Thüringer CDU-Chef Mike Mohring Ausgebremst

Thüringens CDU-Parteivorsitzender Mike Mohring: Kein bisschen Selbstkritik?
Foto: Michele Tantussi/ REUTERSBis zur letzten Minute feilte die CDU an den Sätzen. Jede Formulierung sollte so sicher wie schwammig sein: Dass es weder so aussah, als würde man etwas zurücknehmen, noch so, als wäre die CDU Thüringen nicht klar in ihrer Aussage.
Der CDU-Landesvorstand tagte gut anderthalb Stunden am Montagabend in der Erfurter Landesgeschäftsstelle, als kurz nach halb neun die Pressemitteilung rausging. Sie trägt die Überschrift: "Keine Koalition mit Linke oder AfD".
Es war das Ende eines gut 24-stündigen Sturms, der durch die christdemokratische Partei zog. Der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat Mike Mohring hatte schon am Wahlabend die Welt im Unklaren gelassen, ob es beim Wahlversprechen bleibt: keine Koalition, keine Tolerierung, keine Zusammenarbeit mit den Linken.
Befeuert wurde die Diskussion durch ein Interview im ARD-"Morgenmagazin" am Montag. Auf die Frage, ob die CDU mit der Linken in eine Regierung gehen würde, sagte er: "Wir sind bereit für so eine Verantwortung, müssen zunächst ausloten, was heißt das für Thüringen. Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht."
Und auch für seine Parteikollegen aus der Bundespartei hatte er eine Ansage: "Ich brauche nicht Berlin, um zu wissen, was für Thüringen wichtig ist." Er habe ja gesehen, dass "Berlin nicht nützlich war in den Wochen vor der Wahl". Auch in der Pressekonferenz in der CDU-Parteizentrale ließ er die Journalisten im Unklaren, was er eigentlich genau sagen wolle. Mohring auf der Regierungsbank mit einem linken Ministerpräsidenten? Es hätte einen Eintrag in den Geschichtsbüchern für ihn bedeutet.
Doch die Reaktionen auf den Testballon, den Mohring fliegen ließ, kamen prompt. In Berlin machte die CDU klar, was Beschlusslage ist: keine Zusammenarbeit. Auch im eigenen Landesverband war die Aufregung groß. "Eine Koalition mit den Linken würde den Todesstoß für die Thüringer CDU bedeuten", sagte der Landtagsabgeordnete Christian Herrgott. Mehrere CDU-Abgeordnete erklärten, sie würden einen linken Ministerpräsidenten nicht wählen. "Eine Koalition mit der Linken würde die CDU zerreißen", sagte auch der Abgeordnete Jörg Kellner.
Schnell zeichnete sich ab, dass die Kritik nicht nur am Vorschlag selbst, sondern auch an der Person Mohring festgemacht wurde. Nonchalant erklärte Mohring dann im Landesvorstand am Montagabend, man habe ihn nur missverstehen wollen - eine Pressemitteilung war schon formuliert, an der nur noch Details bearbeitet wurden. Der Ballon war geplatzt.
Ob damit seine Kritiker jedoch beruhigt sind, ist eine andere Frage. In Teilen der Fraktion ist man angesichts der Wahlniederlage enttäuscht und war verwundert, dass Mohring versuchte, die Niederlage nach Berlin abzuschieben - ohne auch nur einen Hauch von Selbstkritik zu formulieren.
Das sagen seine Kritiker:
Schon 2014 habe er den Wahlkampf der damaligen CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gestört und die SPD als Koalitionspartner vergrault. Mohrings Gegner werfen ihm vor, damals zum Verlust der Regierungsmehrheit beigetragen zu haben.
Den Wahlkampf habe die CDU zugespitzt auf eine Personalentscheidung zwischen Mohring und Ramelow. Aus heutiger Perspektive wohl ein Fehler, sagen einige in der CDU. Mohrings Beliebtheit reichte nicht an Ramelow heran.
Auf einer Veranstaltung der "taz" ließ sich Mohring mit Lederjacke zu der Aussage hinreißen, der AfD-Landeschef Björn Höcke sei ein "Nazi". Unabhängig von der Frage, ob die Bezeichnung richtig sei, habe der CDU-Spitzenkandidat so womöglich AfD-Anhänger eher verprellt als sie zurückgewonnen.
Falsche Themensetzung. Eine Rückzahlung der Straßenausbaubeiträge habe eher wie eine unbezahlbare Luftnummer gewirkt denn wie ein ernst gemeintes Wahlversprechen.
Mohrings Kritik an der Bundes-CDU habe letztlich der Thüringer CDU selbst geschadet, so sehen es einige. Am Wahlsonntag überzeugten mehr die Kandidaten in den Wahlkreisen, deren Erststimmenergebnis besser ausfiel als das Zweitstimmenergebnis für die CDU.
Und was wird nun aus Mohring?
Im Präsidium und im Landesvorstand hielt man sich mit Kritik an Mohring zurück - vorerst, hieß es. Anerkennend würdigte die Partei den Einsatz von Mohring nach einer Krebskrankheit als große menschliche Leistung. In Brandenburg und Sachsen waren schließlich überhaupt keine ernst zu nehmenden Gegenkandidaten zum amtierenden Ministerpräsidenten in Sicht. Mohring schaffte es immerhin, als solcher wahrgenommen zu werden.
Auch taktisch hat Mohring womöglich am Montag etwas herausgeholt. Seine Kritiker bewegten sich aus der Deckung.
Er weiß nun, wo er sie findet. Ob sie an der Personalie noch mal rütteln werden? Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel, gewiss kein Mohring-Kritiker, formulierte es am Montagnachmittag so: "Zur gegebenen Zeit muss genau analysiert werden, wo Fehler gelegen haben mögen, auch eigene."