Entlassung von MAD-Chef Gramm Kramp-Karrenbauers riskante Rochade

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer: Wer soll an die MAD-Spitze?
Foto: Torsten Kraatz / dpaWenn ein Geheimdienstchef entlassen wird, bleibt die Ehrlichkeit gern mal auf der Strecke. Statt deutlich zu sagen, dass der Spitzenbeamte oder seine Behörde bei der Aufdeckung von Terrorattacken oder der Jagd auf Rechtsextreme versagt hat, werden lieber Phrasen bemüht. Statt sachlicher Kritik oder einem halbwegs ehrlichen Zeugnis bekommt der Geschasste lieber vergiftete Lobhudeleien.
So lief es am Donnerstagnachmittag. Gut eine Stunde war es her, dass sich die Entlassung von Christof Gramm als Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) durch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer herumgesprochen hatte, da verschickte ihr Ministerium eine Pressemitteilung. Dort war zu lesen, Gramm habe bei der Reform des pannengeplagten Truppengeheimdienstes viel erreicht. Nun aber sei es Zeit für einen Neuanfang, darüber sei man sich einig gewesen.
Gramm selbst wurde von seiner Demission nicht überrascht. Spätestens als sich Kramp-Karrenbauer Mitte der Woche spontan in die MAD-Zentrale in Köln eingeladen hatte, ahnte der keineswegs naive Gramm, dass seine Zeit als MAD-Chef abgelaufen war. Er hatte in den vergangenen Monaten oft über einen Rückzug aus eigenen Stücken sinniert. Nun nahm ihm die Chefin die Entscheidung ab.
Gründe für Gramms Demission gibt es viele, auch wenn die meisten wenig mit ihm selbst zu tun haben. Der MAD, der kleinste der drei deutschen Geheimdienste, war in den vergangenen Monaten schlicht nicht mehr aus den Negativschlagzeilen gekommen. Grob gesagt, traute die Ministeriumsspitze Gramm nicht mehr zu, den MAD für die effiziente Suche nach rechtsextremen Soldaten in der Bundeswehr richtig aufzustellen.
Skandale gab es reichlich. Nur zwei Jahre nach Gramms Antritt 2015 flog der rechtsextreme Oberleutnant Franco A. auf, der sich während seiner Bundeswehrzeit eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zugelegt hatte. Für den MAD war die Enthüllung ein Schock, denn A. war dem Dienst vorher nie aufgefallen, niemand hatte ihn und seine Mitstreiter gemeldet. Faktisch war der MAD ahnungslos, ein Super-GAU für jeden Geheimdienstchef.
Gramm fremdelte bis zum Schluss mit seiner Agententruppe
Die Misere hielt an. Oft fanden Journalisten schneller Details über rechtsextreme Soldaten und deren Netzwerke in der Bundeswehr heraus als der MAD. Als schließlich reichlich überzogene Berichte über eine angebliche Schattenarmee von Bundeswehrsoldaten erschienen, die angeblich einen gewaltsamen Umsturz der Regierung planten, geriet der MAD und damit auch Gramm endgültig in die Defensive.
Schon unter Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wurde der Dienst samt Gramm wegen des Falls Franco A. straffer ans Ministerium gebunden. Bei von der Leyen hatte sich da schon der Verdacht eingeschlichen, dass die vielen Ex-Soldaten beim MAD rechtsextremen Kameraden in der Truppe allzu nachsichtig begegneten. Von der Leyen verordnete dem MAD mehr Kooperation mit dem zivilen Verfassungsschutz, der den MAD kontrollieren sollte.

Christof Gramm: Seit 2015 an der Spitze des MAD
Foto: Jens Schicke / imago images/Jens SchickeGut war der Ruf des MAD noch nie. Der Geheimdienst mit seinen mehr als tausend Mitarbeitern habe es jahrelang als seine vornehmste Aufgabe angesehen, "schlechte Nachrichten über die Bundeswehr zu verhindern, anstatt rechtsextreme Strukturen aufzudecken", sagt ein hoher General spöttisch. Auch Gramm, der nun entlassene Präsident, fremdelte bis zum Schluss mit seiner Agententruppe, der er nie richtig vertrauen konnte.
Doch dieses Jahr kam es noch schlimmer. So war herausgekommen, dass Gramms Agenten den zivilen Verfassungsschutz trotz aller Lippenbekenntnisse zur Kooperation nicht über eine anstehende Razzia bei einem rechtsextremen Elitekämpfer des Kommandos Spezialkräfte (KSK) informiert hatten, bei der ein riesiges Waffenlager entdeckt wurde. Dann enthüllte der SPIEGEL, dass ein ranghoher MAD-Fahnder geheimes Ermittlungsmaterial an Kameraden des Hauptverdächtigen weitergereicht hatte.
Der Blick richtet sich nun auf die Ministerin
Gramm, ein unauffälliger Beamter wie aus dem Bilderbuch, wirkte überfordert. Regelmäßig musste er erst bei Staatssekretär Gerd Hoofe und dann im Geheimdienstkontrollgremium zum Rapport antreten. Für einen Mann wie Gramm, der jahrelang im Verteidigungsministerium an Rechtsfragen herumlaboriert hatte, waren die Auftritte ein Graus. Für einen Geheimdienstchef fehlte ihm wohl die Härte, aber auch die Abgebrühtheit, die es in der knallharten Branche der Dienste braucht.
Über die vergangenen Monate wurde es immer einsamer um Gramm. Er selbst dachte an einen freiwilligen Rückzug, da er merkte, dass sowohl der Staatssekretär als auch der Leiter der Rechtsabteilung im Ministerium nicht mehr hinter ihm standen. Vergangene Woche dann soll er erstmals halboffiziell seinen Rückzug angeboten haben. Nur einige Tage später meldete sich die Ministerin bei Gramm und kündigte ihren spontanen Besuch in Köln an.
Für Kramp-Karrenbauer ist die Rochade an der Spitze des MAD riskant, schon jetzt ist im Ministerium von dem ersten Bauernopfer der Ministerin die Rede. Seit ihrem Amtsantritt gibt sich Kramp-Karrenbauer forsch im Kampf gegen Rechtsextremisten. Nach der Ablösung von Gramm aber richtet sich jetzt der Blick mehr denn je auf sie selbst. Ankündigungen wie die vom "eisernen Besen", mit dem sie auskehren will, klingen gut. Nun aber wird sie an konkreten Ergebnissen gemessen.
Die erste wichtige Frage ist, mit wem sie den MAD-Posten neu besetzt. Aus dem Ministerium will kaum einer der Beamten zum Truppengeheimdienst. Nicht erst seit Gramms Demission gilt der MAD-Job als Karrierekiller und Schleudersitz. Trotzdem muss die Ministerin eine geeignete Person finden, die sich im Thema Rechtsextremismus auskennt und der sie hundertprozentig vertrauen kann. Viel Zeit hat sie dafür nicht.