Milliardenhilfe für Finanzmärkte Bundesländer leisten Widerstand gegen Rettungspaket
Berlin - Angela Merkel hat das milliardenschwere Rettungspaket für die Finanzmärkte bereits mit Bundespräsident Horst Köhler abgestimmt. Der Gesetzgebungsprozess solle schon bis Freitag durch Bundestag und Bundesrat abgeschlossen sein, kündigte die Kanzlerin in einer Pressekonferenz an. Als erstes Gremium beschloss das Kabinett am Montag das Rettungspaket.

Merkel: "Vertrauen ist genau die Währung, mit der bezahlt wird"
Foto: REUTERS"Wir haben heute einen ersten Baustein für eine neue Finanzmarktverfassung beschlossen", verteidigte Merkel das 500-Milliarden-Euro-Paket. Der Mix aus Staatsbürgerschaften und Bankenbeteiligungen diene dem Schutz der Bürger und nicht dem Schutz von Finanzinteressen. Es handele sich um eine vertrauensbildende Maßnahme, um die Kreditvergabe zu stabilisieren und den Bürgern das Sparen zu ermöglichen. "Vertrauen ist genau die Währung, mit der bezahlt wird. Der Staat ist Hüter der Ordnung."
Mit dem in der deutschen Nachkriegsgeschichte beispiellosen Rettungspaket will die Bundesregierung die einheimische Finanzbranche stabilisieren und vor dem Zusammenbruch bewahren. Es gehe um die Stabilisierung des Finanzsystems, sagte Merkel. Ein intaktes Finanzsystem sei auch wichtig für Arbeit und Beschäftigung. Die Kanzlerin wies darauf hin, dass neue Bilanzierungsrichtlinien für die Banken eingeführt würden. Zudem werde es mehr Transparenz bei den Finanzmarktprodukten geben.
Die Hilfen seien an Gegenleistungen der Institute geknüpft. So werde es Vorgaben bei der Begrenzung der Managergehälter, der Geschäftspolitik und der Kreditvergabe der Banken an kleine und mittelgroße Firmen geben. Selbstverständlich werde der Bund auch an den Erträgen der Finanzinstitute beteiligt. Die Kreditermächtigung für den Stabilisierungsfonds betrage maximal 80 Milliarden Euro, sagte die Kanzlerin. Zusammen mit weiteren 20 Milliarden Euro werde der Bund damit zur Aufnahme von hundert Milliarden Euro neuen Schulden ermächtigt.
Merkel verabschiedet sich von ausgeglichenem Etat bis 2011
Merkel gab zu, dass sie nicht mehr von einem ausgeglichenen Haushalt bis 2011 ausgehe. Man müsse "redlich und ehrlich" sein und könne deshalb nicht ausschließen, dass sich das Ziel eines ausgeglichenen Etats verschieben werde. Investitionen und Sozialleistungen würden aber nicht gekürzt. Sie deutete an, dass die Regierung in dieser Woche ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2009 von bisher 1,2 Prozent deutlich nach unten korrigieren wird.
Doch es gibt bereits Widerstand gegen das Rettungspaket: Denn die Länder sollen nach dem Willen der Bundesregierung ein gutes Drittel für die Banken absichern, wie CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin sagte. Die CSU lehnt dies jedoch ab.
Die Länder dürften nicht mit einbezogen werden, machten der designierte CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sowie der scheidende Vorsitzende Erwin Huber in München deutlich. Seehofer erklärte, das Rettungspaket sei "originäre Aufgabe des Bundes". Huber betonte, die Länder seien "nicht in der Lage und auch nicht zuständig, einen Teil der Gesamtlast zu übernehmen".
"Wir stehen zu dem, was wir als Anteilseigener der Landesbank beizubringen haben", betonte Huber. Aber einen Schirm über den ganzen Finanzmarkt oder Teile davon könnten die Länder und Kommunen nicht übernehmen.
Auch Hamburg reagierte skeptisch auf die 35-prozentige Beteiligung der Länder: "Ob eine solche Pauschalquote der richtige Weg ist, daran haben wir derzeit noch Zweifel", sagte Senatssprecher Christof Otto am Montag in Hamburg. Natürlich könnten sich die Bundesländer in der Finanzkrise nicht aus der Verantwortung stehlen. "Aber die Länder sollten aus unserer Sicht vor allem für Landesbanken und kommunale Einrichtungen wie Sparkassen eine besondere Rolle und Verantwortung haben", sagte Otto.
Steinbrück fordert Auflagen für angeschlagene Banken
Finanzminister Steinbrück stellte klar, dass das von der Bundesregierung geschnürte Rettungspaket nur unter Bedingungen in Anspruch genommen werden kann. "Das heißt, es geht um klare Auflagen, es geht um eine Gegenleistung", sagte er.
"Es wird einen Verzicht auf Boni-Zahlungen geben müssen", nannte der SPD-Politiker ein Beispiel. Auch die Vorstandsbezüge bei solchen Banken müssten dann zum Thema gemacht werden. Es werde auch um einen "Verzicht von Dividendenausschüttungen" gehen, sagte er.
Steinbrück warnte davor, dass die Bankenkrise zunehmend "Übersprungseffekte" auf die Realwirtschaft habe. Auch Schwellenländer und Entwicklungsländer seien mehr und mehr betroffen. Dort gehe es mittlerweile nicht mehr nur um wirtschaftliche Daten. Auch die soziale Stabilität könne betroffen sein. Mit dem Rettungspaket gehe es darum, Arbeitsplätze und Wachstum in Deutschland zu sichern. Es gehe jedoch nicht darum, Banken und deren Managern "etwas Gutes zu tun". Wichtig sei vielmehr, das Vertrauen der Menschen wieder zurückzugewinnen, sagte Steinbrück mit Blick auf Unternehmen und Sparer.
Deutschlands Unternehmen erhalten nach Angaben von Steinbrück derzeit ohne Probleme von den Banken Kredite. Es gebe aktuell keine Kreditklemme, sagte der SPD-Politiker. Allerdings hätten sich die Konditionen - die Zinsen für die Firmen - verschlechtert. Eine Kreditverknappung sei für die Zukunft nicht ausgeschlossen, sagte Steinbrück. Die Lage an den Märkten sei ernst. "Es ist Gefahr im Verzug."
Lafontaine lobt Rettungspaket
Linken-Chef Oskar Lafontaine lobte das Rettungspaket und forderte ein staatliches Konjunkturprogramm. "Die Sicherung der Banken mit Steuermilliarden kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Bundesregierung zugleich alles tut, damit die Wirtschaft nicht einbricht", erklärte er am Montag in einer Mitteilung in Berlin.
Die Garantien für das Interbankengeschäft und die Bereitstellung zusätzlichen Eigenkapitals seien richtig. Aber: "Wo der Steuerzahler sich engagiert, muss der Staat an den Banken beteiligt werden. Nur das sichert wirklich die Möglichkeit, Entscheidungen der Banken mitzubestimmen", erklärte Lafontaine. Zudem sollten Reiche durch eine Millionärsteuer an der Krisenbewältigung beteiligt werden.
An den Börsen in Deutschland hatten die Finanzwerte getragen von der Hoffnung auf eine längerfristige Unterstützung am Montag kräftig zugelegt. "Alles stützt sich auf die Hoffnung, dass dieser Schritt den Finanzmärkten länger als ein paar Minuten helfen wird", sagte ein Börsianer in Frankfurt am Main. Der Dax stieg nach dem Kursrutsch in der Vorwoche um 6,18 Prozent auf 4825,37 Zähler. Bis zum späten Vormittag schnellten die Aktien der Hypo Real Estate (HRE) um 35,35 Prozent auf 5,59 Euro in die Höhe und machten ihre Verluste der vergangenen Woche von rund zwölf Prozent mehr als wett. Die Commerzbank legte um 17,47 Prozent auf 11,435 Euro zu, nachdem sie in der vergangenen Woche etwas mehr als 18 Prozent eingebüßt hatte.
als/ddp/dpa/Reuters/AFP