Mecklenburg-Vorpommern Protest gegen NPD löst Tumult im Kreistag aus

Die NPD sitzt in fast allen Kreistagen in Mecklenburg-Vorpommern - der Nordosten ist eine ihrer Hochburgen. Nun sollen Anhänger der Rechtsextremen protestierende Zuhörer während einer Sitzung angegriffen haben. Die NPD hingegen sieht die "linke Gewalttäter" als Verursacher.
Demonstranten in der Kreistagssitzung: Protest gegen NPD

Demonstranten in der Kreistagssitzung: Protest gegen NPD

Foto: Ulrich Rose

Greifswald - Michael Steiger sitzt seit September für die Grünen im Kreistag von Vorpommern-Greifswald. Keine einfache Gegend - die NPD hat dort eine ihrer Hochburgen, auf neun Prozent kam sie bei den vergangenen Wahlen. Udo Pastörs, neuer Bundesvize der rechtsextremistischen Partei, lebt inMecklenburg-Vorpommern und ist seit 2006 Mitglied des Schweriner Landtags. Er gilt als einer der Hardliner der Partei.

Im Kreistag von Vorpommern-Greifswald haben die Rechtsextremen sechs Vertreter - zum Vergleich: Die Grünen kommen gerade mal auf vier. Massiv sei der Druck, den die Neonazis tagtäglich in der Region gegen Andersdenkende ausüben, berichtet der Grünen-Politiker Steiger. So standen sie auch schon einmal vor seinem Haus und beobachteten ihn. Wenn Steiger bei Sitzungen rede, kämen NPD-Anhänger nach vorne und würden ihn fotografieren, erzählt der Pädagoge und spricht von versuchter Einschüchterung.

Dass der Konflikt aber offen eskalieren und es zu Gewalt mit NPD-Anhängern während einer Sitzung kommen würde, damit hatte der 45-Jährige nicht gerechnet. Drei Anhänger der Rechtsextremisten rempelten den Grünen-Politiker seiner Darstellung nach auf der jüngsten Sitzung des Kreistages an - und sollen ihn mit den Worten "Wenn wir dich das nächste Mal erwischen, dann verhauen wir dich richtig" bedroht haben, so Steiger.

NPD-Gegner berichten von Drohungen und Handgreiflichkeiten

Was war passiert? Auf der Sitzung am Montag in der Greifswalder Stadthalle hatten nach Polizeiangaben zuvor rund 70 Menschen gegen die NPD protestiert. Viele von ihnen gehören dem "Greifswalder Bündnis gegen Rechts" an. Sie wollten zeigen, dass zu wenig Auseinandersetzung mit der NPD stattfinde, es keine Taktik gebe, mit den Neonazis im Kreistag umzugehen. Sie ließen deshalb Luftballons mit der Aufschrift "Greifswald gegen Rechts" von einer Empore in den Saal fliegen - und den NPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Andrejewski, der auch im Schweriner Landtag sitzt, nicht zu Wort kommen: Als dieser zur Tagesordnung sprechen wollte, unterbrachen sie ihn immer wieder mit Buhrufen, Rasseln und Trillerpfeifen.

Rund 15 NPD-Funktionäre -und Sympathisanten waren nach Angaben der Polizei anwesend. Sie sollen nach Darstellung einiger Demonstranten auf die Protestierenden losgegangen sein, die ein Plakat mit der Aufschrift "Nazis abwählen" entrollen wollten. Darunter sollen sich nach Angaben mehrerer Beobachter auch zwei NPD-Mitglieder befunden haben, eines davon war angeblich früher Mitglied in der mittlerweile verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend".

"Sie haben uns angepöbelt, an die Wand gedrängt und am Kragen gepackt", berichtet eine 32-jährige Augenzeugin, die ihren Namen lieber nicht nennen will. Sie will beobachtet haben, dass die NPD-Anhänger zwei Demonstranten drohten, sie über die Brüstung zu werfen. Das will auch Peter Madjarov gehört haben, der ebenfalls auf der Galerie war: "Du fliegst da noch runter", hätten die Rechtsextremen gerufen. Er berichtet auch von Fußtritten. Ihr Transparent konnten die Protestierenden noch ausrollen. Dann kam die Polizei und trennte NPD-Anhänger und Gegner.

NPD spricht von "Linksextremen", die die Zuschauer attackiert haben

Eine Polizeisprecherin in Anklam nennt den Vorfall "Tumulte", verletzt worden sei niemand bei den Rangeleien. Die Einsatzkräfte seien im Vorfeld über die Protestaktion informiert worden, deshalb waren 20 Beamte vor Ort.

Auf ihrer Homepage stellt die NPD ihre Sicht so dar: Demnach hätten "Linksextreme" und "linke Gewalttäter" die Kreistagssitzung "gesprengt". "Ungehindert drangen über 70 Chaoten, teilweise vermummt, in die Stadthalle ein, wo die Sitzung stattfinden sollte", heißt es in dem Bericht der NPD. Nachdem Kreistagspräsident Michael Sacke (CDU) die Räumung des Saales angeordnet hatte, hätten die "Linksextremen" angegriffen, so die Darstellung der Rechtsextremen. "Sie attackierten nicht nur die Zuschauer, die sie für NPD-Anhänger hielten, sondern versuchten auch, Polizeibeamte der MAEX, der Spezialeinheit gegen Rechts, zusammenzuschlagen", heißt es da.

"Unsere Leute hatten keinen Grund, eine Auseinandersetzung, auch körperlicher Art, anzufangen, sagt der Landesvorsitzende der Partei, Stefan Köster. Dass NPD-Anhänger die Demonstranten angegriffen hätten, bezeichnet er als "Unfug" - diese "abenteuerliche Darstellung" würden die Linken nun benutzen, um ihren Rechtsbruch, das Stören der Sitzung, nun zu erklären.

Kreistag nicht als "Bühne missbrauchen"

Die Leitung der Kreisverwaltung ist alles andere als begeistert von dem Vorfall. Man könne verstehen, dass gegen die NPD protestiert werde, aber nicht auf diese Art und Weise, sagt Sprecher Achim Froitzheim. "Gewalt sollte weder im Sitzungssaal noch auf der Straße stattfinden." Es ginge nicht an, dass der Kreistag als "Bühne missbraucht" werde, um die Auseinandersetzung so zu suchen. "Wir müssen den Betrieb am Laufen halten - trotz der NPD. An ihrer Anwesenheit können wir nichts ändern, solange sie unter dem Denkmäntelchen einer demokratischen Partei läuft."

Die Sitzung soll nun vermutlich am 20. Dezember fortgesetzt werden. Wie diese dann störungsfrei ablaufen kann, darüber werde derzeit diskutiert, sagte der Sprecher.

Der Kreistagsmitglied Steiger hat mittlerweile Anzeige erstattet. Ihn habe die Gewalt der Rechtsextremen überrascht: Die NPD sei doch eigentlich bemüht, ihr bürgerliches Image zu pflegen und sich zurückhalten. Dass die Rechtsextremen so offen auftreten, habe viele in Greifswald schockiert. Für ihn ist klar: "Wir schaffen das hier nicht alleine gegen die Rechten, wir brauchen Hilfe."

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