Maskenaffäre in der Union Gerangel um Spahns Liste

Gesundheitsminister Spahn wollte alle Abgeordneten nennen, die bei Maskengeschäften vermittelten. Der Bundestag hat Bedenken; Parlamentarier fürchten, zu Unrecht an den Pranger gestellt zu werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

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Der Bundesgesundheitsminister gab sich als Aufklärer. »Wir wollen volle Transparenz in einem geordneten Verfahren ermöglichen«, sagte Jens Spahn am Anfang dieser für die Unionsparteien so unerfreulichen Woche. Und zur vollen Transparenz gehörte für Spahn, die Namen all jener Bundestagsabgeordneten zu veröffentlichen, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Corona-Schutzmasken beim Ministerium in Erscheinung getreten sind.

Es ist ein Versuch der Schadensbegrenzung – die Botschaft: Wir verheimlichen nichts. Denn in der Union tobt die Maskenaffäre um die Abgeordneten Georg Nüßlein (bisher CSU) und Nikolas Löbel (bisher CDU). Beide sollen an der Vermittlung von Maskengeschäften viel Geld verdient haben. Seit den Enthüllungen ist die Sorge groß: Haben noch weitere Parlamentarier aus der Krise Profit geschlagen?

Aber könnte Spahns Liste tatsächlich bei der Aufklärung helfen? Wird sie in der angekündigten Form überhaupt jemals veröffentlicht? An beidem gibt es Zweifel.

Kritik hatte es im Hintergrund an Spahns Plänen umgehend gegeben. Abgeordnete befürchteten, in einer Reihe mit Löbel und Nüßlein genannt zu werden, obwohl sie sich nichts zuschulden kommen lassen haben. Schließlich hatte Spahn in jener Zeit, als Schutzausrüstung ein knappes Gut war, die Parlamentarier in der Unionsfraktion selbst dazu aufgerufen, sich zu melden, wenn Unternehmen im Wahlkreis Hilfe leisten könnten. Das haben zahlreiche Abgeordnete getan, selbstverständlich, ohne dafür Geld eingestrichen zu haben. Die Liste des Ministers würde aber nicht unterscheiden, welche Anbahnung verwerflich war und welche nicht.

Hinweise vieler Abgeordneter auf mögliche Lieferanten seien in der damaligen Mangelsituation richtig gewesen, betonte Spahn am Mittwoch einmal mehr im ZDF-»Morgenmagazin«. Die Angebote seien nach »standardisierten Verfahren« geprüft worden. Der Bundesrechnungshof prüfe die Vergabe der Maskenbeschaffung seit September. »Was gar nicht geht«, so Spahn, wenn sich Einzelne bereicherten. »Das war nach unseren Unterlagen nicht erkennbar.«

Aus der Union, aber auch aus anderen Parteien wird der Vorwurf laut, der Minister reiche der Öffentlichkeit den Präsentierteller, um sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Tatsächlich dürften sich nicht nur Unionsabgeordnete bei ihm gemeldet haben, sondern auch Politiker anderer Fraktionen. Ist die Liste also ein Ablenkungsmanöver?

Spahns Ministerium verwies darauf, die Veröffentlichung der Liste nur zu prüfen, weil das öffentliche Interesse so groß sei. Im Sinne der Abgeordneten schrieb man deshalb einen Brief an die Bundestagsverwaltung. »Das BMG ist im Sinne der Transparenz grundsätzlich bereit, eine Liste entsprechender Abgeordneter dem Parlament und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen«, hieß es in einem Schreiben des Staatssekretärs Thomas Steffen an Bundestagsdirektor Lorenz Müller. Zugleich berührten »entsprechende Informationen die Rechte der betroffenen Abgeordneten. Daher würde ich mich zum Verfahren, wie dem Informationsinteresse sowie den Rechten der Abgeordneten best­möglich Rechnung getragen werden kann, gerne kurzfristig mit Ihnen austauschen.«

Noch in der Abstimmung

Am Dienstag antwortete die Bundestagsverwaltung, wie es auf Nachfrage mitteilte – und äußerte Bedenken. »Abgeordnete haben nach einschlägiger Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten, die von der Freiheit des Mandats geschützt sind. Solche Daten dürfen daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen herausgegeben werden.« Rechtlich unbedenklich sei die Herausgabe, wenn dem Ministerium eine entsprechende Einwilligung des oder der Betroffenen vorliege. Die Abgeordneten müssten also erst zustimmen, bevor sie auf der Liste veröffentlicht werden.

Der Linkenabgeordnete Niema Movassat macht nun weiter Druck. In der vergangenen Woche hatte er das Ministerium bereits gefragt, wer alles bei Maskengeschäften im Ministerium vorstellig wurde. Am Dienstag erhielt er die Antwort, das Ministerium befinde sich in Abstimmung mit der Bundestagsverwaltung.

Nun legte er nach und beschwerte sich. »Das öffentliche Interesse an der Beschaffung der medizinischen Schutzgüter ist, insbesondere angesichts der Skandale, immens. Es geht hier um die Beschaffung von essenziellen Gütern zur Bewältigung der schwersten Pandemie, mit öffentlichen Mitteln«, schreibt er an das Ministerium. Die Verweigerung, die Namen zu nennen, sei »völlig inakzeptabel und verfassungswidrig«.

Die FDP sieht die Veröffentlichung der Liste hingegen kritisch. »Ich halte es für entscheidend, keine Sammelliste zu veröffentlichen, in der korrekt arbeitende Abgeordnete mit Herrn Nüßlein in einen Topf geworfen werden«, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann. Wer als Abgeordneter Angebote erhalten und diese ohne jeden finanziellen Vorteil schlicht an die dafür eingerichtete E-Mail-Adresse im Gesundheitsministerium weitergeleitet habe, habe sich absolut korrekt verhalten. »Gerne kann man Listen veröffentlichen«, so Buschmann. »Dann müssen aber anständige Abgeordnete und Fälle mit Eigenprofit deutlich getrennt werden.«

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, man wolle den Vorschlag, dass alle Abgeordnete zustimmen, nun mit allen Fraktionen besprechen. Die Unionsfraktion indes arbeitet bereits an einer eigenen Liste. In einem Brief forderten Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt alle Unionsabgeordneten am Dienstag auf, mögliche Provisionen im Rahmen von Maskenbeschaffungen offenzulegen. Alle sollten eine Erklärung unterzeichnen, dass sie keine Vorteile im Rahmen der Covid-19-Pandemie erzielt haben.

Die Frist dafür endet am Freitagabend.

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