Kategorie »Männerfeindlichkeit« Die Leerstelle der Kriminalstatistik

Bundesinnenministerin Faeser: Kritik an neuer Kriminalitätskategorie
Foto:IMAGO/Frederic Kern / IMAGO/Future Image
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Regelmäßig machen Fälle von Frauen, die von ihren Partnern misshandelt oder sogar getötet werden, hierzulande Schlagzeilen. In Deutschland werden pro Jahr mehr als hundert sogenannte Femizide registriert.
Frauenfeindlichkeit kann politisch motiviert sein, aber auch Homosexuelle, Transpersonen oder Menschen ohne eindeutiges Geschlecht sind regelmäßig Opfer von Beleidigungen oder körperlicher Gewalt. Im Durchschnitt wird etwa eine solche politisch motivierte Tat pro Tag in Deutschland registriert.

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Wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am kommenden Dienstag die neue Statistik zu politisch motivierter Kriminalität vorstellt, dann werden nicht nur diese Fälle zur Sprache kommen. Seit dem 1. Januar 2022 ordnet Faesers Ministerium Straftaten im Bereich der geschlechtsspezifischen Hasskriminalität in drei Kategorien ein: »Geschlechtsbezogene Diversität«, womit Straftaten gegen Tanspersonen, Homosexuelle oder nicht-binäre Personen gemeint sind, »Frauenfeindlichkeit« – und neuerdings auch »Männerfeindlichkeit«.
Allerdings hat die Polizei im Jahr 2022 kaum Taten ausgemacht, die unter die neue Kategorie fallen könnten.
14 männerfeindliche Straftaten in einem Jahr registriert
Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums werden in der Kategorie »vorurteilsgeleitete gegen Männer oder das männliche Geschlecht gerichtete Straftaten der Hasskriminalität« gezählt, wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Eine Umfrage des SPIEGEL bei den 16 Landeskriminalämtern allerdings ergab, dass Beamte in neun Bundesländern im Jahr 2022 keine einzige männerfeindliche Tat registrierten. In Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz lägen noch keine Daten dazu vor, aus Mecklenburg-Vorpommern kam keine Antwort.
Die übrigen vier Bundesländer meldeten insgesamt 14 männerfeindliche Straftaten, dagegen wurden im selben Zeitraum 191 frauenfeindliche Straftaten registriert sowie 336, die gegen Transpersonen oder Menschen ohne eindeutiges Geschlecht gerichtet waren – über hundert allein in Berlin.
»Gegenwärtig eher die Ausnahme«
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte über die geringe Zahl an männerfeindlichen Straftaten: »Die wesentlich niedrigeren Fallzahlen in diesem Unterthemenfeld zeigen, dass männerfeindliche Straftaten gegenwärtig eher die Ausnahme im Bereich der vorurteilsgeleiteten geschlechtsspezifischen Straftaten sind.«
Was sich konkret hinter männerfeindlichen Straftaten verbirgt, ist schwer herauszufinden. Die meisten Landesbehörden verweigerten mit Hinweis auf den Datenschutz nähere Angaben zu Tathergang oder Tätern.
Wie breit die neue Kategorie gefasst ist, macht ein Beispiel aus Berlin klar. Am 7. März 2022 sollen unbekannte Personen gegen 16:50 Uhr am nördlichen Zugang des S-Bahnhofs Warschauer Straße im Ortsteil Friedrichshain Schriftzüge auf dem Fußboden und der Seitenbegrenzung angebracht haben. Die Schriftzüge seien in Farbe und großen Lettern zu lesen gewesen: »FEMINISM IS FOR EVRYONE« und »PATRIARCHAT ZERSCHAGEN«, hieß es da, Schreibfehler inklusive.
Da es keine Ermittlungsansätze gegeben habe und die Täter nicht ermittelt werden konnten, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder ein. In der Statistik wird der Fall nun als einer von drei männerfeindlichen Straftaten geführt.
Die Linke im Bundestag zweifelt daher grundsätzlich den Sinn der neuen Kategorie unter den politisch motivierten Straftaten an. »Männlichkeit ist kein Feindbild rechtsextremer Ideologie und Männerhass kein Motiv rechter Gewalt. Ebenso wenig wie es eine Heterofeindlichkeit von rechts geben kann, gibt es eine Männerfeindlichkeit von rechts«, sagt Petra Pau, die für die Linke im Bundestag sitzt. Bei »Männerfeindlichkeit« handele es sich um eine »Scheinkategorie unter dem Deckmantel empirischer Neutralität«, sagt Pau. Sie fordert, die neue Kategorie rasch wieder aus der Statistik zu streichen.