Überwachung Friedrichs heikle Späh-Liste

Die Sicherheitsbehörden sollen mehr überwachen dürfen. In einem Papier formuliert die Union mehrere hoch umstrittene Ideen. Das Anzapfen von Internetknoten soll erleichtert, die Befugnisse des Verfassungsschutzes erweitert werden. Ein Vorstoß zu Maut-Daten wurde inzwischen gekippt.
Innenminister Friedrich (CSU): Mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden

Innenminister Friedrich (CSU): Mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Berlin - Hans-Peter Friedrich hat es derzeit nicht leicht. Die NSA-Affäre ist mit Wucht zurückgekehrt. Die halbe Republik fordert Asyl für Edward Snowden und dem CSU-Politiker fällt die unangenehme Rolle zu, tagtäglich erklären zu müssen, warum das nicht möglich ist. Aber zum Glück steht bald eine neue Koalition. Da bietet sich für Friedrich vielleicht die schöne Gelegenheit, das Ressort zu wechseln.

Oder will er etwa bleiben?

Dass Friedrich noch etwas vorhaben könnte als Innenminister, legt ein 30-seitiges Papier nahe, das er mit seinen Experten aus der Unionsfraktion für die Verhandlungen mit der SPD erarbeitet hat. Es bietet eine Fülle von Vorschlägen. Aber im Kern geht es darum, den Sicherheitsbehörden deutlich mehr Freiheiten zu verschaffen, Kompetenzen zu bündeln und einzelne Überwachungsmethoden zu erleichtern.

Das Papier sorgte am Morgen für Wirbel. Vor allem Friedrichs Vorschlag, Behörden künftig auf die Maut-Daten zugreifen zu lassen, stieß auf massive Kritik. "Die Lkw-Maut wurde 2005 eingeführt mit der klaren und verbindlichen Aussage, diese nur zu Abrechnungszwecken einzusetzen", sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. "Eine Ausweitung der Befugnisse für die Sicherheitsbehörden wäre vollkommen unverhältnismäßig." Kritik kam auch vom Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. Er stehe dem Vorschlag "sehr skeptisch" gegenüber, sagte er.

Am Mittag zog der Innenminister seinen Vorstoß zurück, er erklärte die Idee - offenbar auf Druck aus München - für "erledigt".

In dem Papier werden jedoch auch andere heikle Ideen formuliert. So soll nach den Vorstellungen der Unionsexperten etwa der Datenverkehr im Internet deutlich stärker kontrolliert werden. Friedrich und seinen Leuten schwebt vor, dazu die Überwachung von großen Internetknoten auszuweiten, an denen die Datenströme der großen Provider zusammenlaufen.

Der Zugriff auf die Internetkommunikation von Verdächtigen, die offene W-Lan-Netze oder Internet-Cafés statt ihrer eigenen Anschlüsse nutzten, sei bislang oft "nur auf dem langwierigen Weg der Rechtshilfe möglich", heißt es, wenn die betreffenden Personen Konten bei ausländischen Diensteanbietern nutzten. Es solle daher geregelt werden, die bestehenden Befugnisse der Telekommunikationsüberwachung "durch Ausleitung an den Netzknoten ausüben zu können". Zwar soll ein Weg zur "zielpersonenspezifischen Ausleitung" gefunden werden, zunächst einmal geriete aber wohl der gesamte Datenverkehr ins Visier.

Wenn sich Innenminister Friedrich mit seinen Vorstellungen durchsetzen kann, werden auch die Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) deutlich erweitert. "Derzeit ist die Einsatzmöglichkeit bei extremistischen Bestrebungen - sofern sie in nur einem Land ablaufen - beschränkt", heißt es in dem Papier. Das aber berge die Gefahr von Aufklärungslücken. "Daher soll das BfV für diesen Fall die Kompetenz erhalten, im Benehmen mit der zuständigen Landesbehörde auch selbst tätig werden zu können." Darüber hinaus will Friedrich die Landesämter für Verfassungsschutz verpflichten, künftig sämtliche relevante Informationen an das BfV nach Köln zu melden.

Die Verbrechensserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" hatte die Mängel der Sicherheitsorgane der Länder offengelegt. Gleichwohl dürfte Friedrichs Forderung im Verfassungsschutzverbund auf deutliche Widerstände treffen. Gerade die größeren Landesämter - wie etwa in Nordrhein-Westfalen - haben wenig Interesse daran, ihre Kompetenzen freiwillig an Bundesbehörden abzutreten.

Auch die von der Union geforderte Verwendung von "Videotechnik im öffentlichen Raum" ist nicht unproblematisch. Friedrich will im Bund die Mittel für Kameras an Bahnhöfen aufstocken und erhofft sich von den Ländern, dass die auf Straßen, Plätzen und in Fußgängerzonen visuell aufrüsten. Videotechnik helfe bei der Aufklärung von Straftaten und schrecke potentielle Täter ab, heißt es in dem Forderungskatalog. Letztere Behauptung ist unter Kriminologen allerdings hoch umstritten.

Die Vorschläge dürften die Koalitionsverhandlungen erschweren. Seit der NSA-Affäre zeigen sich die Sozialdemokraten bemüht, den Datenschutz stärker in den Vordergrund zu rücken. Inwieweit die Vorschläge des Innenministers eine Chance auf Umsetzung haben, könnte sich schon bald entscheiden. Am Nachmittag treffen sich Union und SPD zur nächsten Runde in der Arbeitsgruppe Innen und Justiz. Möglichst bis Ende der Woche, heißt es, wolle man die Gespräche zu einem Ende geführt haben.

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