Medien Die Unter-Drei-Regel

Wenn sich Politiker und Journalisten treffen, heißt es oft: "Das Gespräch ist unter Drei." Was heißt das für die Berichterstattung?
SPD-Chef Gabriel, Kanzlerin Merkel, CSU-Chef Seehofer im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin

SPD-Chef Gabriel, Kanzlerin Merkel, CSU-Chef Seehofer im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin

Foto: PAWEL KOPCZYNSKI/ REUTERS

Ein lauer Sommerabend in einem Berliner Café. Eine Runde von Journalisten trifft sich mit Politikern zu einem Hintergrundgespräch. Die Politiker reden über den politischen Gegner, aber vor allem über die politischen Freunde. Und die sind, wie so oft im politischen Betrieb, ihre eigentlichen Kontrahenten. Die Politiker ätzen über sie, kritisieren ihren politischen Stil, sogar charakterliche Defizite werden benannt. Die Journalisten schreiben eifrig mit. Doch veröffentlichen können sie es am Ende nicht. Denn die Politiker erklären: "Alles, was wir Ihnen gesagt haben, ist unter Drei."

Die Journalisten stöhnen auf. Sie hätten natürlich gerne Zitate, die sie bringen können. Es wäre mehr als jene glatten Statements, die sie sonst von den Politikern in Berlin hören. Es würde etwas aussagen über den wahren Zustand der Partei. Doch "unter Drei" ist eine eiserne Regel, die in der Bundesrepublik seit vielen Jahrzehnten im Verhältnis von Politikern, Unternehmern, Beamten, Behördenmitarbeitern, Mitarbeitern aus Polizei, Bundeswehr und Sicherheitsorganen zu Journalisten gilt.

Wer sie als Journalist bricht, muss damit rechnen, nicht mehr von den Politikern zu Hintergrundgesprächen eingeladen zu werden.

Die Regel soll einen geschützten Raum schaffen, in dem der Betroffene möglichst frei seine Einschätzungen abgeben kann - ohne gleich befürchten zu müssen, damit in den Medien zitiert zu werden und Konsequenzen von seinen Parteikollegen, Kabinettsmitgliedern oder Vorgesetzten zu spüren.

Für Journalisten ist das ein schwieriger Grat: Sie erfahren mehr als sonst, dürfen es aber nicht verwenden. Dennoch fließt das, was sie bei einem solchen Hintergrundgespräch hören, indirekt in ihre Berichterstattung ein - etwa in einen Kommentar. Es hilft ihnen, sich eine Übersicht zu verschaffen: Wie ist etwa die Stimmung in einer Partei, wer kann mit wem, wer intrigiert gegen wen. Zudem ist das, was dort geschildert wird, oft Anregung für weitere Recherchen.

In der Satzung der Bundespressekonferenz - einem Verein der Hauptstadtmedien - ist in Paragraf 15 die Regelung kodifiziert. Ähnlich halten es auch die Landespressekonferenzen. Wer hier als Journalist Mitglied ist (SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE sind es), ist gehalten, sich an die Regeln zu halten - ansonsten kann er aus dem Verein ausgeschlossen werden.

So heißt es dort:

"Die Mitteilungen auf den Pressekonferenzen erfolgen:

  • unter 1: zu beliebiger Verwendung
  • unter 2: zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden
  • unter 3: vertraulich."

Die Regelung "auf den Pressekonferenzen" gilt mittlerweile umfassender: Wenn ein Betroffener auf einem Abend mit Journalisten oder auch am Telefon erklärt, er wolle "unter Drei" reden, dann hält sich der Journalist daran. Im Verlaufe eines Gesprächs oder Telefonats kann dann aber abgesprochen werden, was "unter Eins" aus dem Gesagten offen - mit Namen und Funktion - zitiert werden darf oder "unter Zwei". Bei Letzterem werden dann Zitate namenlos wiedergegeben, meist mit Wendungen wie "hieß es aus Parteikreisen" oder "hieß es aus gut informierten Kreisen der Bundesregierung". Wenn der Betroffene aber auf "unter Drei" pocht, darf nichts zitiert werden - weder direkt noch indirekt.

Und was, wenn der Betroffene gar nichts einstufen lässt?

Generell gilt die Regel, dass der Betroffene erklären muss, unter welche Kategorie das Gesagte fällt. "Wird keine Erklärung abgegeben", heißt es in der Satzung der Bundespressekonferenz, "so gilt das Material als beliebig verwendbar."

sev
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