Merkel-Erklärung zu Afghanistan "Unsere Soldaten leben in ständiger Angst"

Es war ein vehementes Bekenntnis: In ihrer Regierungserklärung hat Angela Merkel den Bundeswehreinsatz in Afghanistan gegen Kritik aus der SPD verteidigt. Die Kanzlerin will auch an der nächsten Trauerfeier für deutsche Opfer teilnehmen - und zeigte Verständnis für die Sorgen der Truppe.
Merkel-Erklärung zu Afghanistan: "Unsere Soldaten leben in ständiger Angst"

Merkel-Erklärung zu Afghanistan: "Unsere Soldaten leben in ständiger Angst"

Foto: DDP

Bundestag

Berlin - Die Linie der Kanzlerin steht: Merkel ließ keinen Zweifel daran, dass sie trotz der getöteten Bundeswehrsoldaten an der Mission festhält. In ihrer Regierungserklärung am Donnerstag wies sie im jede Kritik am Auftrag der deutschen Soldaten in Afghanistan zurück. "Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt", zitierte die CDU-Chefin dabei den früheren SPD-Verteidigungsminister Peter Struck. Sie habe bisher keine treffendere Zusammenfassung gehört, als diesen Satz, sagte sie. "Dieses Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben."

Merkel

zeigte Verständnis dafür, dass Soldaten den Afghanistan-Einsatz als Krieg bezeichnen. "Das verstehe ich gut." Gleichzeitig warnte sie davor, die Situation in Afghanistan zu beschönigen.

"Niemand von uns verharmlost", sagte die Kanzlerin. "Unsere Soldaten leben in ständiger Angst, getötet zu werden oder in einen Hinterhalt zu geraten, damit wir hier nicht in Angst leben müssen."

Sie rief die Abgeordneten des Bundestags dazu auf, zu dem erst im Februar vom Parlament beschlossenen Afghanistan-Mandat zu stehen. "Wir können von unseren Soldaten nicht Tapferkeit erwarten, wenn uns selbst der Mut fehlt, uns zu dem zu bekennen, was wir beschlossen haben."

Merkel verteidigte die Einsätze als notwendig im Kampf gegen Terrorismus. "Es wäre ein Trugschluss zu glauben, Deutschland wäre nicht im Visier des internationalen Terrorismus." Die Gefahren gingen von Taliban aus oder von Piraten vor der Küste Somalias.

Zum Einsatz der Bundeswehr im internationalen Rahmen sei Deutschland bereit, wenn er dem Schutz der Bevölkerung oder der Verbündeten diene. Das sei aber lediglich die letzte Option. "Er kann stets nur das letzte Mittel sein, streng gebunden an Völker- und Verfassungsrecht", sagte sie. Zuvor hatte Merkel den Angehörigen, Freunden und Kameraden der zuletzt in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten ihr Mitgefühl ausgesprochen.

Nach dem Tod von sieben deutschen Soldaten in nur zwei Wochen hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel ein neues Mandat für den Einsatz gefordert, da sich die Voraussetzungen dafür geändert hätten. Auch die SPD hatte für das derzeitige Afghanistan-Mandat gestimmt.

Forderungen nach einem sofortigen Rückzug aus Afghanistan nannte Merkel "unverantwortlich". Die Folgen eines solchen Vorgehens wären "weit verheerender als die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001", sagte sie. Afghanistan würde "in Chaos und Anarchie versinken".

Aber auch die Folgen für die internationale Gemeinschaft und die Sicherheit in Deutschland seien "unabsehbar". So würde die Gefahr erheblich steigen, dass Nuklearmaterial in die Hände extremistischer Gruppen gelange. "Das muss verhindert werden." Ein Abzug wäre eine "Ermutigung für alle Extremisten, die weit über Afghanistan und seine Nachbarn hinausgehe".

Gabriel bekennt sich zu Afghanistan-Mandat

Nach Merkel trat Gabriel ans Rednerpult im Bundestag. Er warnte die Bundesregierung erneut vor "Kriegsrhetorik" im Zusammenhang mit dem Afghanistan- Einsatz. "In Wahrheit löst der Kriegsbegriff keines unserer Probleme", sagte er. "In einer so elementaren Frage müssen wir Politiker mehr sein als ein Echolot öffentlicher Gefühle."

Gabriel warf der Bundesregierung vor, keine klare Haltung zum Kriegsbegriff zu haben. Während Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von einem Krieg spreche, vertrete Außenminister Guido Westerwelle die Auffassung, dass es sich nicht um einen Krieg handele. "Ich stimme dem Bundesaußenminister ausdrücklich zu", sagte der SPD-Chef. Er forderte Merkel auf, für eine einheitliche Sprachregelung in der Regierung zu sorgen.

Gabriel bekannte sich zu dem bestehenden Bundestagsmandat für den Einsatz. "Wir wollen das Mandat nicht ändern - weder semantisch, noch faktisch", sagte er. Aber wenn die Bundesregierung meine, dass die Bundeswehr in Afghanistan Krieg führen solle, müsse sie klarstellen, was sie genau damit meine.

ler/Reuters/dpa
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