+++ Liveticker +++ Papst-Rede spaltet den Bundestag

Benedikt XVI. hat mit seiner Rede im Bundestag viele Abgeordnete begeistert. Die Ausführungen hätten sich "wohltuend in die Tiefe bewegt", lobt SPD-Generalsekretärin Nahles. Andere Parlamentarier gehen auf Distanz: "Mir fehlten wichtige Themen", sagt einer. Verfolgen Sie Rede und Reaktionen im Liveticker.
Benedikt XVI. mit Abgeordneten im Parlament: Lob und Kritik nach der Rede

Benedikt XVI. mit Abgeordneten im Parlament: Lob und Kritik nach der Rede

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+++ Brüderle lobt politische Ausrichtung der Papst-Rede +++

[17.58] FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle bewertet die Papst-Rede als wichtige Unterstützung für die Politik. Benedikt XVI. habe die Abgeordneten in jener Wertebasis für verantwortliches Handeln bestärkt, auf der die inneren Fundamente von Demokratie und Rechtsstaat beruhen. "Das hat er glänzend, in klaren, einfachen Strichen, für jeden verständlich, deutlich gemacht." Benedikts Aufgabe sei es sicherlich nicht gewesen, "uns ein Rezeptbuch zu liefern, wie wir Detailprobleme lösen."

+++ Oppermann: "Staat kann ohne Recht nicht funktionieren" +++

[17.53] Auch Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, kommentiert die Rede: "Der Papst hat darauf hingewiesen, dass ein Staat ohne Recht nicht funktionieren kann. Damit hat er Partei ergriffen für einen handlungsfähigen Staat, der die Märkte reguliert und für eine Gesellschaft, in der die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärken gilt."

+++ Menschen strömen ins Olympia-Stadion +++

[17.43] Eine Dreiviertelstunde vor Beginn der Messe mit dem Papst im Olympiastadion haben sich bereits Zehntausende von Menschen dort eingefunden. Benedikt XVI. will dort um 18.30 Uhr vor rund 70 000 Gläubigen predigen. Mehr als 30 000 Besucher seien bereits im Stadion, teilte die Polizei mit. Alle müssten kontrolliert werden. "Es herrscht ein reger Zustrom", sagte ein Sprecher.

+++ CDU-Generalsekretär Gröhe nennt Rede "wertvolle Orientierung" +++

[17.41] CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Ansprache als "sehr wertvolle Orientierung für unser tägliches Tun in der Politik" gewürdigt. "Die Mahnung des Papstes, die Wahrung der Gerechtigkeit in allem politischem Bemühen nicht aus den Augen zu verlieren, tut uns allen gut", sagte Gröhe

+++ Volker Beck: "Rede hätte in die Humboldt-Universität gepasst" +++

[17.38] Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck spielt auf die teils sehr philosophisch-theologischen Rede des Papstes an: "Die Rede hätte sehr gut in die Humboldt-Universität gepasst."

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Papst in Deutschland: Benedikt am Schloss Bellevue

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+++ Zwei Drittel der Linken-Abgeordneten waren nicht im Saal +++

[17.36] Dutzende Abgeordnete sind der Papst-Rede im Bundestag ferngeblieben. Nur 28 der 76 Plätze der Linksfraktion waren am Donnerstag besetzt. Damit boykottierten noch deutlich mehr Linke als erwartet die Sondersitzung. Die meisten anwesenden Abgeordneten der Linksfraktion trugen rote Aids-Schleifen.

+++ Grünen-Mann Sarrazin: Papst-Rede bewusst gemieden +++

[17.31] Während sich der Reichstag langsam leert, schlendert der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin durch den Tiergarten in Richtung seines Büros. "Nein, den Papst musste ich mir nicht antun", sagt Sarrazin. Stattdessen sei er bei einer anderen sehr interessanten Veranstaltung gewesen.

+++ Linken-Chef Gysi: Thema Krieg hat gefehlt +++

[17.28] Linken-Fraktionschef Gregor Gysi haben dagegen zwei Themen in der Rede gefehlt: zum einen Krieg und Frieden. Er hätte sich gewünscht, dass Benedikt gesagt hätte, dass Krieg kein politisches Mittel sei. Zum anderen fehlte ihm das Thema Armut und Reichtum in der Rede des Papstes.

+++ Benedikt XVI: "Aufgabe des Politikers bleibt, dem Recht zu dienen" +++

[17.24] Hier noch einmal einige Höhepunkte der Papst-Rede: Letzter Maßstab eines Politikers für seine Arbeit dürfe "nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein. Der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet." Grundlegende Aufgabe des Politikers bleibe, dem Recht zu dienen und "der Herrschaft des Unrechts zu wehren".

+++ Nahles: Rede hat sich "wohltuend in die Tiefe bewegt" +++

[17.18] Die ersten Reaktionen zur Rede des Papstes treffen ein. Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin und gläubige Katholiken, zeigt sich "sehr angetan" von Benedikts Rede: Ihr habe sehr gefallen, wie er Europas Rechtsgeschichte behandelt habe. Die Rede habe sich "wohltuend in die Tiefe bewegt": "Ich fand das klug." Am meisten beeindruckt habe sie der Satz über das hörende Herzen vom König Salomon.

+++ Linken-Politiker Korte: "Bin auf der richtigen Veranstaltung" +++

[17.15] Der Linken-Bundestagsgeordnete Jan Korte ist ein weiterer Papst-Boykotteur - und hat sich in diesen Minuten wie mancher Kollege unter die Gegendemonstranten auf dem Potsdamer Platz gemischt. "Ich glaube, dass ich hier auf der richtigen Veranstaltung bin", sagt er. "Es ist selten in diesem Land, dass so unterschiedliche Menschen zusammenkommen - eine wirklich bunte Mischung."

+++ Abgeordnete spenden minutenlangen Applaus +++

[17.10] Die Rede beendet, stehend applaudieren die Mitglieder des Bundestages. Vor allem mit seinem versteckten Lob für die Grünen hat das Kirchenoberhaupt für Überraschung und Gelächter gesorgt.

+++ "Der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden" +++

[17.08] Die Rede war doch kürzer als geplant. Benedikt endet seine Ansprache mit diesen Worten: Dem jungen König Salomon sei in der Stunde seiner Amtsübernahme eine Bitte freigestellt worden. "Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz - die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden und so wahres Recht zu setzen, der Gerechtigkeit zu dienen und dem Frieden."

+++ "Ökologische Bewegung war Schrei nach frischer Luft" +++

[17.06] Diese Äußerung sorgt für Applaus: "Ich würde sagen, dass das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann." Und dann schiebt Benedikt XVI nach: "Es ist wohl klar, dass ich hier nicht Propaganda für eine bestimmte politische Partei mache."

+++ "Vernunft und Natur als die für alle gültige Rechtsquelle" +++

[17.02] "Für die Entwicklung des Rechts und für die Entwicklung der Humanität sei es entscheidend gewesen, dass sich die christlichen Theologen gegen das vom Götterglauben geforderte religiöse Recht auf die Seite der Philosophie gestellt, Vernunft und Natur in ihrem Zueinander als die für alle gültige Rechtsquelle anerkannt haben."

+++ Würdigung für Widerstandskämpfer +++

[16.56] Benedikt erinnert an die Widerstandskämpfer gegen das Naziregime und andere totalitäre Regime: Sie haben dem Recht und der Menschheit als ganzer einen Dienst erwiesen. Für diese Menschen war es unbestreitbar evident, dass geltendes Recht in Wirklichkeit Unrecht war."

+++ "Wie erkennen wir, was Recht ist?" +++

[16.53] Der Papst fragt: "Wie erkennen wir, was recht ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und Scheinrecht unterscheiden?" Für ihn bleibt "die salomonische Bitte die entscheidende Frage, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen."

+++ "Wende mich auch als Landsmann an Sie" +++

[16.49] Papst Benedikt bedankt sich für die Einladung in den Bundestag: "Sie erkennen damit die Rolle des heiligen Stuhls als Partner an". Außerdem spielt er auf seine deutsche Herkunft an: "In dieser Stunde wende ich mich an Sie, verehrte Damen und Herren - gewiss auch als Landsmann, der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß und die Geschicke der deutschen Heimat mit Anteilnahme verfolgt."

+++ Der Papst tritt ans Rednerpult +++

[16.48] Der Moment ist da: In wenigen Sekunden wird Benedikt XVI. seine Rede an den deutschen Bundestag beginnen.

+++ SPD-Politiker Schwanitz: "Stimmung ist bestens" +++

[16.44] Der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Kanzleramtsminister Rolf Schwanitz ist einer der prominentesten und lautstärksten Boykottierer des Papstauftritts im Bundestag. Er steht in diesen Minuten auf der Gegen-Demo auf dem Potsdamer Platz und sagt: "Ich bin hier inmitten von Tausenden und die Stimmung ist bestens."

+++ Bundestagspräsident Lammert begrüßt den Ehrengast +++

[16.40] Vor der Rede des Papstes wendet sich Bundestagspräsident Norbert Lammert an die Abgeordneten. "Viele Menschen in Deutschland, nicht nur engagierte Katholiken und Protestanten, empfinden die Fortdauer der Kirchenspaltung als Ärgernis", so Lammert.

+++ Papst betritt den Saal - unter Applaus +++

[16.38] Die Abgeordneten haben sich erhoben, unter lautem Beifall betritt Benedikt XVI. den Plenarsaal.

+++ Eintrag in das Goldene Buch +++

[16.34] Benedikt XVI. hat sich in das Goldene Buch des Bundestages eingetragen. Laut Protokoll soll der Papst in vier Minuten mit seiner Rede beginnen, zwischen 30 und 40 Minuten sind dafür eingeplant.

+++ Demo startet am Potsdamer Platz +++

[16.31] Auf dem Potsdamer Platz setzt sich der Protestzug der Papst-Gegner in Bewegung. Es sind offenbar deutlich weniger als die angekündigten 20.000 Demonstranten. Sie halten Schilder mit Aufschriften wie "Kondome ohne Reue" oder "Ich begehre die Sünde" in die Luft. Von einem Hochhaus werden Flugblätter abgeworfen, die sich an die "Ungläubigen" richten.

+++ Päpstlicher Konvoi trifft ein +++

[16.25] Langsam steigt die Spannung: Die Wagenkolonne mit dem Kirchenoberhaupt erreicht in diesem Moment den Osteingang des Reichstags. Bundestagspräsident Norbert Lammert begrüßt den Papst, der sich nun auf den Weg in den Plenarsaal macht.

+++ Plenarsaal füllt sich nur langsam +++

[16.20] Nach und nach treffen die Abgeordneten ein, doch noch ist der Saal kaum gefüllt. Offenbar verschiebt sich der Zeitplan ein wenig, noch soll auch Papst Benedikt XVI. nicht im Gebäude sein. Eigentlich hätte er schon gegen 16.15 Uhr eintreffen sollen.

+++ Durchsage: Fenster und Türen sind geschlossen zu halten +++

[16.06] Die Polizei des Bundestages gibt über die Lautsprecheranlage der Bundestagsliegenschaften folgende Durchsage: "Die Nutzer der zur Paul-Löbe-Allee und Friedrich-Ebert-Platz gelegenen Büros werden dringend gebeten, bis 18 Uhr die Fenster zu schließen und geschlossen zu halten. Bitte halten Sie sich auch nicht im Nahbereich der Fenster auf. Nur so können jegliche Missverständnisse bei den eingesetzten Sicherheitskräften ausgeschlossen werden. Bitte haben Sie Verständnis für diese Maßnahmen, die der Sicherheit des Gastes dient. Ende der Durchsage." Zum ersten Mal kam diese Durchsage gegen 15.30 Uhr und wurde später noch einmal wiederholt.

+++ Boykott: SPD-Vize-Fraktionschefin bleibt der Rede fern +++

[15.58] Eine von vielen Politikern, die heute nicht in den Reichstag gekommen sind, ist Elke Ferner. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin sitzt mit ihren Mitarbeitern in einer Bürobesprechung - das wird sie auch tun, wenn der Papst in einer knappen halben Stunde im Plenum erscheint. Warum sie dem Papst-Auftritt im Bundestag fernbleibt, begründet sie so: "Ich kenne die Haltung der katholischen Amtskirche und des Papstes zu wichtigen Punkten - und da hier kein Dialog, sondern ein Monolog geplant ist, muss ich da nicht dabei sein."

+++ Letzte Vorbereitung: Bundestag wird durchsucht +++

[15.45] Im Bundestag laufen die Vorbereitungen auf den Besuch des Papstes auf Hochtouren. Am Vormittag gab es noch eine letzte Plenarsitzung, seitdem ist das Gebäude fest in der Hand der Sicherheitskräfte. Mit Spürhunden durchkämmen sie das Parlament auf der Suche nach Gefahrenquellen. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe.

Um 16.45 Uhr soll Benedikt XVI. eine Rede im Bundestag halten. Das Manuskript, so heißt es, habe das Kirchenoberhaupt komplett selbst verfasst, über den Inhalt ist noch nichts bekannt.

Im Vorfeld hatte es massiven Widerstand gegen die Rede gegeben. Etwa hundert Abgeordnete von Linken, SPD und Grünen haben angekündigt, die Rede von Benedikt zu boykottieren. Sie halten den Auftritt des Papstes im Parlament für unvereinbar mit der religiösen Neutralität des Staates, werten ihn gar als "Missbrauch des Parlaments".

Lücken im Saal soll es dennoch nicht geben: Die leeren Stühle sollen noch vor der Ankunft des Papstes mit Besuchern gefüllt werden.

+++ Protest auf der Straße +++

[15.30] Gegner der Papstvisite haben massive Proteste  angekündigt. Rund um den Bundestag sind die Sicherheitsvorkehrungen massiv erhöht.

Benedikt XVI. war um 10.16 Uhr mit einer Maschine der italienischen Fluggesellschaft Alitalia auf dem Flughafen Berlin-Tegel gelandet. Dort wurde er von Bundespräsident Christian Wulff, Kanzlerin Angela Merkel und Kirchenvertretern in Empfang genommen. Kurz darauf fuhren der Papst und sein Gefolge zum Schloss Bellevue, wo ihn Wulff offiziell begrüßte.

Dort hatte sich der Papst auch zum ersten Mal öffentlich geäußert - und die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der Religion beklagt. Die Religion sei eine der "Grundlagen für ein gelingendes Miteinander", so das Kirchenoberhaupt. Bei seinem Deutschlandbesuch wolle er in erster Linie Menschen begegnen und über Gott sprechen.

jok/flo/heb/ana/dpa/Reuters/AFP
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