
Rechtspopulisten Weniger Flüchtlinge heißt nicht weniger AfD


Flüchtlingsboot in der Straße von Gibraltar, September 2018
Foto: MARCOS MORENO/ AFPHorst Seehofer zeigte sich verhalten erfreut. Die Zahlen für Erstanträge beim Asyl sind 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent auf rund 185.000 gesunken, noch 2016 hatten zu Zeiten der Flüchtlingskrise rund 722.000 Menschen einen Antrag auf Asyl gestellt. Also eigentlich im Sinne des Bundesinnenministers, der am Mittwoch den aktuellen Migrationsbericht vorstellte.
Obwohl die Aufmerksamkeit für die Flüchtlinge in manchen Teilen der Gesellschaft abgenommen hat, bleibt das Thema jedoch auf der Tagesordnung. "Das Migrationsgeschehen wird uns noch jahrelang begleiten", sagte Seehofer. Auch aus der Unionsfraktion im Bundestag waren gedämpfte Töne zu hören. Die Migration normalisiere sich, noch immer aber liege die "irreguläre Zuwanderung deutlich über dem Niveau von vor zehn Jahren", sagte der CDU/CSU-Fraktionsvize Thorsten Frei.
Die neue Ostpartei
Die zurückhaltende Bewertung ist richtig. Denn nicht nur die Zahl der Flüchtlinge hat sich verändert, auch die politische Landschaft in Deutschland ist eine andere geworden. Die AfD hat es geschafft, mit der Furcht vor Migranten, mit Pauschalisierungen, Übertreibungen und einem antiislamischen Diskurs in den Bundestag und sämtliche Landesparlamente zu gelangen.
2019 wird eine besondere Herausforderung für die Gegner der AfD, denn in diesem Jahr wird in drei ostdeutschen Ländern - Brandenburg, Thüringen und Sachsen - gewählt. Dort kommt die Partei in Umfragen auf Werte von 20 und mehr Prozent. Sie scheint dabei zu sein, der Linken - der einst klassischen Ostpartei - den Rang abzulaufen. Ihr Einfluss reicht mittlerweile über AfD-Wähler hinaus.
Nach einer jetzt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlichten Umfrage des Allensbach-Instituts wollen 37 Prozent der Ostdeutschen zwar keine Beteiligung der AfD an Regierungen, aber ihren Einzug in die Parlamente inklusive nennenswertem politischen Einfluss. Das sagt noch nichts über tatsächliche Wahlergebnisse im Herbst aus, aber viel über die Schwierigkeiten, mit denen es die anderen Parteien zu tun haben.
Dem Verfassungsschutz wird misstraut
Daran wird wohl auch die jüngste Maßnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz wenig ändern. Teile der Partei - die "Junge Alternative" und die Rechtsaußen um Björn Höcke im "Flügel" - sind seit Kurzem "Verdachtsfälle" und damit theoretisch auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Gerade im Osten Deutschlands sind die Vertreter des "Flügel" besonders stark vertreten, an diesem Mittwoch halten sie ein Treffen in Sachsen ab. Höcke in Thüringen und Andreas Kalbitz in Brandenburg sind auch Spitzenkandidaten in ihren jeweiligen Ländern, beide können bis heute auf die Unterstützung der AfD-Parteichefs Alexander Gauland und Jörg Meuthen bauen.
Plump, aber durchaus wirkungsvoll spielen Teile der AfD mit den Erinnerungen an die "Wir sind das Volk"-Stimmung aus dem Wendeherbst 1989, um die Tätigkeit des Verfassungsschutzes in die Nähe des DDR-Geheimdienstes Stasi zu rücken. Gepaart mit einer verbreiteten Skepsis gegenüber dem bundesdeutschen Demokratiesystem agiert die AfD bei diesem Thema im Mainstream der ostdeutschen Gesellschaft.
Begünstigt wird diese Stimmung im Osten auch durch die Ablehnung des Verfassungsschutzes in weiten Teilen der Linkspartei, wie sie beispielsweise jüngst die Linken-Parteichefin Katja Kipping formulierte: "Um zu wissen, dass die AfD demokratiefeindlich ist, brauche ich keinen Verfassungsschutz." Das Amt, sagte sie, gehöre abgeschafft, das sei seit Langem die Haltung ihrer Partei.
Tatsächlich aber agiert die Linke widersprüchlich: In Thüringen, wo Bodo Ramelow als einziger Ministerpräsident der Linkspartei eine rot-rot-grüne Koalition anführt, wurde die AfD im vergangenen Jahr unter dem SPD-Innenminister vom Landesverfassungsschutz zum "Prüffall" erklärt. Die Geschichte wird noch skurriler, wenn man weiß, dass Ramelow im Herbst 2013, damals als Abgeordneter, erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen seine langjährige Beobachtung durch den Verfassungsschutz geklagt hatte. Ein Urteilspruch aus Karlsruhe, der die Hürde zur Beobachtung von Abgeordneten seitdem höher ansetzt - und von dem heute auch die AfD-Parlamentarier profitieren.
In dieser Gemengelage ist es wenig wahrscheinlich, dass die Maßnahme des Verfassungsschutzes nennenswerte Auswirkungen auf die AfD-Anhängerschaft haben wird. Das Beispiel der Linkspartei - die jahrelang vom Bundesamt und einigen Landesämtern beobachtet wurde - zeigt, wie wenig sich davon Wähler und Anhänger abschrecken ließen.
Union, SPD, Grünen und FDP bleibt daher nur, die harte politische Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten zu suchen. Dazu gehört auch eine pragmatische, an den Realitäten ausgerichtete Flüchtlingspolitik, die auf sinkende Zahlen verweisen kann. Die jetzige Entwicklung, wie sie der Migrationsbericht dokumentiert, ist ein Baustein dabei. Mehr aber auch nicht.