Genossen erwägen Aufschub
Linkenparteitag erst nach der Bundestagswahl?
Eigentlich wollen die Linken in Kürze ihre neue Führung küren. Doch wegen des Shutdowns erwägen die Genossen nach SPIEGEL-Informationen einen Aufschub des Parteitags – vielleicht sogar bis nach der Bundestagswahl.
Sie sollen bald die Linke führen: Susanne Hennig-Wellsow, Janine Wissler
Foto: Frank May / dpa
Unter normalen Umständen hätten die Linken längst eine neue Spitze. Im vergangenen Juni sollte die Nachfolge der Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger geklärt werden. Doch wegen der Coronakrise sagten die Genossen den Parteitag ab. Auch den Ersatztermin Ende Oktober konnten sie nicht halten.
Nun soll auf einem dezentral organisierten Parteitag am 26. und 27. Februar gewählt werden – das ist bislang der Plan. Allerdings könnte angesichts der angespannten Corona-Lage auch daraus nichts werden. Nach SPIEGEL-Informationen gibt es im Vorstand Erwägungen, dieses Vorhaben ebenfalls zu begraben.
In der Sitzung des Spitzengremiums zum traditionellen Jahresauftakt der Linken diskutierten die Genossen am Sonntag verschiedene Alternativen. So berichten es mehrere Teilnehmer. Eine Variante ist demnach auch ein Aufschub auf die Zeit nach der Bundestagswahl.
Kipping stellte Optionen vor
Parteichefin Kipping sprach den Angaben zufolge diese und andere Optionen an, darunter auch eine digitale Abstimmung mit Briefwahl und eine Verkleinerung der dezentralen Parteitagstreffen auf jeweils zehn Personen. Bislang ist vorgesehen, dass an insgesamt 16 Orten je höchstens hundert Genossen aufeinandertreffen.
Kipping habe in der Sitzung nun klargemacht, dass sie einen Aufschub absolut nicht favorisiere. Allerdings gibt es in der Partei grundsätzlich massive Vorbehalte gegen Briefwahlen. Präsenzveranstaltungen wiederum, egal in welcher Form, halten manche Genossen zum jetzigen Zeitpunkt für nicht vermittelbar – selbst wenn dies rechtlich zulässig sein sollte.
Nach SPIEGEL-Informationen sprach sich in der Sitzung vor allem der sächsische Landeschef Stefan Hartmann dafür aus, einen langfristigen Aufschub zumindest in Betracht zu ziehen. »Was wäre das für ein Signal, wenn wir den Menschen sagen, dass sie zu Hause bleiben sollen, und wir uns zum Parteitag treffen?«, sagte er auf Nachfrage.
Einen Nachholtermin im Sommer lehnt Hartmann zudem ab. »Dann sind wir mitten im Wahlkampf und sollten uns darauf konzentrieren, bei der Bundestagswahl ein gutes Ergebnis zu holen.« Von anderer Seite heißt es wiederum, ein derartiger Aufschub sei »definitiv das letzte Szenario, wenn wirklich nichts möglich wäre«. Ein Vorstandsmitglied sagte, es handele sich nicht um eine »realistische Perspektive«.
In Wartestellung
Die Angelegenheit ist für die Linken hochbrisant. Als so gut wie sicher gilt, dass die thüringische Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow und die hessische Fraktionsvorsitzende Janine Wissler die Führung der Bundespartei übernehmen. Von der Wahl der beiden Frauen hatte man sich in der Partei pünktlich zum Wahlkampf eine nachhaltige Aufbruchstimmung erhofft.
Die beiden Frauen befinden sich zudem seit Monaten in Wartestellung. Ein Zustand, der sich nun noch quälend lang hinziehen könnte. Mit Kipping und Riexinger würden wiederum zwei Vorsitzende auf Abruf die Linke durchs Superwahljahr führen.
Die Genossen wollen die Angelegenheit bis zur nächsten Vorstandssitzung am 23. Januar auch juristisch prüfen.