Mai-Krawalle Polizei konnte nur knapp Tote verhindern

Brutale Straßenschlachten, Dutzende Festnahmen und Verletzte: Die Hamburger Polizei zeigt sich von der "nackten Gewalt" der Rechten bei den Mai-Krawallen schockiert. Nur durch beherztes Eingreifen seien Todesfälle verhindert worden. Heftige Kritik übte die Polizeiführung an einem Gerichtsbeschluss.

Hamburg - Zentraler Punkt der Pressekonferenz bei der Hamburger Polizei war am heutigen Freitag die große Brutalität der Demonstranten bei den Krawallen am 1. Mai. Nach eigener Einschätzung haben die Beamten Todesopfer bei den Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Demonstranten verhindert. "Wenn sich die Polizei nicht dazwischengeworfen hätte, dann hätte es Tote gegeben", sagte Einsatzleiter Peter Born. "Das ist meine feste Überzeugung."

Er bezog sich dabei auf eine Schlägerei zwischen mehr als hundert "autonomen Nationalisten" und einer etwa gleich großen Gruppe linker Gegendemonstranten zum Beginn der stundenlangen Ausschreitungen. Besonders von der rechten Seite sei "nackte Gewalt" ausgegangen. Die rechten Autonomen seien auf Stichwort auf die Linken eingestürmt. "Es kam zu wüsten Schlägereien."

Insgesamt habe es gestern 59 Festnahmen gegeben, sagte Polizeipräsident Werner Jantosch. Auch er bezeichnete die Aggressionen als so massiv, "dass es ohne Einschreiten der Polizei auch Tote hätte geben können".

Für ihn überraschend: Nur 15 der Festgenommenen stammten aus Hamburg, die übrigen hauptsächlich aus den neuen Bundesländern und aus Dänemark. Zudem hob er hervor, dass die meisten der Festgenommen Jugendliche waren: Von den 59 seien nur elf Erwachsene. "Wir hatten es mit einer sehr jugendlichen Klientel zu tun", so Jantosch. "Die haben es wohl besonders spannend gefunden, sich mit der Polizei eine Schlacht zu liefern", erklärte er.

Bei den seit Jahren schwersten Ausschreitungen in der Hansestadt waren 26 Polizisten und eine unbekannte Zahl von Demonstranten verletzt worden. Randalierer richteten erhebliche Schäden an: Mehrere Autos und ein Reifenlager gingen in Flammen auf, Geschäfte und Cafés wurden beschädigt. Auf ihrem Weg nach Hamburg enterten Neonazis einen Regionalzug. Auch in der Nacht hatte es noch im Schanzenviertel Zusammenstöße zwischen Polizei und Randalierern gegeben.

Auch in Berlin gab es zahlreiche Festnahmen: Bei der abendlichen Randale in Kreuzberg hat die Polizei 138 Randalierer festgesetzt. 92 von ihnen sollen einem Haftrichter vorgeführt werden, teilten Polizeipräsident Dieter Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Freitag mit. Insgesamt zogen sie dennoch eine positive Bilanz. Das Einsatzkonzept der "ausgestreckten Hand" habe sowohl am 1. Mai als auch in der Walpurgisnacht gut gegriffen. Danach setzten die Beamten auch in diesem Jahr auf eine Kombination aus Deeskalation und konsequentem Vorgehen gegen Gewalttäter. 90 Polizisten wurden verletzt. Im Vorjahr seien es noch 115 gewesen.

Beckstein will Polit-Hooligans mit Auflagen stoppen

Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein forderte ein entschiedenes Vorgehen gegen linke Gewalttäter. Die alljährlichen "Gewaltexzesse von Autonomen und Linksextremisten" am 1. Mai seien völlig inakzeptabel, sagte der CSU-Politiker am Freitag in München. Die Sicherheitsbehörden müssten bundesweit die Möglichkeit haben, den 1. Mai-Gewalttätern "bereits im Vorfeld das Handwerk zu legen".

Beckstein plädierte dafür, dass "bekannte Gewalttäter" für den 1. Mai die Auflage bekommen sollten, sich bei der Polizeidienststelle ihres Wohnortes zu melden, wie dies auch bei Fußball-Hooligans geschehe. So könne eine Reise solcher Täter nach Berlin oder Hamburg verhindert werden. "Bei amtsbekannten Gewalttätern sollte gegebenenfalls auch von der Möglichkeit des vorbeugenden Unterbindungsgewahrsams Gebrauch gemacht werden", forderte Beckstein.

Nach den schweren Krawallen in Hamburg kritisierten Innensenator Udo Nagel und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) das Hamburger Oberverwaltungsgericht ungewöhnlich scharf. "Wir wussten, dass mit Gewalt zu rechnen war. Die Polizei hatte dagegen eine Taktik entwickelt, die aber durch das Oberverwaltungsgericht unterlaufen wurde", sagte Nagel der "Bild"-Zeitung.

Die Polizei habe Auflagen verfügt, die ein direktes Aufeinandertreffen von NPD und Gegendemonstranten verhindern sollten. Diese Auflagen seien am Mittwochabend vom Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) aufgehoben worden. Danach sei es für eine neue Polizeistrategie zu spät gewesen.

Nagel hält die Entscheidung des Gerichts nach eigenen Worten für unverantwortlich. "Die Richter haben nicht nur die eingesetzten Polizeikräfte, sondern auch Unbeteiligte größten Gefahren ausgesetzt."

Auch der Chef der Polizeigewerkschaft attackierte den OVG-Beschluss zu den Demonstrations-Auflagen: "Es ist unverantwortlich, wenn die Justiz die wohlüberlegten und aus der Erfahrung heraus gebildeten polizeilichen Maßnahmen torpediert und so die Einsatzkräfte in ein Kreuzfeuer linker und rechter Gewalt schickt", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg. Die Ausschreitungen hätten verdeutlicht, dass den Richtern das nötige Fingerspitzengefühl gefehlt habe, um zu erkennen, welch großes Gewaltpotential sich durch die direkte Nähe von rechtsextremistischen Aufmärschen und linksextremen Gegendemonstrationen zusammenbrauen würde.

Das OVG hat sich bisher nicht zu der Justizschelte geäußert, will aber im Laufe des Tages die schriftliche Begründung für den Beschluss veröffentlichen.

ler/hen/ddp/AP/dpa

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