Münchner Terror-Prozess Neonazis wollten "Demokratie aus den Angeln heben"

Ein Jahr nach dem vereitelten Bombenanschlag auf das Jüdische Zentrum in München müssen sich fünf Neonazis vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht verantworten. Am ersten Verhandlungstag schilderte eine Angeklagte den Alltag der Neonazi-Zelle: Bewaffnete Wehrübungen und Diskussionen über den Aufbau eines neuen "NS-Staates".

München - Die drei Frauen und zwei Männer der "Kameradschaft Süd" sind wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe beziehungsweise deren Unterstützung angeklagt. Die Angeklagten kündigten zu Prozessbeginn an, über die rechtsextremistische Vereinigung aussagen zu wollen. Allerdings beantragten die Anwälte zweier Beschuldigter, die zur Tatzeit minderjährig waren, einen Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Bernd Steudl, warf den Angeklagten im Alter zwischen 18 und 38 Jahren neben der Unterstützung der terroristischen Vereinigung Verstöße gegen das Waffengesetz sowie illegale Sprengstoffbeschaffung vor.

Vier der fünf Angeklagten gehörten laut Steudl zum "Schutzgruppe" genannten Führungszirkel um den Neonazi Martin Wiese. Steudl warf ihnen vor, von Wiese in die Anschlagspläne auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums am 9. November 2003 eingeweiht worden zu sein. Sie seien damit einverstanden gewesen, dass dabei auch Menschen getötet werden. Als die Polizei den Neonazis wegen einer anderen Sache auf die Spur kam, habe Wiese stattdessen ein Attentat auf dem Marienplatz geplant.

Der Prozess gegen Wiese, der als Kopf des "Aktionsbüros Süd" gilt, sowie gegen weitere Rechtsextremisten wurde von dem Verfahren abgetrennt und soll frühestens im November beginnen, da die Anklage noch nicht zugelassen ist. Ihnen wirft die Bundesanwaltschaft vor, mittels Terrorakten die Errichtung einer nationalsozialistischen Diktatur angestrebt zu haben.

Ausstieg hätte ernsthafte Konsequenzen nach sich gezogen

Als erste der Angeklagten sagte zu Prozessbeginn die 22-jährige Jessica F. aus. Die Auszubildende bestätigte, dass Wiese Hauptdrahtzieher der Gruppe gewesen sei. "Es war definitives Ziel von Wiese, die bestehende Demokratie aus den Angeln zu heben", betonte sie. "Wiese war dem nationalsozialistischen Staat wohlgesonnen und wollte das Ganze eins zu eins übernehmen", erklärte die 22-Jährige. Sie gab zu, dabei den "Frauenbund" geleitet und sich um die Nachwuchsarbeit gekümmert zu haben. Außerdem beschrieb sie, wie sich die "Schutzgruppe" am Wochenende regelmäßig in Tarnkleidern in Wäldern bei München zu paramilitärischen Übungen getroffen habe. Sie sei dabei erst ins Zögern geraten, als Wiese dabei scharfe Waffen statt der üblichen Luftpistolen einsetzen wollte.

Dennoch habe sie nicht ans Aussteigen gedacht. Dies wäre "hochgradiger Verrat" gewesen, sagte die Angeklagte. Zudem habe Wiese mit "ernsthaften Konsequenzen gedroht". Auch habe der Rechtsextremist mit angeblichen Kontakten zur Polizei geprahlt, mit denen er von Verrätern erfahren hätte. Wiese habe geplant sein Aktionsbüro auf ganz Deutschland und Österreich auszuweiten.

Nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft soll die 18 Jahre alte Monika S. als Angestellte der Postbank im Dienst Adressen ausgespäht haben. Der 19-jährige Thomas S. habe den SPD-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Franz Maget, beobachtet. Die 19 Jahre alte Ramona S. habe zudem mit Wiese und anderen Sprengstoff besorgt. Dabei habe ihnen der fünfte Angeklagte geholfen, der 38-jährige Arbeitslose Andreas J.

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