Möchtegern-Euro-Retter Cameron meckert sich ins Abseits

Britischer Premier Cameron: Gegenwind von allen Seiten
Foto: dapdBerlin - Großbritannien hat den Euro nicht - für den britischen Premierminister David Cameron geht es bei der Rettung der Währung und der Griechenland-Krise trotzdem ums Ganze. "Das ist die richtige Zeit um Europas Probleme zu lösen, die Probleme der Euro-Zone zu lösen", sagte Cameron am Sonntag auf dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Sein Statement sollte unmissverständlich klar machen, wie wichtig er das Thema nimmt.
Tatsächlich ist für Cameron ein Beitrag zur Lösung der Euro-Krise entscheidend - er steht innenpolitisch vor der härtesten Machtprobe seiner bisherigen Amtszeit. Euroskeptiker bei den Konservativen, Camerons eigener Partei, nutzen die Euro-Krise für Forderungen nach einer Neuverhandlung über den Vertrag Londons mit der EU - und haben eine Abstimmung im britischen Parlament initiiert. An diesem Montag soll im Unterhaus darüber abgestimmt werden, ob Großbritannien in einem Referendum über die Mitgliedschaft in der EU entscheiden soll. Cameron ist strikt gegen ein solches Referendum.
Zwar ist das Votum im Unterhaus rechtlich nicht bindend und Cameron wird es mit Hilfe der Unterstützung der Liberal Demokraten und der oppositionellen Labour-Party aller Wahrscheinlichkeit sowieso gewinnen - aber die Abstimmung gilt als Test für die Autorität des Regierungschefs in seiner eigenen Partei. Bis zu 100 Abgeordnete von Camerons Fraktion wollen demnach gegen ihn stimmen. Schon eine weit geringere Zahl wäre historisch - und für Cameron eine Schmach. Wissenschafter der Universität in Nottingham haben vorausgesagt, dass mehr als 41 Abgeordnete der Konservative gegen die Cameron-Linie stimmen. Damit wären es mehr Abweichler als bei der Abstimmung über den Maastricht-Vertrag im Jahr 1993.
Rüffel von Sarkozy
Cameron hatte das Management der Euro-Krise in den vergangenen Wochen mehrfach scharf kritisiert - er selbst musste nun am Sonntag einen heftigen Rüffel einstecken. "Sie haben eine gute Chance verpasst, den Mund zu halten", schnauzte Frankreichs Präsident Sarkozy beim EU-Gipfel in Brüssel Cameron an, berichtete die britische Agentur PA. "Es macht uns krank, dass Sie uns dauernd kritisieren und uns sagen, was wir tun sollen. Sie sagen, Sie hassen den Euro und jetzt wollen Sie in unsere Sitzungen eingreifen", fuhr Sarkozy dem Bericht zufolge fort. Cameron hatte zuvor verlangt, dass Großbritannien und alle anderen EU-Länder, die Nichtmitglieder der Eurozone sind, am entscheidenden Treffen zur Euro-Rettung am Mittwoch in Brüssel teilnehmen können.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs waren am Sonntag in Brüssel zu keinem konkreten Ergebnis gekommen und hatten eine Entscheidung vertagt. Am Mittwochabend soll ein Gesamtpaket verkündet, das dreierlei enthalten soll:
- einen radikalen griechischen Schuldenschnitt von bis zu 60 Prozent,
- eine Rekapitalisierung der europäischen Banken mit 100 Milliarden Euro,
- einen verstärkten Euro-Rettungsschirm, der durch einen Hebel sein Volumen von 440 Milliarden Euro vervielfachen kann.
In Italien hat Regierungschef Silvio Berlusconi wegen der Schuldenkrise einen Gerichtstermin in einem Korruptionsfall abgesagt. Ursprünglich wollte der angeschlagene Regierungschef am Montag in Mailand vor Gericht erscheinen. Dort soll sein ehemaliger Anwalt David Mills wegen angeblicher Bezahlung für Falschaussagen befragt werden. Wie italienische Medien berichteten, stornierte Berlusconi den Termin, um wahrscheinlich noch im Laufe des Tages sein Kabinett zusammentrommeln. Zuvor hatten Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy massiv Druck auf Berlusconi ausgeübt, schnell klare Perspektiven zum Abbau der Schulden Italiens aufzuzeigen.
Die deutsche Opposition warnt nach dem ergebnislosen Gipfel-Wochenende vor einem Übergreifen der Krise: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier meldete diesbezüglich grundsätzliche Zweifel an der Fähigkeit der Bundesregierung an. "Ich habe tiefe Sorge, dass uns diese Regierung davor schützen kann, dass die Krise bei den Deutschen ankommt", sagte der Oppositionsführer im ARD-"Morgenmagazin". Wer das Krisenmanagement auch in anderen wichtigen Themen wie jüngst in der Debatte um Steuersenkungen beobachte, "dem kommt doch das Grauen", kritisierte Steinmeier. Er plädiere für einen internationalen Fonds, in den auch Nicht-Europäer einzahlten, um mithilfe all jener, die an einem stabilen Euro interessiert seien, die Krise zu meistern.
CDU-Mann Altmaier verteidigt ergebnislosen Gipfel
Steinmeier sieht vor dem nächsten EU-Gipfel an diesem Mittwoch noch viel Klärungsbedarf. "Die Arbeit ist in Wahrheit noch nicht getan. Weder ist vereinbart, was die Banken denn als Teil ihres Gläubigerbeitrags beibringen. Und zweitens gibt es ja keinerlei Verständigung über das Modell, mit dem der europäische Rettungsschirm effektiver ausgestaltet werden soll." Aus Sicht Steinmeiers steht deshalb noch nicht fest, ob der Bundestag als Ganzes oder nur der Haushaltsausschuss zustimmen muss.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmeier, verteidigte das schrittweise Vorgehen bei der Euro-Rettung. "Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". "Darauf hat bei der Euro-Rettung. das deutsche Parlament bestanden. Das war richtig. Und ich bin überzeugt, wir kriegen jetzt am Mittwoch ein wirklich gutes Paket, weil es vernünftig ausgehandelt worden ist. Und weil auch die Entscheidungen in die richtige Richtung gehen."
Auch für Altmeier steht noch nicht fest, ob die Zustimmung allein des Haushaltsausschusses ausreichen wird. "Wir haben immer gesagt, die deutsche Haftungsobergrenze darf nicht erhöht werden. Zweitens haben wir gesagt, wenn wir das Geld effektiver ausgeben, darf es nicht dazu kommen, dass wir eine Gelddruckmaschine in Gang bringen." Drittens wolle man klare Regelungen, alles müsse überschaubar bleiben. "Wenn das gewährleistet ist, dann kann der Haushaltsausschuss entscheiden, wie es im Gesetz vorgesehen ist."
Kanzlerin Merkel will die Partei- und Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien am Montagmittag über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom Wochenende informieren.
Die Anleger reagierten nach dem Gipfel vorsichtig optimistisch. Der deutsche Leitindex kletterte in den ersten Minuten um 0,66 Prozent nach oben auf 6010 Punkte. Bereits zum Wochenende hatte neuer Optimismus vor dem EU-Gipfel den Dax um 3,55 Prozent hochgetrieben und das vorherige Wochenminus noch ausgeglichen.