Münteferings Abschied "Ich möchte bei meiner Frau sein"
Berlin - Blitzlichtgewitter begleitet den noch amtierenden Minister in den blau gestrichenen Saal der Bundespressekonferenz. Wie schaut er? Wie geht er? Gebeugt? Geknickt?
Nichts von alledem. Gewohnt souverän betritt er den Raum, wirft seinen roten Schal achtlos auf das Pult, nimmt dahinter Platz - nachdem er den Fotografen ausreichend Gelegenheit für ihren Job gegeben hat. Er richtet das gefüllte Wasserglas, immer wieder ein kleiner Anflug eines Lächelns um seine Mundwinkel.
"Ich hab was Neues", scherzt er nach den einleitenden Worten der Vorsitzenden der Bundespressekonferenz. Sie hatte ihn mit den Worten angekündigt: "Herr Müntefering ist zum Thema Aktuelles gekommen." Er ist sehr ruhig und überlegt - und wirkt nicht, als wäre sein Rücktritt ein Schnellschuss nach unbefriedigenden Verhandlungen der Koalitionsspitze in der vergangenen Nacht.
Viel Wert legt er darauf, dass es keinen politischen Grund für seinen Rücktritt gebe. "Ich habe mich entschieden, in der nächsten Woche aus dem Kabinett auszuscheiden." Wahrscheinlich werde das am 21. November sein, konkretisierte er. "Der Grund dafür ist rein familiär und persönlich. Man spricht nicht gerne darüber." Seine Frau sei in den letzten Wochen "erheblich erkrankt". Sie habe fünf Operationen seit 2001 über sich ergehen lassen müssen. "Es wird eine lange Phase der Reha geben, und ich möchte dabei sein." Es lasse sich nicht vereinbaren, gleichzeitig bei seiner Frau Ankepetra zu sein und ein Ministerium zu leiten. Ersteres sei jetzt seine wichtigste Aufgabe. Es sei eine schnelle Entscheidung aufgrund der "neuen, dramatischen Situation" seiner Frau gewesen.
Mehrfach setzt er an, um den privaten Beweggrund in den Vordergrund zu stellen. "Ich weiß natürlich, dass viele das politisch motiviert sehen. Es hat oft genug Streit gegeben in meiner politischen Vergangenheit, ich habe das immer ausgestanden und könnte das auch heute ausstehen. Aber ich bitte darum, zu akzeptieren, dass es wirklich private Gründe sind." Es müsse möglich sein, die Prioritäten auch auf andere Bereiche zu lenken. Vor allem in einem bestimmten Alter. Er schaut dabei offen und gefasst in die Runde. "Ich würde mich sehr freuen, wenn viele dies akzeptierten."
Das Ende seiner politischen Arbeit sei nicht gekommen, sagt er. "Jedenfalls, müde bin ich nicht ... Als Sozialdemokrat bleibe ich unterwegs." Müntefering hob hervor, dass er Abgeordneter im Bundestag bleibe. "Das ist kein Abschied und schon gar kein Ausstieg." Er hoffe, dass er im Laufe des Jahres 2008 wieder mehr Zeit haben werde, sich politisch einzuschalten.
Und trotzdem klingt die Rede wie ein Abschied, wie ein Resümee. Zum Beispiel wenn er sagt, seine Arbeit als Minister habe er nie bereut. "Ich würde es wieder tun, hat Spaß gemacht." Zum Beispiel, wenn er den Journalisten versichert, dass er im Großen und Ganzen mit deren Arbeit zufrieden gewesen sei. Nur manchmal habe er sich gewundert, was die so alles an Strategie in ihn hineininterpretiert hätten, sagt er und schmunzelt mit lässig auf dem Pult abgestützten Unterarmen.
Seinen designierten Nachfolger Olaf Scholz lobt Müntefering als würdig. Er sei "sehr dicht dran" am Thema Arbeit und Soziales. Auch die Entscheidung, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier Vizekanzler werden soll, sei gut. Die Entscheidungen hätten in den Händen von SPD-Chef Kurt Beck gelegen.
Ganz genau listet er vor den Journalisten auf, dass die Entscheidung für das Private am Sonntag gefallen ist. Noch am selben Tag habe er bereits seinen langjährigen Berater und Staatssekretär Kajo Wasserhövel informiert. Außerdem habe er gestern noch mit Parteichef Kurt Beck und abends mit SPD-Fraktionschef Peter Struck gesprochen. Heute morgen informierte er dann Finanzminister Peer Steinbrück und Außenminister Frank-Walter Steinmeier - und gegen 10 Uhr habe er Bundeskanzlerin Angela Merkel angerufen.