Mindestlohn-Wende SPD lästert über "Plagiatspartei" CDU

Wahlkampfthema weg? Egal. Die Sozialdemokraten reagieren mit Genugtuung auf die Mindestlohn-Wende der Union und wittern nun die Chance für größere Umbauten am Arbeitsmarkt. Der Schachzug der Kanzlerin - er wird weggelächelt.
SPD-Chef Gabriel: "Historischer Sieg"

SPD-Chef Gabriel: "Historischer Sieg"

Foto: Wolfgang Kumm/ dpa

Berlin - Es sollte eigentlich ein großes Thema im Bundestagswahlkampf 2013 werden - doch die Kanzlerin ist der SPD zuvorgekommen. Nach jahrelangem Streit plädiert nun auch die Union für einen allgemeinen Mindestlohn. Es ist ein Linksruck, der die Genossen vor Probleme stellen könnte. Strategisch gesehen jedenfalls.

Frust will trotzdem niemand schieben in der SPD. Es soll bloß nicht der Eindruck entstehen, als stecke man in der Klemme. Und so reagiert Parteichef Sigmar Gabriel mit großer Genugtuung auf den neusten Schwenk Angela Merkels. Ein "historischer Erfolg" und ein "großer Sieg für die SPD und die Gewerkschaften" sei der Sinneswandel der Union, flötet Gabriel. Zehn Jahre habe man schließlich für die Einführung flächendeckender Lohnuntergrenzen gekämpft. Die CDU sei mit der Kursänderung zwar zur "Plagiatspartei" geworden, stichelt der Parteivorsitzende. Aber das sei zu verkraften: "Wenn Merkel bei uns das Richtige abschreibt, wollen wir gerne auf die Quellenangabe verzichten."

Aber nur Lob geht ja nun auch nicht. Zumindest nicht, wenn man Oppositionspartei ist. Also diktiert Gabriel der Kanzlerin seine Bedingungen für einen Mindestlohn-Kompromiss mit der SPD. So müsse der Mindestlohn hoch genug sein, um Arbeitnehmer dauerhaft von staatlicher Unterstützung unabhängig zu machen. Und das ist er nach Ansicht Gabriels in den Plänen der Union nicht. Die Christdemokraten wollen den allgemeinen Mindestlohn auf die gültige Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit 6,89 Euro pro Stunde im Osten und 7,79 Euro im Westen stützen. "Ostdeutschland soll offenbar das Experimentierfeld für Billiglöhne bleiben", sagt Gabriel dazu. Seine Forderung: 8,50 Euro. Darunter sei die Sache mit den Sozialdemokraten nicht zu machen.

Überhaupt solle die Kanzlerin erst mal zeigen, wie ernst sie es denn meine mit ihrem Vorstoß. Gabriel selbst hat, natürlich, Zweifel. Er findet, dass die politischen Wenden der Angela Merkel bislang vor allem auf der "Überschriftenebene" stattgefunden haben. Bei der Wehrreform und der Energiewende vermisse er jedenfalls die Konsequenz. "Substanzlos", sei die Politik der Kanzlerin, sagt der SPD-Chef.

Ginge es nach ihm, könnten jetzt ruhig mal ein paar größere Umbauarbeiten am Arbeitsmarkt vorgenommen werden. "Der Wert der Arbeit muss wieder hergestellt werden", sagt Gabriel. In der Leiharbeit zum Beispiel. Dort müsse endlich das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit einziehen. Zudem brauche es konkrete Schritte für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Und auch die 400-Euro-Jobs sollten abgefedert werden - durch eine Begrenzung der Stundenzahl. Denn, so Gabriel: "Für viele Menschen ist der 400-Euro-Job zu einer Hauptverdienstquelle geworden. Das müssen wir ändern."

Und die Sache mit dem Wahlkampf? Sieht Gabriel, natürlich, gelassen. Denn es sei ja so, dass die politische Mitte sich gerade nach links verschiebe und Merkel nur versuche, sich anzupassen. "Am Ende", ist sich Gabriel sicher, "wird dann das Original gewählt und nicht die Kopie."

vme
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