Wirbel um Wirtschaftspapier CDU-Spitze räumt Vorstoß zur Mindestlohn-Senkung ab

Große Aufregung in der CDU: Fachpolitiker bringen eine mögliche Absenkung des Mindestlohns ins Spiel - und werden von führenden Parteifreunden eilig zurückgepfiffen.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: "Hände weg vom Mindestlohn"

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer: "Hände weg vom Mindestlohn"

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Hannibal Hanschke/ dpa

So was passiert nicht alle Tage: Fachpolitiker der Unionsbundestagsfraktion machen sich ein paar grundsätzliche Gedanken - und ernten prompt schärfsten öffentlichen Widerspruch aus der CDU-Führung.

Der Vorschlag der vom CDU-Abgeordneten Joachim Pfeiffer geleiteten Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie, den Mindestlohn möglicherweise absenken zu lassen, war am Dienstag jedenfalls kaum öffentlich geworden, da räumten ihn führende Christdemokraten schon wieder ab.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer pfiff Pfeiffer & Co. persönlich zurück. Auf Twitter schrieb sie: "In dieser Zeit brauchen Unternehmen Spielraum und Liquidität zum Investieren. Darüber reden wir beim Konjunkturpaket." Aber für die CDU sei klar: "Nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Deshalb: Hände weg vom Mindestlohn."

Auch der für Wirtschaft zuständige Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann wies den Vorstoß scharf zurück. "Die Politik hat sich in die Lohnfindung nicht einzumischen", sagte er dem SPIEGEL. "Das war immer Position der Union und wird es auch bleiben."

Linnemann ist auch Chef der Mittelstandsunion von CDU und CSU und Mitglied des CDU-Bundesvorstands. "Es war die Union, die immer darauf gedrungen hat, dass die Mindestlohnkommission von der Politik unabhängig ist", sagte er. "Wir als Politik sollten deshalb nicht sinkende Löhne fordern oder welche Löhne auch immer. "

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak setzte extra einen Pressetermin an, um die Haltung der Parteispitze klarzustellen. Christdemokraten machten Politik für alle Teile der Wirtschaft, sagte Ziemiak in Berlin. "Deswegen ist eine Debatte über eine Absenkung des Mindestlohns überhaupt keine Position der CDU." Es gebe in der Partei nur einzelne Stimmen, die eine Absenkung diskutierten, dies sei aber keine Position der gesamten Partei oder der Führungsgremien, so Ziemiak. Bezieher des Mindestlohns hätten es in der Krise besonders schwer.

In dem Papier der Arbeitsgruppe mit der Überschrift "Wachstumsprogramm für Deutschland: 10 Punkte für einen Neustart der Wirtschaft", das dem SPIEGEL vorliegt, heißt es konkret: Die Mindestlohnkommission solle "den wirtschaftlichen Einbruch und die sinkenden Einkommen bei der Festlegung des Mindestlohnes berücksichtigen und den Mindestlohn entsprechend absenken, mindestens aber eine Erhöhung für 2021 aussetzen".

CDU hat Angst vor dem Unsozial-Vorwurf

Die Reaktion der CDU-Führung dürfte deshalb so rasch und vehement ausgefallen sein, weil die Mindestlohn-Forderung der Fachpolitiker ein Einfallstor für die politische Konkurrenz von links sowie Sozialverbände und Gewerkschaften ist, die Partei als unsozial und arbeitnehmerfeindlich anzuprangern.

Die Sozialdemokraten regierten tatsächlich prompt: "Das CDU-Wirtschaftskonzept ist ein Schlag ins Gesicht aller, die zu extrem geringen Löhnen arbeiten müssen", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast. "Das geht gar nicht. Es ist völlig unnötig, die Geringverdiener jetzt durch solche spalterischen Vorschläge zu verunsichern." Juso-Chef und Parteivize Kevin Kühnert schrieb auf Twitter: "Das werden wir natürlich nicht tun. Den Mindestlohn nicht steigen zu lassen bedeutet: mehr Lohnaufstockung durch den Staat, weniger Beiträge für die Sozialversicherungen, weniger Kaufkraft und später Altersarmut."

Linkenchef Bernd Riexinger nannte den Vorstoß der Unions-Wirtschaftspolitiker "schäbig".

Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt im Januar von 9,19 Euro auf aktuell 9,35 Euro erhöht. Die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern will voraussichtlich im Juni einen neuen Vorschlag für die Erhöhung zum 1. Januar 2021 unterbreiten. Auch aus der Wirtschaft hatte es schon Forderungen nach Aussetzung einer Erhöhung gegeben.

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Die Unions-Wirtschaftspolitiker verlangen in ihrem Papier zudem, die Beiträge zur Sozialversicherung, also die Lohnnebenkosten, "verbindlich und langfristig" auf maximal 40 Prozent zu deckeln. Steigende Ausgaben und fehlende Einnahmen müssten durch Einsparungen ausgeglichen werden, insbesondere versicherungsfremder Leistungen. Sollte das nicht reichen, müsse der Bundeshaushalt zuschießen.

Außerdem verlangt die AG, dass die Abschaffung des Solidaritätszuschlags auf den 1. Juli vorgezogen wird und vollständig gelten soll. Dies lehnt der Koalitionspartner SPD aber seit Längerem ab. Die Sozialdemokraten wollen den Zuschlag nur für 90 Prozent der Steuerzahler abschaffen.

Mit Material von dpa
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