Merkels Präsidentenpleite Unionsgrößen wünschen sich Koch zurück

Scheidender Ministerpräsident Koch: "Überragende Fähigkeit"
Foto: Boris Roessler/ dpaHamburg - Schienbeintritt für die Kanzlerin: In der Union wird immer eindringlicher aufgefordert, Hessens Ministerpräsidenten zu einem Verbleib in der Politik zu bewegen. Koch habe vor den Unionsdelegierten der Bundesversammlung eine eindrückliche Rede gehalten, sagte der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber dem SPIEGEL. "Ich fühle mich bestätigt, dass man Roland Koch unbedingt in der Politik halten sollte."
Ähnlich äußerte sich der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. "Roland Koch hat eine überragende Fähigkeit in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen. Deswegen würde ich ihn in der Politik halten."
Koch hatte in seiner Rede am Mittwoch eindringlich für Christian Wulff geworben. Er bekam dafür deutlich mehr Applaus als Angela Merkel, deren Rede von vielen Delegierten als zu kühl und technisch kritisiert wurde.
Koch hatte Ende Mai seinen Abschied aus der Politik angekündigt. Elf Jahre hatte er Hessen mit harter Hand und markiger Rhetorik regiert. Wahlkämpfe mit ausländerfeindlichen Untertönen und die CDU-Schwarzgeldaffäre kratzten an seiner Glaubwürdigkeit (siehe Zitate links). Im Mai kündigte der Langzeitpolitiker an, in die Wirtschaft wechseln zu wollen.
"Bunkermentalität"
Koch war einer der mächtigsten Männer in der CDU. Er galt als Paradebeispiel eines Berufspolitikers - der letztlich seine Karriere überdachte, weil ihm Merkel auf dem Weg nach oben im Weg stand. Nachdem Jürgen Rüttgers die Wahl in Nordrhein-Westfalen verloren hat und Christian Wulff Bundespräsident geworden ist, mangelt es der Volkspartei nun an Führungspersonal.
Die Sehnsucht nach Koch wächst. Der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung Josef Schlarmann forderte Merkel daher auf, Partei und Regierung umzubauen. "Der kleine Kreis um Frau Merkel kann nicht all die schwierigen Fragen lösen, die im Moment anstehen. Sie muss Partei und Regierung personell besser aufstellen."
Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand kritisierte, im Kanzleramt herrsche derzeit eine "Bunkermentalität". Inhaltliche Vorschläge würden nicht sachlich bewertet, sondern nach der Frage, ob man als Freund oder Feind des Merkel-Lagers gelte. "Ein solcher Umgang schadet der Union, und letztlich auch unserer Arbeit für das Land", sagte Brand.
Unionsministerpräsidenten wollen Präsidentenwahlproblem analysieren
Für Unruhe in der Union sorgt weiter die umständliche . Erst nach drei Wahlgängen war Christian Wulff am Mittwoch zum neuen Bundespräsidenten gewählt worden - trotz komfortabler Mehrheit von Schwarz-Gelb. Seine Kandidatur brachte die Regierung an den Rand der Verzweiflung.
Nach SPIEGEL-Informationen verlangten die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Sachsen, Peter Harry Carstensen und Stanislaw Tillich, während der Bundesversammlung eine Sondersitzung des Präsidiums, um über die Gründe des zweimaligen Scheiterns des Unionskandidaten Wulff zu beraten. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Unionsfraktionschef Volker Kauder lehnten dies allerdings ab.
Rüttgers verlangte von seiner Partei mehr Profil. Die CDU müsse inzwischen darum kämpfen, Volkspartei zu sein. "Das ist ja wohl die Botschaft der Nordrhein-Westfalen-Wahl", sagte der scheidende Ministerpräsident dem SPIEGEL. Es führe aber nicht zu starken Parteien, wenn sich "alle Politiker" vor "Polarisierung und Konflikten scheuen" - aus Angst davor, die Mehrheitsfähigkeit zu verlieren.
Die Zitterpartie bei der Präsidentenwahl hat das Vertrauen ins Überleben der Regierung Merkel erschüttert. Laut einer ARD-Umfrage glauben fast zwei Drittel der Deutschen, dass die bald scheitern wird.