
Wahlprogramm von Martin Schulz Unsere Heimat


Martin Schulz vor dem Haus, in dem sein Vater geboren wurde und heute noch sein Großcousin wohnt
Foto: Oliver Dietze/ picture alliance / Oliver Dietze/dpa/dpaMartin Schulz hat gesagt, er wolle die "hart arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt" stellen. Schulz redet zu diesen Menschen von Würde. Aber was bedeutet Würde? Zum würdigen Leben gehört mehr als nur soziale Gerechtigkeit. Eine andere Bedingung ist die Identität. Die soziale Gerechtigkeit muss gegen Kapital und Konzerne errungen werden - aber die Identität gegen die Migration. Das Thema ist für die Linken gefährlich: In der Theorie soll doch der Ausländer ein Freund sein. Aber in der Wirklichkeit ist die Einwanderung ein Quell der Sorge. Wenn die Aufgabe einer linken Regierung die Solidarität mit der arbeitenden Bevölkerung ist, dann gehört dazu auch der Schutz der Heimat.
"Wie viel Heimat braucht der Mensch?" hieß ein Aufsatz von Jean Améry aus dem Jahr 1966. Das ist eine Frage, die sich die Linken in Deutschland - egal in welcher Partei - stellen sollten. Denn "das Menschenrecht", das die Linke in ihrem alten Kampflied besingt, umfasst mehr als höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Auch Heimat ist ein Menschenrecht. Und es sind weiß Gott nicht nur AfD-Demagogen, die sich angesichts des großen Zustroms von Migranten Sorgen um ihre Heimat machen.
Ein Problem verschwindet nicht, indem man nicht hinsieht
Sahra Wagenknecht, die eine durch und durch bürgerliche Linke ist und in Wahrheit die soziale Marktwirtschaft gegen den Kapitalismus verteidigt, hat viel Ärger für ihre Äußerungen zur Migration bekommen. Als sie gesagt hat, auch ein Flüchtling könne durch sein Verhalten sein Gastrecht verwirken, warf man ihr AfD-Rassismus vor. Unsinn. Ein Problem verschwindet nicht, indem man nicht hinsieht. Es ist eine Tatsache, dass viel Zuwanderung erst mal viele Probleme schafft. Und es sind eben die "hart arbeitenden Menschen", von denen Martin Schulz spricht, denen diese Probleme auf die Füße fallen.
Wagenknecht hat gesagt: "Ich rede über innere Sicherheit, wenn über innere Sicherheit geredet werden muss. In einem Land, in dem in den letzten Jahren 18.000 Polizeistellen abgebaut wurden, ist das leider nötig. Wenn sich laut einer Umfrage heute 58 Prozent der Frauen in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, dann sollten Linke nicht so tun, als gäbe es kein Problem."
Auch der grüne Provokateur Boris Palmer wurde gescholten, als er von den grünen Professoren sprach, die ihm - angeblich - sagten: "Ich habe zwei blonde Töchter, ich sorge mich, wenn jetzt 60 arabische Männer in 200 Meter Entfernung wohnen." Palmer hatte da ein klassisches Muster bedient, blond gegen arabisch, Identität gegen Alterität. Aber Politik hat die Wirklichkeit der Menschen zu berücksichtigen, nicht die Konvulsionen der Kommentatoren.
In Migrantenklassen wachsen die Probleme von morgen heran
Es gibt kein Recht auf Nischen, an denen die Zeit vorüber geht. Aber es gibt auch unter den Bedingungen der Beschleunigung ein Recht auf die eigene Identität. Der Chef der Böll-Stiftung in Washington, Bastian Hermisson, hat neulich auf dem Parteitag der Grünen gesagt, wir hätten die Arbeitermittelschicht wie eine kulturelle Unterschicht behandelt, indem wir ihre Lebensweise und ihre Wertvorstellungen für rückständig erklärt haben. Migranten sind Konkurrenten um Wohnraum und Arbeitsplätze. Und sie sind zusätzlich Konkurrenten im Lebensstil.
Reden wir von handfesten Maßnahmen: In keiner deutschen Schulklasse soll der Anteil der Kinder, für die Deutsch keine Muttersprache ist, höher als 25 Prozent liegen. Wie viele Eltern - und Lehrer - würden der SPD danken, wenn sie diese Forderung in ihr Wahlprogramm aufnähme? Denn in den Migrantenklassen, in den Migrantenbezirken wachsen die Probleme von morgen heran. Jeder weiß das. So war es mit den ersten Wellen der Einwanderung. Schulz könnte sagen: Dieses Mal wird es anders sein. Er könnte sagen, mich interessieren die Hürden nicht, die einer Lösung dieses Problem im Wege stehen - die Länderhoheit, der Haushalt - ich werde sie überkommen. Das wäre ein starkes Signal.
Man sollte sich durch sinkenden Zustimmungswerte der AfD nicht täuschen lassen. Die Migration wird Wirklichkeit bleiben. Und wirklich sind auch die Sorgen der Einheimischen und der Migranten. Was bedeutet Heimat unter Bedingungen der Globalisierung? Die Sozialdemokraten sollten darauf eine Antwort haben. Und wer bei den Linken das Thema mit der großen Geste des guten Gewissens vom Tisch wischen will, überlege noch diesen Satz des Flüchtlings und KZ-Überlebenden Amery: "Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben."