Linke nach Jamaika-Aus Nur schlechte Optionen

Sahra Wagenknecht
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaSahra Wagenknecht konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. Bei den Bürgern mache sich sicher eine "gewisse Erleichterung" breit, sagte sie nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen, "dass dieses Trauerspiel wochenlanger Zankereien jetzt beendet ist".
Politisch ist die Schadenfreude der Linken-Fraktionschefin sicher nachvollziehbar. In Berlin hatten Union, FDP und Grüne über ein Bündnis mit bürgerlich-konservativen Zügen verhandelt. Alles andere als das, was die Linken wollen.
Dennoch: Hinter den Kulissen sorgte das Ende der Sondierungen bei den Linken für Entsetzen. "Wir wurden eiskalt erwischt", berichtet ein Vorstandsmitglied. Bis zum vergangenen Sonntag war man sich bei den Linken sicher: Das wird schon irgendwie werden mit Jamaika.
Für die Linke, das gehört zur Ironie dieser Tage, wäre die Merkel-Lindner-Özdemir-Koalition nämlich die derzeit beste Lösung gewesen. Und das, obwohl der Partei ein harter Selbstbehauptungskampf im Bundestag bevorstand - als kleinste Fraktion in der Opposition neben Sozialdemokraten und AfD.
Doch Jamaika hätte den Linken vor allem Zeit gegeben - die notwendige Ruhe, um die immer noch tobenden Kämpfe in den eigenen Reihen einzudämmen; und die Chance, ohne Druck ein Mitte-Links-Bündnis vorzubereiten.
Doch daraus wird jetzt nichts. Stattdessen blicken die Linken mit Sorge in die Zukunft - egal, was nun kommt. Denn keines der diskutierten Szenarien verheißt für die Partei Gutes.
Große Koalition - Machtoption gerät in weite Ferne
Sollte es sich die SPD doch noch einmal anders überlegen und wieder mit der Union regieren - für viele Linke wäre es das größte Übel. Der Grund: Die Partei braucht starke Sozialdemokraten für eine eigene Machtperspektive. Nur eine erfolgreiche SPD könnte Rot-Rot-Grün mehrheitsfähig machen. Die Erfahrung hat aber gezeigt: Schwarz-Rot hat die Partei zermürbt und bei den Wahlen zum großen Verlierer gemacht.
Zumindest jene Linken, die auf ein Mitte-Links-Bündnis hinarbeiten, hatten sich eine Annäherung an die SPD in der gemeinsamen Opposition versprochen. Doch der dafür nötige Linksschwenk der Sozialdemokraten würde bei Schwarz-Rot wohl ausbleiben, von einem linken Lager könnte keine Rede sein. Eine Große Koalition, sagte Parteichefin Katja Kipping, könne sich ja wohl "niemand ernsthaft wünschen".
Neuwahlen - Partei ist wahlkampfmüde
Die offizielle Version geht bei den Linken so: Neuwahlen seien, so Kipping, "die demokratisch angemessene Konsequenz" aus dem Jamaika-Debakel. "Es ist Zeit für einen Neuanfang." Ihr Co-Vorsitzender Bernd Riexinger forderte bereits eine linke Alternative zum "neoliberalen Block". Ähnlich äußerte sich auch Gregor Gysi. Dem SPIEGEL sagte er: "Wenn Neuwahlen kämen, gibt es eine Chance für eine Verschiebung der Stimmen hin zu einem linken Reformbündnis."
In der Partei laufen mittlerweile auch erste Vorbereitungen für einen möglichen Wahlkampf. Doch in Wahrheit hält sich die Euphorie bei den Linken in Grenzen. "Bei uns hat niemand Bock auf Neuwahlen", sagte ein Spitzengenosse. Wie in anderen Parteien macht sich auch bei den Linken eine Wahlkampfmüdigkeit breit. Zudem fehlt manchen Genossen der Glaube, in kürzester Zeit mit SPD und Grünen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. "Die Parteien einer eventuellen Koalition müssen gegenseitig aufeinander zugehen und kompromissfähig sein", mahnt Gysi. Doch Parteichef Riexinger stellt gegenüber dem SPIEGEL fest: "Unter den jetzigen Bedingungen könnten wir keinen Lagerwahlkampf machen."
Und dann ist da ja noch der Streit in den eigenen Reihen, vielleicht das größte Problem der Linken. Es geht um politische Fragen, etwa ob man regierungsfähig oder Protestpartei sein will. Vor allem aber geht es um persönliche Zankereien und ein Machtgerangel zwischen Partei- und Fraktionsführung. "Neuwahlen", sagte ein Parteilinker, "würden die alten Konflikte nicht lösen, sondern wieder aufbrechen lassen".
Zumindest würde sich wieder die Frage stellen, wer die Linke in den Wahlkampf führt. Die Debatte darüber hatte vor der Bundestagswahl vor allem zwischen Kipping und Wagenknecht zu heftigen Verwerfungen geführt. Am Ende bildete die Fraktionschefin gemeinsam mit Dietmar Bartsch das Spitzenduo, Kipping und Riexinger waren nur Teil eines "Spitzenteams". Riexinger sagte nun: "Wenn Wahlprogramm, Strategie und Personal im Einklang sind, müssen wir daran nichts ändern."
Minderheitsregierung - Streit droht
Für einige Linke hätte diese Lösung noch den größten Charme: eine Minderheitsregierung von Union und Grünen. Die Vorteile sind klar: Die Partei müsste sich nicht schon wieder einem Wahlkampf stellen, sie könnte sich ohne Druck mit beweglicheren Sozialdemokraten abtasten.
In der Linken gibt es ohnehin grundsätzlich Sympathien für ein System mit wechselnden Mehrheiten. Die frühere Abgeordnete Halina Wawzyniak gehört zu jenen, die schon lange für solch ein Modell werben. "Koalitionskorsette sind starr und rauben der Demokratie Luft", schrieb sie auf ihrem Blog und forderte: "Mehr Mut wagen, statt Neuwahlen produzieren."
Allerdings birgt auch eine Minderheitsregierung Gefahren für die Linke: Sie ist instabil, schafft keine Planungssicherheit und würde die Genossen zur klaren Positionierung in allen Abstimmungen zwingen, auch in den vielen intern umstrittenen Fragen - etwa bei der Außenpolitik. "Wir müssten vorher alles intern ausdiskutieren", warnt ein Genosse.