Wellmann-Eklat am Moskauer Airport "Ich wurde behandelt wie ein Verbrecher"
Russlands Einreiseverbot gegen den CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann hat zu ersten Konsequenzen geführt. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) sagte eine geplante Reise nach Moskau vorerst ab. "Als Vizepräsident des Deutschen Bundestages kann ich es nicht akzeptieren, dass einem Bundestagskollegen ohne Begründung auf dem Moskauer Flughafen die Einreise verwehrt wird."
Wellmann war auf dem internationalen Flughafen Moskau-Scheremetjewo die Einreise verweigert worden; er musste zurück nach Berlin fliegen. Ihm sei zudem mitgeteilt worden, dass er ein Einreiseverbot bis 2019 erhalte. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe; im Mai 2014 war er für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Wahlbeobachter in der Ukraine.
Die russische Oppositionspartei Jabloko kritisierte den Einreisestopp scharf. "Das Verbot fällt nicht nur aus dem Rahmen zivilisierter Beziehungen zwischen Staaten, sondern zeugt auch von einer unpassenden Außenpolitik", sagte Parteichef Sergej Mitrochin am Dienstag in Moskau.

CDU-Außenpolitiker Wellmann: "Es geht doch gar nicht um mich"
Foto: ImagoIm Interview mit SPIEGEL ONLINE zeigte sich Wellmann überrascht vom Vorgehen Russlands. Es habe im Voraus keine Hinweise gegeben:
SPIEGEL ONLINE: Herr Wellmann, Sie wurden über Pfingsten an der Einreise nach Russland gehindert. Wie sind die russischen Behörden auf dem Moskauer Flughafen mit Ihnen umgegangen?
Karl-Georg Wellmann: Sichtbar unfreundlich. Ich wurde auf Russisch - das ich nicht spreche - angeschnauzt und mit Gesten behandelt, als wäre ich ein Verbrecher. Mir wurde schließlich der Pass abgenommen, den ich erst in der Maschine wiederbekam, die mich nach Deutschland zurückbrachte. Dabei begleitete mich ein Beamter bis ins Flugzeug.
SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie damit gerechnet?
Wellmann: Nein. Konstantin Kosatschow, den Vorsitzenden des Auswärtiges Ausschusses des Föderationsrats, hatte ich zwar bereits vor einiger Zeit gesimst: "I hope, they let me in." Woraufhin er mir antwortete, ich sei höchst willkommen. Er bemüht sich jetzt um Aufklärung. Auch hat die russische Zeitung "Kommersant" mich interviewt - es gibt also durchaus Kritik an der Praxis der Behörden auch in Russland.
SPIEGEL ONLINE: Hatten Sie Hinweise, dass Sie unerwünscht sind?
Wellmann: Nein. Noch in der Woche vor meiner Abreise war ein Vertreter des russischen Außenministeriums bei mir im Büro in Berlin und fragte nach meiner Reise. Mit Sergej Glasjew stand auch einer der wichtigsten Berater Putins auf meiner Gesprächsliste. Insofern schien nichts darauf hinzudeuten. Ich hatte ja auch nicht vor, mich mit Oppositionellen zu treffen.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben seit vielen Jahren gute Kontakte nach Russland, auch in die Ukraine. In den vergangenen Monaten hatten Sie vor allem die russische Annexion der Krim kritisiert. Liegt darin der Grund?
Wellmann: Es geht doch gar nicht um mich. Nein, ich wurde und sollte als Vertreter der Großen Koalition getroffen werden. Dass die Einreisesperre bis November 2019 gilt, zeigt, dass hier nicht irgendwelche subalternen Behörden tätig waren. Das sollte ein klares Signal sein. Dabei ging und geht es mir - bei aller Kritik an der russischen Politik - immer um eine Verständigung.
SPIEGEL ONLINE: Am 10. Mai hatte Kanzlerin Angela Merkel in Moskau die Annexion der Krim nicht nur als völkerrechtswidrig, sondern erstmals auch als "verbrecherisch" bezeichnet. Ist das vielleicht der Grund für eine Retourkutsche?
Wellmann: Darüber wird jetzt bei uns spekuliert.
SPIEGEL ONLINE: Angeblich gibt es ja auch eine russische Sanktionsliste gegen deutsche Politiker - als Reaktion auf die EU-Einreisesperren. Im vergangenen Herbst durfte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms nicht nach Russland, in diesem Frühjahr bekam der Projektleiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Estland eine Einreisesperre bis 2020. Was kann die deutsche Seite dagegen tun?
Wellmann: Wenig. Der deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, hat mir erklärt, Deutschland wolle sich um Offenlegung einer mutmaßlichen Geheim-Liste bemühen, damit die betreffenden Personen wenigstens vorgewarnt sind und nicht erst auf dem Flughafen von der Einreisesperre erfahren.
Das Interview führte Severin Weiland
Zusammenfassung: Dem CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann wurde über Pfingsten die Einreise nach Russland verwehrt. Er ist ein Kritiker der Politik von Präsident Wladimir Putin. Wellmann sieht in der Maßnahme ein Signal, das die Große Koalition treffen soll. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer sagte unterdessen eine Reise nach Moskau ab.