Ministerpräsident Althaus Thüringens CDU drückt sich vor Plan B
Berlin/Allensbach/Erfurt - Zunächst schien alles in Ordnung. Der Skifahrer hatte nach seiner Kollision mit einem anderen Wintersportler keine Schmerzen, zur Sicherheit wurde er dennoch ins Krankenhaus gebracht. Zwei Stunden später verstarb er.
Die zweite Person überlebte schwer verletzt.
Diese aktuelle Meldung aus Lech am Arlberg klingt beinahe wie eine Kopie des Skiunfalls von Dieter Althaus, 50. Der Thüringer Ministerpräsident war am Neujahrstag auf einer Piste in der Steiermark mit einer Skifahrerin zusammengestoßen. Althaus kam mit schweren Kopfverletzungen davon, Beata C. starb an den Folgen der Kollision.
Welche Folgen der Unfall für den CDU-Politiker haben wird, ist weiterhin unklar. Seit einigen Tagen wird Althaus in den Reha-Kliniken Schmieder am Bodensee behandelt. Die dortigen Ärzte sprechen zwar von "hervorragenden Fortschritten".
Aber dass Althaus' Gattin Katharina in das Allensbacher Klinikum gezogen ist, lässt auf eine noch Wochen andauernde Behandlung schließen. Festlegen will sich niemand. "Das ist im Augenblick noch schwer abzuschätzen", sagte Klinikdirektor Bruno Crone der "Super illu".
Aufstehen zwischen sieben und acht, Frühstück auf dem Zimmer, dann bis zum Abend verschiedene Therapien, immer strengstens medizinisch überwacht. So beschreibt Crone den Tagesablauf seines prominenten Patienten. Dazu gesundes Essen und viele Erholungspausen. "Auch wenn der körperliche Zustand von Herrn Althaus schon wieder sehr gut ist, sind noch weitere neuropsychologische Übungen nötig, um Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit zu stärken", sagt der Chefarzt.
Klar ist jedenfalls: Der Ministerpräsident ist noch lange nicht wiederhergestellt - und das hat erhebliche Konsequenzen. Zum einen für die Arbeit der österreichischen Staatsanwaltschaft, die weiterhin wegen "fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen" ermittelt. Althaus war nach bisherigen Erkenntnissen auf die Piste von Beata C. gefahren, offenbar an einem Fangzaun vorbei.
Was zum Abschluss der Ermittlungen und der möglichen Anklage gegen Althaus noch fehlt, sind zwei Gutachten. "Es steht noch das gerichtsmedizinische Gutachten und eines über den Unfallhergang aus Expertensicht aus", sagte der Grazer Oberstaatsanwalt Reinhard Kloibhofer SPIEGEL ONLINE. Beide sollen aber in den nächsten Wochen vorliegen. Was ebenfalls aussteht, ist die Vernehmung des Beschuldigten - und die wird in nächster Zeit auch nicht stattfinden. "Er ist nicht vernehmungsfähig, und es ist nicht abzusehen, wann er es sein wird", sagt Klinikdirektor Crone über Althaus.
Althaus könnten bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe drohen
Auch in Österreich ist für die Eröffnung eines Hauptverfahrens nicht zwingend notwendig, dass der Beschuldigte zuvor angehört wird, wie Staatsanwalt Kloibhofer betont. Aber es scheint im Falle des Thüringer Ministerpräsidenten eher unwahrscheinlich. "Es sei denn, er kann sich ohnehin an nichts erinnern", sagt Kloibhofer.
Sollte Althaus auf Grundlage des bisher vermuteten Deliktes angeklagt werden, würde dies vor dem Landgericht im steierischen Loeben geschehen. Normalerweise in öffentlicher Verhandlung, sagt Staatsanwalt Kloibhofer. Althaus drohten dann bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.
Wann und ob dieses Hauptverfahren stattfindet, interessiert aber nicht nur Dieter Althaus und seine Familie - sondern auch den Landesverband der Thüringer Christdemokraten. Denn im Freistaat finden 2009 Europa- und Kommunalwahlen statt, vor allem aber wird am 30. August ein neuer Landtag gewählt. Nach bisherigem Stand tritt für die CDU ihr Ministerpräsident als Spitzenkandidat an. Das beteuert öffentlich jeder CDU-Politiker zwischen Altenburg und Eisenach. Selbst intern traut sich, so ist zu hören, niemand anderes. Weil man ja nie weiß, ob es doch jemand weiter trägt.
Es ist eine Art CDU-Mikado, das die Partei in Thüringen spielt: Wer sich zuerst bewegt, ist weg vom Fenster.
Dabei müssten sie natürlich einen Plan B haben: Falls Althaus nicht rechtzeitig wieder fit wird. Falls ihm die juristische Auseinandersetzung in Österreich Probleme bereitet. Oder falls - und auch das scheint nicht ausgeschlossen - der Ministerpräsident gar nicht antreten will. Weil ihn der Wahlkampf physisch und psychisch zu sehr belasten würde.
Erste Ersatzkandidatin wäre Christina Lieberknecht
Logische erste Ersatzkandidatin wäre Christine Lieberknecht, 50. Die ehemalige Pfarrerin ist klug, eloquent und politisch sehr erfahren: Landtagspräsidentin und Fraktionschefin war sie schon, zur Zeit leitet sie das Sozialministerium. Doch Ex-Bürgerrechtlerin Lieberknecht ist in diesen Tagen so auffällig unauffällig, dass mancher sie schon verschollen glaubte. Lieberknecht ist allerdings noch da, am Donnerstag ergriff die CDU-Politikerin in einer aktuellen Landtagsstunde das Wort.
Fraktionschef Mike Mohring, 37, gilt dagegen als zu jung und zu wenig politisch erfahren. Finanzministerin Birgit Diezel wiederum mache ihre Sache als kommissarische Regierungschefin gut, heißt es. Aber als Spitzenkandidatin kann sich die 50-Jährige außerhalb ihrer ostthüringischen Heimat kaum jemand vorstellen, geschweige denn als Ministerpräsidentin.
Was die Thüringer CDU in ihrer abwartenden Haltung bestätigt, ist eine aktuelle Forsa-Umfrage. Demnach kommt die CDU auf 39 Prozent - ihr bester Wert seit anderthalb Jahren. Der Ministerpräsident genießt mit über 40 Prozent sogar noch mehr Zustimmung als seine Partei. Forsa-Chef Manfred Güllner spricht von einer Art Mitleidseffekt.
Die Staatskanzlei scheint der CDU bei der Landtagswahl sicher. Dann stellen sich nur noch zwei Fragen. Eine lautet, in welcher Koalition: Ob mit den Sozialdemokraten, die zur Zeit auf 16 Prozent der Stimmen komme? Oder im besseren Fall mit der bisher nicht im Landtag vertretenen FDP, aktuell bei fünf Prozent? Die andere Frage ist, wer diese Regierung anführen wird.
Und diese Entscheidung liegt immer noch bei Dieter Althaus.