Merkel auf dem CSU-Parteitag Bitte nicht beißen
Nürnberg - Welch eine Bühne für die Kanzlerin. Keine klassisch blaue Wand im Hintergrund, kein gewohntes Parteitagsbild. Stattdessen eine Art Showbühne, die einzelnen Elemente mit Hunderten von Leuchtdioden umrandet, eine verzinkte Doppeltreppe, ganz oben eine Tür in der Wand.

Horst Seehofer und Angela Merkel: Im Wahljahr nichts riskieren
Foto: MICHAEL DALDER/ ReutersSelten hat sich eine Parteitagskulisse derart in den Vordergrund gedrängt.
Doch auf diesem Nürnberger Parteitag der CSU macht das gar nichts. Denn Gastrednerin Angela Merkel will offenbar nicht auffallen. Der unionsinterne Streit um die Mitsprache von Bundestag und Bundesrat in der Europapolitik, die Debatte um Steuersenkungen - die CDU-Vorsitzende hätte zumindest den Versuch unternehmen können, die kleine Schwester aus dem Süden auf Kurs zu bringen. Genug Stoff für Zoff. Doch Merkel hält sich zurück.
Vor fast genau einem Jahr, am gleichen Ort, war das noch anders. Da lobte sie die CSU derart nieder ("Bayern ist da, wo der Bund hinwill"), dass die Delegierten ihr Beharren auf der alten Pendlerpauschale beiseite ließen, der Kanzlerin zujubelten und damit das eigene Führungsduo Beckstein/Huber düpierten. Doch im Wahljahr 2009 will Merkel nichts riskieren. Schon gar nicht gegen den neuen CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.
So setzt sich ihre Rede aus den bekannten Versatzstücken zur deutschen Erfolgsgeschichte (Adenauer - Erhard - Mauerfall) zusammen: "Wir können stolz und fröhlich sein auf das, was wir miteinander erreicht haben." Natürlich kommt auch Europa vor, allerdings nur in dem abstrakten Bild, dass die 500 Millionen Europäer gemeinsam besser für ihre Werte kämpfen können als wenn dies 80 Millionen Deutsche alleine täten. Und natürlich kommt auch die Sache mit den Steuern vor, allerdings ebenfalls recht unkonkret. Neiddiskussionen dürfe man nicht führen, fordert Merkel, und nicht "denen, die den Karren ziehen, auch noch vor'n Kopp schlagen".
Merkel geht an diesem Freitag in Nürnberg den Weg des geringsten Widerstands. Sie hat hier nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren. Es ist ja Wahlkampf, Seehofer hatte bereits im Vorfeld den schwarz-schwarzen Schulterschluss angesagt. Dass die Delegierten nicht begeistert applaudieren wie im vergangenen Jahr und sich am Ende auch nur etwas gequält aus ihren Sitzen schälen, um Merkel in den Wahlkampf zu verabschieden - das alles muss die Kanzlerin nicht grämen.
Denn ihr Auftritt soll offenbar der Befriedung nach innen dienen, nicht das Signal zum Auftakt im Kampf gegen den politischen Gegner geben. Ganz am Schluss wird das besonders deutlich. Denn da appelliert Merkel äußerst direkt an die CSU und sendet parallel in ihre eigene Partei ein Zeichen christdemokratischen Selbstbewusstseins. Es ist die stärkste Stelle ihrer Rede.
"Du bist unser bestes Stück"
Wenn Horst Seehofer sage, die CSU habe noch Biss, dann sei das "schön", bemerkt Merkel. Und fügt hinzu: "Aber beißt die Richtigen!" Da merken sie auf im Publikum. "Deshalb, lieber Horst, werden wir Arm in Arm in einer Richtung marschieren", diktiert Merkel. Und setzt dann noch eine Spitze, indem sie das Selbstbewusstsein der Bayern persifliert: "Ihr könnt ruhig auch besser werden - das nutzt uns allen." Wenn die CSU sage, auch von der CDU könne man etwas lernen, dann werde dies "ein toller Wahlkampf". Einen "bissigen Wahlkampf" wünsche sie sich, "aber gegen die anderen".
Die Delegierten sind etwas verdutzt, zollen den frechen Passagen aber anerkennenden Applaus. Und jetzt endlich gewinnt dieser Parteitag an Fahrt. Denn es folgt ein verbales Hin und Her voller Anspielungen zwischen Seehofer und Merkel. Anlass ist ihr 55. Geburtstag, den die Kanzlerin an diesem Freitag feiert. Und der CSU-Chef hatte schon lange angekündigt, er suche ein Geschenk voller Humor und Hintersinn.
So kommt nun diese besondere Bühnentreppe zu ihrem Einsatz. Zwei Dutzend Kinder treten aus der oben in die Kulisse eingelassene Tür und stellen sich für ein Geburtstagsständchen auf den Stufen auf: "Alles Gute und viel Glück, Du bist unser bestes Stück", singen sie. Seehofer grinst, Merkel schaut interessiert - und irgendwie gerührt.
Ja, sagt Seehofer danach ins Mikrofon, der Chor habe Recht, "sie ist unser bestes Stück". Merkel habe "die volle Unterstützung" der CSU und, das müsse er wohl extra betonen, "auch von mir persönlich". Seehofer lacht. Merkel lacht. Und auf den beiden Großleinwänden wird jetzt das Live-Bild der beiden eingeblendet, umrandet von Rosen. Unionskitsch im Wahljahr.
Aber Seehofer hat noch ein Geschenk. Einen dicken Wälzer, die Geschichte Bayerns von den Anfängen bis zur Gegenwart. "Ich kann mir vorstellen", sagt er, "dass du uns Bayern nicht jeden Tag verstehst, deshalb diese Geschichte". Zusätzlich habe er ihr noch eine Langenscheidt-Übersetzung Bayerisch-Deutsch besorgt. Und, welch Zufall, beim Aufblättern habe er das Wort Fingerhakeln erwischt. Das sei ja bekanntlich eine bayerische Kampfsportart, die immer ohne Verletzungen ausgehe und bei der die Kontrahenten anschließend wieder gut miteinander umgingen.
Seehofer kommt dann sogar noch mit Luther. Der habe gesagt, die Bayern seien "freundlich und gutwillig". Na also.
Aber da weiß Angela Merkel, die protestantische Pfarrerstochter, einzuhaken. Luther zeige sehr deutlich, dass auch Protestanten Recht haben können, setzt sie den Reigen der Anspielungen fort: "Also bleibt freundlich, bleibt gütig, lasst uns gut zusammenarbeiten."
Und tritt ab von dieser schillernd-unwirklichen Parteitagsbühne.