
Ministerin Schwesig: Aus Seelow, ins Kabinett, nach Schwerin
Schwesigs Wechsel nach Schwerin Die Aufsteigerin
Wenn Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) auf Sommerreise durch Deutschland tourt, besucht sie oft Kindergärten. Als sie vor einiger Zeit in einer Kita in Pasewalk war, fragte eine Erzieherin die Kleinen, ob sie wüssten, wer die Frau sei. Ein Junge sagte, das sei "die Helferin von Frau Merkel".
Schwesig lachte. Dabei konnte ihr diese Beschreibung nicht gefallen. "Helferin von Merkel"? Schwesig wird eher nachgesagt, dass sie selbst nach höchsten Ämtern strebt.
Dass die 43-Jährige jetzt von Berlin nach Schwerin wechseln und dem an Krebs erkrankten Ministerpräsidenten Erwin Sellering nachfolgen soll, steht diesem Ziel nicht entgegen. Der Schritt erfolgt aus tragischen Umständen, aber kommt er nicht überraschend. Immer wieder gab es Gerüchte, dass Schwesig damit liebäugelt, als Regierungschefin nach Schwerin zu gehen. Nach der Bundestagswahl sollte es so weit sein.
In der Landeshauptstadt begann ihre rasante politische Karriere - auch damals schon gefördert durch Erwin Sellering. 2008 wurde die junge Genossin Sozialministerin in seinem Kabinett.
Schwesig müsste für SPD-Schlappe im Bund nicht mehr geradestehen
Bundesweit fiel Schwesig zuerst auf, als sie nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie im Jahr 2007 im Untersuchungsausschuss in Schwerin die Versäumnisse des Jugendamtes aufarbeitete, den verantwortlichen Sozialdezernenten als "totalen Versager" bezeichnete. 2009 stieg Schwesig in die Bundespolitik auf, wurde eine der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD. Im selben Jahr holte SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier sie in sein Kompetenzteam, wie 2013 erneut Peer Steinbrück . Nach den Bundestagswahlen 2013 wurde Schwesig Familienministerin.
Und jetzt zurück nach Schwerin? Das klingt erst einmal nicht nach einem Karriereschritt. Tatsächlich ist der Wechsel für Schwesig eine schöne Sache.
Sie kann sich als Landesmutter profilieren und gleichzeitig Erfahrungen im Amt eines Regierungschefs sammeln. Damit empfiehlt sie sich mittel- bis langfristig fast automatisch für einen weiteren Aufstieg.
Schwesigs Vorteil: Schon jetzt kann sie Regierungserfahrung als Familienministerin vorweisen, auch wenn ihre Bilanz als Ressortchefin gemischt ausfällt. Anders als ihre Vorgängerin Kristina Schröder (CDU) hat Schwesig familien- und frauenpolitische Themen - bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Frauenquote - in die Öffentlichkeit gebracht und damit für Aufmerksamkeit gesorgt. Faktisch allerdings hat sie in Bezug auf gesetzliche Neuerungen meist nicht mehr als Minimalkompromisse erzielt, wenn überhaupt. Aus der von Schwesig vorgeschlagenen Familienarbeitszeit ist immer noch nichts geworden, auch beim Thema Entgeltgleichheit hat Schwesig eine Regelung erzielt, die nur wenigen Frauen helfen wird. Zwei Gesetze stecken noch im parlamentarischen Verfahren.

Ministerin Schwesig: Aus Seelow, ins Kabinett, nach Schwerin
Trotzdem nimmt man Schwesig die Rolle als hartnäckige Kämpferin für die Sache der Frauen ab - tatsächlich war abzusehen, dass in der Großen Koalition SPD-Wünsche nicht eins zu eins umgesetzt würden. Bei persönlichen Angriffen blieb Schwesig zumindest nach außen gefasst, etwa als Volker Kauder ihr Weinerlichkeit attestierte. Damals hatte sich Kanzlerin Merkel für ihren Parteifreund bei Schwesig entschuldigt.
Schwesigs große Schwäche ist, dass sie keine wirklich gute Rednerin ist. Ihre Sätze klingen oft hölzern, einstudiert. Aber auf Reisen durch die Republik, im Kontakt mit den Leuten vor Ort war alles Steife, Unbeholfene, für das man sie in Berlin kennt, meist weg.
In Mecklenburg-Vorpommern ist man stolz, dass Schwesig es nach Berlin geschafft hat - und die Menschen dort scheinen ihr trotz Dienstwagen und Ministerinnenamt eine gewisse Bodenständigkeit abzukaufen. Außerdem hat sich Schwesig in den vergangenen Jahren für den Kampf gegen Rechtsextremismus stark gemacht - die Förderung entsprechender Präventionsprojekte ist im Familienministerium angesiedelt. Ein Thema, das für Mecklenburg Vorpommern große Bedeutung hat.
Auch privat ist der Wechsel für Schwesig günstig
Anders als Sellering, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, kommt Schwesig aus dem Osten, ursprünglich aus Brandenburg. Später zog sie mit ihrem Mann nach Schwerin und arbeitete im dortigen Finanzamt und Finanzministerium. Wenn Schwesig von Mecklenburg-Vorpommern spricht, sagt sie gern "mein Mecklenburg-Vorpommern". Im letzten Jahr führte der Landtagswahlkampf sie häufig dorthin, ihr Programm war beinah so voll wie das des eigentlichen Kandidaten Sellering. Schwesig aß Würste in Neubrandenburg, diskutierte über Frauenrechte in Heringsdorf, traf alle Direktkandidaten.
Und sie sorgt für gute Bilder. Wo eine Kamera ist, ist schnell auch Schwesig. Wenn keine Kamera da ist, dann sorgt Schwesig dafür, dass eine kommt.
Ein Wechsel nach Schwerin ist für Schwesig auch privat günstig. Die Familie hat dort ihren Lebensmittelpunkt, ihre zwei Kinder gehen dort in die Schule und in die Kita, in den vergangenen Jahren musste die 43-Jährige zwischen der Bundes- und Landeshauptstadt pendeln.
An diesem Dienstag hat die Südwestpresse ein Interview mit Schwesig veröffentlicht: "Wenn mein Sohn mit mir Tischtennis spielen will, kann ich nicht sagen: Och, ich hatte heute Stress mit dem Finanzminister, ich muss mich erst mal ausruhen", erzählt Schwesig in dem Gespräch.
Wenn sich Schwesig als Ministerpräsidentin bewährt, wenn sie die SPD so stärken und die AfD zurückzudrängen kann, dann wäre das die perfekte Vorbereitung für eine Rückkehr nach Berlin. Schwesig kann dann sagen: Ich kann beides. Bundespolitik und Landespolitik.
"Helferin von Merkel" soll sie dann niemand mehr nennen.