Unterstützung für Juncker Merkel beugt sich dem Druck, vorerst

Unterstützung für Juncker: Merkel beugt sich dem Druck, vorerst
Foto: Daniel Naupold/ dpaBerlin - Ein Meinungsumschwung? Ein neuer Kurs? Nein, nein, wird aus Angela Merkels Lager eilig gestreut. Die Kanzlerin habe sich doch immer zu Jean-Claude Juncker bekannt - entgegen aller anderslautenden Behauptungen.
Nun ja. An diesem Freitagnachmittag auf dem Katholikentag in Regensburg gab es freundlichere Worte für Juncker. Sie führe "alle Gespräche in dem Geiste, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der EU-Kommission werden sollte", hat Merkel jetzt gesagt und damit erstmals seit der Europawahl am Sonntag öffentlich erklärt: Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen soll den Topjob in Brüssel auch wirklich bekommen - wenn es nach ihr geht.
Am späten Dienstagabend hatte das noch ganz anders geklungen. Da lavierte die Kanzlerin auch auf mehrfache Nachfrage herum. Juncker sei sicher geeignet, sagte sie da, aber viele andere auch. Anschließend brach sich die Empörung Bahn, und zwar so einhellig und von allen Seiten, wie es die Kanzlerin eigentlich nur selten erlebt. Merkel, so schien es, wollte von dem als Demokratisierung gefeierten Prinzip der Spitzenkandidaten nach der Wahl nichts mehr wissen, obwohl sich zuvor schon das Europaparlament mehrheitlich hinter Juncker gestellt hatte. Die Kommentatoren wetterten, die SPD, die im Wahlkampf Martin Schulz (SPD) unterstützt hatte, dann aber das Erstzugriffsrecht der EVP akzeptierte, warnte Merkel vor Wählerbetrug.
Nur zu gerne verbreitet der Koalitionspartner nun, dass die CDU-Chefin angesichts der lauten Kritik eingeknickt sei. "Gut, dass der öffentliche Druck Merkel zur Kurskorrektur gezwungen hat", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Freitag nur kurz nach Merkels Auftritt in Regensburg. Auch wenn das Kanzleramt dies weit von sich weist, ganz unrecht hat Fahimi wohl nicht.
Schwammige Worte, große Wirkung
Die Kanzlerin dürfte jedenfalls die Wirkung ihrer schwammigen Erklärungen nach dem Gipfel der 28 Staats- und Regierungschefs unterschätzt haben. Merkel und ihre Kollegen waren von der schnellen Einigung des Europaparlaments überrascht worden und sahen sich davon unter Zugzwang gesetzt. So unter Druck wedelte die Kanzlerin bei ihrer Pressekonferenz mit den EU-Verträgen. Darin ist festgelegt, dass der EU-Rat dem Parlament einen Vorschlag für den Kommissionspräsidenten macht. Auch während der Gespräche mit den übrigen Staats- und Regierungschefs hatte sie für Juncker nicht spürbar geworben. Im Gegenteil: Am Ende half sie dem britischen Premier Cameron eine Kampfabstimmung unter den 28 Staats- und Regierungschefs zu vermeiden. Die wäre für Juncker ausgegangen.
Merkel wollte Zeit gewinnen, weil sie um den Widerstand weiß, den einige Staaten gegen Juncker hegen - allen voran Großbritannien. Und so zeigten sogar die größten Juncker-Fans in der CDU Verständnis: Die Kanzlerin wolle dem britischen Premier David Cameron mit einer schnellen Festlegung eben nicht vor den Kopf stoßen, hieß es. Genau so verteidigte nun auch Merkel ihre anfängliche Zurückhaltung. Sie habe zunächst mit den anderen Regierungschefs nach gemeinsamen Lösungen suchen wollen, sagte sie in Regensburg. "Das heißt ja nicht, dass man seine Position aufgibt."
Doch ihr Zögern wurde als Verrat an der demokratischen Idee der Spitzenkandidaten interpretiert. Nun versucht Merkel gegenzusteuern, die Kritiker zu besänftigen und eine Belastung der Koalition in Berlin zu verhindern, indem sie erklärt, Juncker durchsetzen zu wollen. Dessen Chancen, die Nachfolge des Portugiesen José Manuel Barroso anzutreten, sind damit deutlich gestiegen. Aber ob sich der Schwung der Juncker-Unterstützer durch die nächsten langen Wochen trägt, ist offen.
Merkels öffentliche Unterstützung für Juncker ist eine Genugtuung für den Luxemburger Wahlsieger. Die Briten, Ungarn, Schweden und Niederländer, die Juncker eigentlich verhindern wollen, werden sich davon aber nicht schnell beeindrucken lassen. Gerade Cameron steht in seiner Heimat nach dem sehr guten Abschneiden der rechtspopulistischen Ukip bei der Europawahl unter massivem Druck. Zwar kann Cameron kein Veto gegen Juncker einlegen, aber Merkel würde ihn ungern überstimmen und den Frust der EU-kritischen Briten noch steigern. Das heißt sie muss Zugeständnisse an anderer Stelle machen - inhaltlich oder bei anderen EU-Spitzenposten, die zu einem großen Personalpaket geschnürt werden.
Mögliche Kompromisse muss nun der EU-Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy ausloten. Er soll in den kommenden Wochen im Auftrag der Staats- und Regierungsschefs mit dem Europaparlament und in den Hauptstädten Europas verhandeln. Seine Aufgabe ist an diesem Freitag nicht einfacher geworden.