Martin Schulz gegen Angela Merkel Überraschung!

Schulz statt Gabriel, damit hatte sie nicht gerechnet: Angela Merkel bekommt einen anderen SPD-Herausforderer als erwartet. Oder als von ihr erhofft. Einfacher wird es für die Kanzlerin nun nämlich nicht.
Martin Schulz, Angela Merkel

Martin Schulz, Angela Merkel

Foto: YVES HERMAN/ REUTERS

Es spricht das wahrscheinlich künftige Staatsoberhaupt, und kaum einer hört zu. Als Frank-Walter Steinmeier sich am Dienstagnachmittag in der Unionsfraktion noch einmal offiziell als neuer Bundespräsident empfiehlt, blicken die Abgeordneten von CDU und CSU lieber auf ihre Mobiltelefone, tuscheln aufgeregt miteinander.

Kurz vor Beginn der Sitzung gab es erste Meldungen, jetzt macht die Nachricht die Runde: Sigmar Gabriel will nicht Kanzlerkandidat der SPD werden. Stattdessen soll Martin Schulz, bis vor ein paar Tagen EU-Parlamentspräsident, den Parteivorsitz der Sozialdemokraten übernehmen und Angela Merkel herausfordern. Just während Steinmeier bei der Union spricht, erklärt Gabriel vor der SPD-Fraktion seine Entscheidung. Der Saal liegt nur ein paar Meter neben dem der Union.

Angela Merkel ist zu diesem Zeitpunkt natürlich auch im Bilde. Anmerken lässt sie sich in der Fraktionssitzung zunächst nichts, wirklich aufmerksam scheint aber auch sie Steinmeier nicht zu lauschen: Pausenlos tippt sie in ihr Handy, so berichten es Teilnehmer der Sitzung.

Was bedeutet das jetzt? Diese Frage bewegt die Kanzlerin. Ihre erste Einschätzung wird bereits feststehen: Einfacher als gegen Gabriel wird der Wahlkampf gegen Martin Schulz nicht.

Merkel kennt die Zahlen. Ihr Vizekanzler ist in der Bevölkerung lange nicht so populär wie sie. Schulz dagegen hatte sie in den Beliebtheitsranglisten zuletzt zum Teil sogar eingeholt. Nimmt man die persönlichen Umfragewerte als Grundlage, lässt sich daraus nur schlussfolgern: Schulz hat bessere Chancen gegen Merkel als Gabriel. So hat es nicht nur Gabriel für sich bewertet - so haben sie das auch in der Unionsspitze in den vergangenen Wochen immer schon gesehen.

Nach außen demonstrierte man Gelassenheit, nach dem Motto: Uns doch egal, mit wem die SPD gegen uns verliert. Intern aber rechneten sie in CDU und CSU damit - oder besser: sie hofften, dass Gabriel bei der Spitzenkandidatur diesmal zugreift und Schulz Steinmeier im Auswärtigen Amt nachfolgen würde. "Wir werden jetzt weder in Panik noch in Depression verfallen", kommentiert CDU-Vize Thomas Strobl am Dienstag als einer der ersten die Überraschung beim Koalitionspartner.

Die Strategen im Konrad-Adenauer-Haus und in der Fraktionsspitze werden sich nun neu überlegen müssen, wie Schulz in Schach zu halten ist. Generalsekretär Peter Tauber gibt sich erst einmal zurückhaltend:

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Das Überraschungsmoment ist jetzt klar auf Seiten der SPD. Gabriels Befreiungsschlag kann der Partei einen Motivationsschub verpassen. Schlägt sich dieser auch in den noch immer katastrophalen Umfragewerten nieder und verringern die Sozialdemokraten kurzfristig den Abstand zur Union, könnte das auch im Unionslager für Nervosität sorgen.

Und das in einer sensiblen Phase: Merkel kann sich der Unterstützung der eigenen Leute seit der Flüchtlingskrise nicht mehr zu hundert Prozent sicher sein. Zwar hatten sich die Unionswerte gerade langsam wieder der 40-Prozent-Marke angenähert, für Anfang Februar ist zudem eine Versöhnungsklausur mit der CSU angesetzt. Kleine Rückschläge aber können große Auswirkungen haben.

Klare Kante gegen die Große Koalition

Merkel muss damit rechnen, dass Schulz im Wahlkampf deutlich klarere Kante gegen sie zeigen wird, als Gabriel es je hätte tun können. Zum einen ist er nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden, zum anderen verkörpert er nicht die Große Koalition der vergangenen Jahre. Genau damit begründet Gabriel nun unter anderem seinen Verzicht. Mit anderen Worten: Die SPD will keine neue GroKo. Genau diesen Kurs wird Schulz nun im Wahlkampf vorgeben müssen. Das könnte den Wahlkampf spannender machen, weil die Alternativen deutlicher werden.

Für Merkel macht es die Angelegenheit komplizierter: Sie wird sich nicht so einfach auf ihre ewige Rückzugsoption Große Koalition berufen können. Gabriel wäre mit einem Anti-GroKo-Kurs jedenfalls weniger glaubwürdig gewesen.

Schulz' Kandidatur mag unterm Strich überraschend kommen, ein Unbekannter ist er für Merkel nicht. Sie kennt ihn als Mann des klaren Wortes, ihr ist bewusst, dass er ein guter Wahlkämpfer sein wird. Jahrelang hat sie auf europäischer Bühne eng mit dem EU-Parlamentspräsidenten zusammengearbeitet. Als Mr. Europa sahen daher auch viele Christdemokraten in ihm die ideale Besetzung als Außenminister.

Nun kommt es anders.

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