Gefahren des Lobbyismus Ein Sicherheits-Update für die Politik

Wer regiert eigentlich das Land? Politiker oder Lobbyisten? Unsere Demokratie steckt in einer Vertrauenskrise, und wäre sie ein Computer, bräuchte sie dringend neue Sicherheits-Software - um Lobbyismus zu begrenzen, Bestechung zu ahnden und mehr Transparenz herzustellen.
Von Gregor Hackmack
Kanzlerin Merkel bei der Bundestagswahl 2013: Es ändert sich nichts, außer wir sorgen dafür, dass sich etwas ändert

Kanzlerin Merkel bei der Bundestagswahl 2013: Es ändert sich nichts, außer wir sorgen dafür, dass sich etwas ändert

Foto: Kay Nietfeld/ dpa
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Gregor Hackmack ist Mitbegründer von abgeordnetenwatch.de . Er studierte Internationale Beziehungen und Politische Soziologie an der London School of Economics und wurde 2008 als einer der führenden Social Entrepreneurs als Ashoka Fellow ausgezeichnet und 2010 in das Young Global Leader Netzwerk der Schwab Stiftung aufgenommen. Das Projekt abgeordnetenwatch.de erhielt bedeutende Preise, darunter den Deutschen Engagement Preis 2011 sowie den Democracy Award 2013.

Unsere Demokratie steckt in einer Vertrauenskrise. Immer weniger Menschen fühlen sich von unseren Politikern repräsentiert. Und sie haben recht. Statt Mehrheitsinteressen umzusetzen, lässt sich Politik zunehmend von vermögenden Wirtschaftsinteressen beeinflussen. Unsere Demokratie ist auf dem Weg zu einer Lobbykratie.

Wäre die Demokratie in Deutschland ein Computer, dann bräuchten wir schnell eine Aktualisierung unserer Sicherheitssoftware, um die schlimmsten Gefahren zumindest etwas einzugrenzen. Dazu gehören die Regulierung von Parteispenden, ein Verbot von Nebeneinkünften, die wirksame Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung sowie eine Begrenzung des Lobbyismus.

Doch um das Vertrauen in die Demokratie dauerhaft wiederherzustellen und Politik transparent und bürgernah zu machen, braucht es größere, tiefer gehende Veränderungen. Unsere Politik braucht ein Update. Dieses Update besteht aus meiner Sicht aus drei wesentlichen Elementen:

  • Transparenz,
  • Volksentscheide,
  • ein personalisiertes Wahlrecht.

Zuerst brauchen wir mehr Transparenz. Denn nur wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen, können politische Entscheidungen nachvollzogen werden. Das bedeutet nicht, dass immer alle Menschen sämtliche Informationen wahrnehmen sollen. Die meisten werden diese allein ohnehin nicht bewerten wollen. Aber im Zweifel müssen die entscheidenden Informationen jedem zugänglich und für interessierte Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein.

Politik - oft eine Blackbox

Dabei kann das Argument, Vorgänge seien zu komplex, als dass sie von Bürgerinnen und Bürgern nachvollzogen werden könnten, nicht gelten. Olof Palme, der ehemalige schwedische Ministerpräsident, sollte recht behalten, als er sagte: "Es ist eine Irrlehre, dass es Fragen gibt, die für normale Menschen zu groß und zu kompliziert seien. Akzeptiert man einen solchen Gedanken, so hat man einen ersten Schritt in Richtung Technokratie, Expertenherrschaft, Oligarchie getan. […] Die Politik ist zugänglich, beeinflussbar für jeden. Das ist der zentrale Punkt der Demokratie."

Für viele Menschen - auch für mich - ist Politik allzu oft eine Blackbox. Niemand weiß, wer zu welchem Zeitpunkt an welchen Gesetzen mitgewirkt hat. Politik findet oft - die wichtigen Entscheidungen fast nur - hinter verschlossenen Türen statt. Transparenz bei der Entstehung und Verabschiedung von Gesetzen wäre der erste Schritt zu mehr Vertrauen.

Wer die Entscheidungsgrundlage der Politiker nachvollziehen und gegebenenfalls selbst überprüfen kann, fängt an, "denen da oben" wieder zu vertrauen.

Wir brauchen mehr Volksentscheide

Zum zweiten brauchen wir mehr direkte Demokratie in Form von Volksinitiativen und Volksabstimmungen. Denn wenn unsere Parlamente in wichtigen Fragen nicht mehr die gesellschaftlichen Mehrheiten abbilden, dann müssen wir eben selbst aktiv werden. Ein passendes Instrument dafür sind Volksentscheide, denn schon die Möglichkeit, dass jede parlamentarische Entscheidung per Volksentscheid zu Fall gebracht werden kann, oder aber jederzeit neue Themen auf die politische Agenda gesetzt werden könnten, würde die Abgeordneten dazu zwingen, sich stärker am Mehrheitswillen zu orientieren.

Übrigens wäre es ein Leichtes, die Macht der Lobbyisten per Volksentscheid zu begrenzen. Denn natürlich ist es viel schwerer, die Mehrheit des Volkes zu beeinflussen als nur wenige entscheidende Politiker.

Schließlich brauchen wir ein neues Wahlrecht. Und das nicht nur, weil das jetzige Bundestagswahlrecht den Bundestag durch die zahlreichen Ausgleichsmandate selbst bei wenigen Überhangmandaten stark vergrößert. Sondern weil wir aktuell so gut wie keinen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Bundestags haben. Denn selbst wenn wir Abgeordnete nicht direkt wiederwählen, sind manche von ihnen über die Landesliste abgesichert. Auch ewige Verlierer ihres Wahlkreises schaffen es somit immer wieder in den Bundestag. Logisch, dass so mancher Abgeordnete den Wählerwillen nicht mehr fürchten muss.

Das Vorurteil, Politik sei zum Selbstbedienungsladen für Politiker geworden, die nur nach ihrem eigenen Vorteil streben, ist weitverbreitet. Doch wir machen es uns zu leicht, wenn wir die Verantwortung für den Zustand unserer Demokratie allein auf unsere Politiker abwälzen. Die Gesellschaft sind wir, daher sind wir auch für die Regeln des Zusammenlebens verantwortlich. Es ändert sich nichts, außer wir sorgen dafür, dass sich etwas ändert.

Wenn die Stimme des Volkes in den Parlamenten gehört werden soll, brauchen wir ein Politik-Update nicht nur in Hamburg, sondern in allen Bundesländern und letztlich auch auf Bundes- und Europaebene.


Auszug aus "Demokratie einfach machen" von Gregor Hackmack,
erschienen in der edition Körber-Stiftung

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