Moschee-Streit in Erfurt "Natürlich gehört die AfD zu Deutschland"

Die AfD findet: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland". Wie soll man als Muslim damit umgehen? Im Interview spricht der Vorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinschaft über den Protest gegen eine geplante Moschee in Erfurt.
Abdullah Uwe Wagishauser, Vorsitzender der AMJ in Deutschland

Abdullah Uwe Wagishauser, Vorsitzender der AMJ in Deutschland

Foto: Christian Charisius/ picture alliance / dpa

Die AfD macht mobil gegen den Islam - er gehört für sie nicht zu Deutschland. In Erfurt wollen die Rechtspopulisten jetzt einen Moscheeneubau verhindern, den die dortige muslimische Ahmadiyya-Gemeinschaft AMJ plant. Wie reagiert der muslimische Verband, der als einzige Gemeinschaft in Deutschland in zwei Bundesländern als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt ist, auf den Protest der AfD? Gibt es Gespräche mit der Partei? Darüber spricht der AMJ-Vorsitzende Uwe Abdullah Wagishauser im Interview.

SPIEGEL ONLINE: Herr Wagishauser, am Abend will die AfD in Erfurt gegen einen von Ihrer Gemeinschaft geplanten Moscheebau in Erfurt demonstrieren. Werden Sie am Domplatz sein und mit den Rechtspopulisten das Gespräch suchen?

Wagishauser: Wir sind in Erfurt sehr aktiv mit Infoständen. Heute Abend allerdings werden wir dort eher nicht das Gespräch suchen. Ich erwarte eine ziemlich aufgeladene Stimmung wie bei Pegida.

SPIEGEL ONLINE: Thüringens AfD-Fraktionschef Höcke wirft Ihrer Gemeinschaft vor, der Moscheebau sei Teil eines "langfristigen Landnahmeprojektes". Was entgegnen Sie ihm?

Wagishauser: Das ist nichts als Propaganda. Die Ahmadiyyas haben 45.000 Mitglieder in Deutschland, wir wollen aus den Hinterhöfen rauskommen. Es muss Stätten geben, wo unsere Mitglieder in angenehmer Atmosphäre beten können. Im Übrigen sind unsere Moscheen offen, dort wird Deutsch gesprochen, unsere Imame sind hier ausgebildet. Übrigens genau das, was die AfD fordert.

SPIEGEL ONLINE: Die AfD behauptet, sie würde die Stimmung der Erfurter Bürger abbilden. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Wagishauer: Ja, es gibt Feedback, das nicht sehr positiv ist. Zum Beispiel von Marktleuten, die in Erfurt ihre Stände haben. Die Stimmung ist angespannt. Die Leute sagen: Was braucht ihr hier eine Moschee?

SPIEGEL ONLINE: Tatsächlich haben die Ahmadiyyas nur etwa siebzig Mitglieder in Thüringen.

Wagishauser: Das liegt auch daran, dass wir nie einen Gebetsraum hatten - viele Gemeindemitglieder sind dann woanders hingezogen. Wir müssen den Menschen klarmachen: Wir sind genauso Deutsche wie ihr. Und wir sind gläubig, anders als ihr vielleicht. Es ist das Normalste der Welt, dass wir für unsere Religion auch einen Raum brauchen. Wir versuchen den Leuten klarzumachen, dass sie deshalb keine Angst haben müssen. Im persönlichen Gespräch klappt das ganz gut.

SPIEGEL ONLINE: In Baden-Württemberg gab es bereits ein Treffen eines Ahmadiyya-Vertreters mit AfD-Chef Meuthen, der damit offensiv in die Öffentlichkeit ging. War das Gespräch erfolgreich?

Zur Person Uwe Wagishauser
Foto: Philip Schwarz/ picture alliance / dpa

Abdullah Uwe Wagishauser, geboren 1950 in Baden-Württemberg, ist seit 1984 Vorsitzender der Ahmadiyya Muslim Jamaat- Gemeinschaft (AMJ) in Deutschland. Er stammt aus einer christlichen Familie, trat aber als junger Mann aus der Kirche aus. Er war politisch aktiv in der 68er Bewegung. Auf einer Indienreise in den späten Siebzigerjahren fand er zur Ahmadiyya-Gemeinde.

Wagishauser: Ich finde, jedes Gespräch hat einen Mehrwert, und das Treffen fand in freundlicher offener Atmosphäre statt. Wir haben betont, dass wir genauso schockiert über Entwicklungen in der muslimischen Welt sind, über Terror und Gewalt. Ich glaube, es gibt Mitglieder der AfD, die noch differenzieren und das aufnehmen können - auch wenn ich nicht weiß, ob sie sich in der Partei halten.

SPIEGEL ONLINE: Wie beurteilen Sie das Klima für Muslime in Deutschland?

Wagishauser: Ich war kürzlich auf einer Reise in Großbritannien und habe gemerkt, dass es hier in Deutschland so viel besser läuft. Wir leben in einem Land, das sehr viel dafür tut, verschiedenen Gruppen eine Heimat zu sein. Ich schätze das sehr wert, es gibt Austausch und Interesse. Bei der ganzen Diskussion um die AfD wird oft verkannt, dass es in Städten wie Dortmund, Frankfurt und Hamburg ein tolles Miteinander gibt. Das Land zu lieben, in dem man lebt - das ist Integration.

SPIEGEL ONLINE: Gleichzeitig aber propagiert Ihre Gemeinschaft Vorstellungen, die sich nicht mit Freiheitsrechten vertragen. Sex vor der Ehe akzeptieren Sie nicht. Wie passt das zusammen?

Wagishauser: Wir sind für eine allgemeine Freiheit der sexuellen Orientierung in unserer Gesellschaft und fordern deswegen auch Respekt und Toleranz für Werte wie Keuschheit vor der Ehe oder Schamhaftigkeit und Respekt beim Umgang der Geschlechter.

SPIEGEL ONLINE: Was passiert denn, wenn ein Gemeindemitglied vor der Ehe Sex hat?

Wagishauser: Wenn ein Gemeindemitglied öffentlich macht, dass er außerehelichen Sex hat, kann er keine Ämter in der Gemeinde bekleiden und im Extremfall kann er auch ausgeschlossen, also exkommuniziert, werden. Das bedeutet aber nicht, dass er sich nicht als Muslim bezeichnen oder nicht in unseren Moscheen beten darf.

SPIEGEL ONLINE: In Darmstadt gab es einen Ehrenmord in einer Familie aus Ihrer Gemeinschaft. Die Eltern haben ihre Tochter umgebracht, weil sie einen Freund hatte.

Wagishauser: Dieser Mord hat uns sehr schockiert - und Gewalt verurteilen wir. Wir wissen auch, dass es Jugendliche gibt, die sich nicht an das Keuschheitsgebot im Islam halten, das ist dann erst einmal ihre Privatangelegenheit. Erst wenn das zu Problemen führt, versuchen wir mit den Beteiligten zu reden und zu vermitteln.

SPIEGEL ONLINE: Gehört die AfD für Sie zu Deutschland?

Wagishauser: Natürlich gehört die AfD zu Deutschland. Es gehören eben auch problematische Dinge hierher. Und wir dürfen nicht den Fehler machen, uns nicht damit auseinanderzusetzen. In der AfD tummelt sich auch Bildungsbürgertum. Diese Menschen kann man nicht einfach ausgrenzen, sondern man muss mit ihnen reden.

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Ahmadiyya-Muslim-Gemeinschaft in Deutschland

Die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat-Gemeinschaft (AMJ) hat in Deutschland nach eigenen Angaben rund 45.000 Mitglieder und innerhalb der verschiedenen muslimischen Gruppen eine herausgehobene Position: Als erste Gemeinde haben die Ahmadiyyas den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts zuerkannt bekommen, 2013 in Hessen, später auch in Hamburg. Das bedeutet, dass die Ahmadiyyas damit den christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt sind und zum Beispiel Islamunterricht an Grundschulen geben und von ihren Mitgliedern Steuern erheben dürfen. Die Ahmadiyyas haben ihren Ursprung in Indien, viele ihrer Anhänger in Deutschland stammen aus Pakistan. Dort, ebenso wie in anderen muslimisch geprägten Ländern, werden Anhänger der Gemeinschaft unterdrückt und nicht als Muslime anerkannt. Die Ahmadiyyas gelten als friedlich, aber konservativ.

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