihre Partei in eine rot-rot-grüne Regierung führen und dafür muss sie möglichst geeint sein. Zwar teilt die Vorsitzende viele von Wagenknechts Thesen nicht, sagt aber, die Partei müsse mehr Uneinigkeit aushalten. Und sich nicht gleich bei jeder Debatte gegenseitig fast an die Gurgel springen.

In diese Gefahr geriet die Linke in den vergangenen Tagen wieder einmal, als sie sich darum stritt, ob die Bundestagsfraktion dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan zustimmen sollte. Wagenknecht enthielt sich, wie es die Mehrheit der Fraktion beschlossen hatte, während sieben Abgeordnete, die größtenteils ihrem Lager angehören, dennoch gegen den Rettungseinsatz votierten. Selbst von Wagenknechts erbitterten Gegnern wurde ihr Abstimmungsverhalten mit Respekt zur Kenntnis genommen.

»Nun sag, wie hast du’s mit der Partei?«, könnte man Wagenknecht nach dem Weimarer Treffen fragen. Frei aus Goethes »Faust« zitiert, den Wagenknecht auswendig gelernt hat.

Dass das dann doch nicht ganz so einfach ist, zeigte ein Interview in der »Thüringischen Landeszeitung« kurz vor dem Versöhnungsakt. Dort feuerte sie noch mal gegen die alte Parteiführung: »Es ist gut, dass dieses Kapitel beendet ist.«

Und war dann jedoch gleich wieder versöhnlich. Sie und ihr Mann würden nach Weimar kommen, um für Hennig-Wellsow und die Linke in Thüringen zu werben. »Wir möchten außerdem dazu beitragen, dass die Streitigkeiten der Vergangenheit angehören«, versprach Wagenknecht.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren