Nach Boston-Anschlag Friedrich will Videoüberwachung ausweiten

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: "Videoüberwachung stärken"
Foto: Kay Nietfeld/ dpaBerlin - Die ersten Bilder, die sich die Polizei von den Marathon-Attentätern in Boston machen konnte, stammten von einer Überwachungskamera. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nahm das zum Anlass, sich für mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen in Deutschland auszusprechen. "Die Ereignisse in Boston zeigen erneut, wie wichtig die Überwachung des öffentlichen Raums durch Videokameras für die Aufklärung schwerster Straftaten ist. Deshalb arbeiten wir zum Beispiel mit der Bahn daran, die Videoüberwachung an den Bahnhöfen zu stärken", sagte der CSU-Politiker der Zeitung "Bild am Sonntag".
Scharfe Kritik an der Forderung äußerte der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz: "Die Union versucht einfach nur ihre Agenda durchzudrücken", sagte er SPIEGEL ONLINE. Von Notz wies darauf hin, dass die Polizei schon heute anlassbezogen Videoüberwachung bei Großereignissen wie einem Marathon einsetzen kann. Eine ständige Überwachung könne von der Polizei aufgrund von Personalknappheit gar nicht ausgewertet werden. "Die teure und naive Technikgläubigkeit des Innenministers führt nicht zu mehr Sicherheit, sie beendet allenfalls die Anonymität und Unbefangenheit der Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum", so von Notz.
Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die eine flächendeckende Videoüberwachung ablehnt. GdP-Chef Bernhard Witthaut verwies im "Focus" auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Karlsruhe hat abschließend entschieden, dass eine Videoüberwachung nur an gefährlichen Orten erlaubt ist." Gleichwohl könnten bei großen Veranstaltungen - etwa Marathonläufen in Berlin, Hamburg oder München - sensible Abschnitte wie Start und Ziel besonders überwacht werden.
"Abstrakte Bedrohung für weiche Ziele"
Vorsichtig distanziert sich auch die stellvertretende Vorsitzende und innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, von Friedrich. "Vorschnelle Forderungen" nach mehr Videoüberwachung seien "nicht hilfreich", sagte Piltz. "Wir sollten nicht versuchen, politisches Kapital aus diesem schrecklichen Vorfall in den USA zu ziehen."
Friedrich gab zu, dass es hundertprozentige Sicherheit für öffentliche Veranstaltungen nicht geben könne: "Wir haben seit Jahren eine abstrakte Bedrohung für sogenannte weiche Ziele, also Veranstaltungen und Ereignisse, bei denen viele Menschen zusammenkommen. Eine absolute Sicherheitsgarantie kann niemand geben." Eine konkrete Bedrohung für Deutschland gebe es aber nicht.
Die Unions-Innenminister in den Bundesländern zeigten sich dagegen mit Friedrich solidarisch: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, er wolle sich weiter "für einen maßvollen Ausbau" der Kamerapräsenz einsetzen - besonders an Plätzen mit hoher Kriminalität sowie gefährdeten Einrichtungen. "Videoaufnahmen sind nicht nur bei Terrorakten ein gutes Mittel", pflichtete Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) in der Tagezeitung "Welt" bei. Sie schrecke auch ab und helfe der Polizei, "möglichst früh Verbrechen zu erkennen".
Für den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, zeigen die Anschlagsversuche in Köln 2006 und Bonn 2012 sowie der nun gelungene Angriff in Boston, "welche große Bedeutung eine Videoüberwachung bei potentiellen Anschlagsgefahren haben kann". Sie könne "abschreckend wirken und auch entscheidend bei der Aufklärung von Straftaten helfen", sagte er dem Magazin "Focus".