Streit mit Ungarn Manfred Weber findet Nazivergleich »inakzeptabel«

Fliegt der Chef der ungarischen Abgeordneten aus der EVP im EU-Parlament? Tamás Deutsch unterstellte dem Fraktionsvorsitzenden Weber Nazi-Gedankengut. Der CSU-Politiker knöpfte ihn sich jetzt intern vor.
Von Markus Becker, Brüssel
EVP-Fraktionschef Weber: »Genug ist genug«

EVP-Fraktionschef Weber: »Genug ist genug«

Foto: Philipp von Ditfurth / dpa

Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, hat seinen Fraktionskollegen Tamás Deutsch in einer internen Sitzung scharf kritisiert. Es sei »schlicht inakzeptabel«, dass der Ungar ihn in die Nähe der Gestapo gerückt habe, sagte Weber nach Angaben mehrerer Teilnehmer. »Genug ist genug.«

CSU-Mann Weber hatte den geplanten Rechtsstaatsmechanismus im EU-Haushalt verteidigt, der dazu führen könnte, dass Ungarns Regierung wegen ihres autokratischen Gebarens künftig EU-Gelder entzogen werden. Wer sich an Recht und Gesetz halte, habe nichts zu befürchten, so Weber. Deutsch hatte das mit Slogans der Nazis und der früheren ungarischen Geheimpolizei Avo verglichen.

Weber hatte zu dem Vorgang bisher öffentlich geschwiegen, hinter verschlossenen Türen aber sprach er nun Klartext. Die Rechtsstaatlichkeit sei »fundamental für das Denken unserer politischen Familie«, so Weber. Deutschs Nazivergleich habe massive Spannungen innerhalb der Fraktion ausgelöst.

Deutsch erklärte in der Sitzung am Mittwoch, sein Interview sei »total falsch« interpretiert worden, dennoch habe er sich bei Weber entschuldigt. »Ich betrachte diesen Fall damit als abgeschlossen«, so Deutsch.

Davon aber kann keine Rede sein. Inzwischen haben mehr als 40 EVP-Abgeordnete einen Brief an Weber unterschrieben, in dem sie den Fraktionsausschluss Deutschs fordern. Der Österreicher Othmar Karas, Initiator der Aktion, rechnet mit weiterem Zuspruch: Er spreche für die »noch schweigende Mehrheit« in der Fraktion.

Zwar konnte Weber eine sofortige Abstimmung zunächst verhindern. Er schlug vor, erst die Ergebnisse des EU-Gipfels abzuwarten, wo es am Donnerstag zu einer Einigung im Streit über den Rechtsstaatsmechanismus mit Ungarn und Polen kam. In der kommenden Woche aber solle die Fraktion sich dann »im Detail« mit dem Rauswurf Deutschs beschäftigen, so Weber.

Deutsch tat indes wenig, die Spannungen zu entschärfen. In der Sitzung ging er seinen Kritiker Karas nach Teilnehmerangaben hart an. Der Österreicher attackiere Fidesz-Politiker seit Jahren und habe die Partei seinerseits als faschistisch bezeichnet.

Karas wiederum zeigte sich »enttäuscht« von den Worten Deutschs. Es gehe hier nicht um persönliche Befindlichkeiten, »sondern um Grundsätzliches«. Deutsch aber habe seine Vorwürfe im Grunde sogar erneuert, indem er der EVP vorwerfe, ihn wegen seiner Meinung zu bestrafen.

Zuletzt hatte sich auch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán in den Streit eingeschaltet und einen Sonderstatus für die Fidesz-Delegation innerhalb der EVP-Fraktion angeregt. Die Mitgliedschaft der Fidesz in der EVP insgesamt ist wegen der anhaltenden Rechtsstaatsverstöße der ungarischen Regierung bereits ausgesetzt.

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