Muslime und die CDU Rechter Unionsflügel verschreckt die Deutsch-Türken
Berlin - Eigentlich ist die CDU die perfekte Partei für türkischstämmige Deutsche. Familie, Religion und Tradition nämlich stehen bei diesem Teil der deutschen Gesellschaft besonders hoch im Kurs - und damit just jene Werte, die im Parteinspektrum der Republik vor allem von der CDU hochgehalten werden. Trotzdem wählen nur rund 15 Prozent der türkischstämmigen Bevölkerung die Konservativen, haben Wählerbefragungen ergeben.
"Die CDU schöpft ihr Potenzial nicht aus", sagt Dirk Halm vom Essener Zentrum für Türkeistudien. Äußerungen wie die des CDU-Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche tragen zweifellos dazu bei. "Eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als dass er bei der Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf dem Wahlzettel macht", hatte der Sachse der Unternehmerzeitschrift DS-Magazin kürzlich gesagt und außerdem erklärt, es sei "vergebliche Liebesmüh", um die Wählerstimmen von eingebürgerten Türken zu buhlen. Eine "self-fulfilling prophecy" sei das, findet Halm. Auf diese Weise stelle die CDU sich selbst ein Bein.
Grüne vor der CDU
Dabei gibt sich die Partei auf der anderen Seite durchaus große Mühe, türkischstämmige Anhänger für die CDU zu gewinnen. Ein "Deutsch-Türkisches Forum" hat die Union bereits eingerichtet. Dort arbeitet man derzeit an "Handlungsstrategien für eine erfolgreiche Ansprache von Türken" im Vorfeld der nordrhein-westfälischen Kommunalwahl im folgenden Jahr.
Aufzuholen gibt es für die Union in der Tat eine Menge. Nach einer Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien aus dem vergangenen Jahr liegen SPD (60 Prozent) und Grüne (17 Prozent) in der Wählergunst deutlich vor der Union (12 Prozent).
Diese eindeutigen Ergebnisse kommen nicht von ungefähr. Es gibt drei große Themen, die das Wahlverhalten der türkischstämmigen Deutschen beeinflussen, hat die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung ermittelt: Verhinderung von Diskriminierung, EU-Beitritt der Türkei und Kampf gegen Rechtsradikalismus. Auf keinem dieser Politikfelder wird der CDU besondere Kompetenz beigemessen.
Kein Wunder angesichts der islamophoben Äußerungen Nitzsches, der in der Partei weit verbreitenden Ablehnung gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei und ausländerfeindlichen Statements a la Hohmann. Dass außerdem gerade die deutschen Konservativen sehr verhalten reagierten, als die konservative türkische Regierungspartei AK-Partisi den Antrag stellte, in die Europäische Volkspartei, einen konservativen Parteienblock, aufgenommen zu werden, wurde ebenfalls registriert. Es ist vor allem der nationale, rechte Flügel, nicht das große C im Parteinamen, der die Deutsch-Türken abschreckt.
Türkischstämmige haben konservative Grundeinstellung
So kommt nicht zusammen, was grundsätzlich zueinander passt: Die prinzipiell durchaus CDU-kompatible "konservative Grundeinstellung" der Türkischstämmigen, hat Ulrich Wilamowitz-Moellendorff von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgefunden, lässt sich nur schwer in Unions-Stimmen übersetzen. Oder positiv gewendet: "Das Wählerpotenzial der CDU ist eigentlich viel größer." Der türkische Mittelstand in Deutschland beispielsweise könnte für die CDU durchaus interessant sein.
Eine Hoffnung bleibt der CDU allerdings, sich irgendwann einmal aus ihrem Umfragetief unter den Türkischstämmigen zu befreien: Die Experten sind sich einig, dass das Wahlverhalten der hier lebenden türkischstämmigen Muslime sich mit steigender Verweildauer immer mehr an jenes der übrigen Bevölkerung angleicht.