Nach verheerenden Umfragen
SPD will sich wieder um die kleinen Leute kümmern
Unter führenden Sozialdemokraten ist ein Richtungsstreit entbrannt. Harald Schartau, SPD-Chef von Nordrhein-Westfalen, warnt die Bundesregierung vor einem zu hohen Reformtempo. Niedersachsens SPD-Fraktionsvorsitzender Sigmar Gabriel fordert seine Partei auf, künftig mehr Rücksicht auf sozial Schwache zu nehmen.
Düsseldorf/Hamburg - Auch der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl im Saarland, Heiko Maas, übte offen Kritik: "Wir haben das Vertrauen unserer Stammwähler verloren". "Wir dürfen bei den Reformen nicht immer nur Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger belasten", sagte er der "Berliner Zeitung".
"Es muss vorwärts gehen. Aber die Bevölkerung muss die Chance haben, die Richtung zu begreifen", sagte Schartau dem "Handelsblatt". "Die Schlagzahl ist zu hoch. Das ist kontraproduktiv." Zugleich bemängelte das SPD-Präsidiumsmitglied, das Thema Gerechtigkeit sei "noch nicht bearbeitet" worden - und das, obwohl Gerechtigkeit als Leitbild vom SPD-Bundesparteitag im November verabschiedet worden sei.
"Von Reformstopp kann keine Rede sein. Reformen dürfen und müssen aber nicht heißen, den Menschen immer in die Tasche zu greifen", schrieb der frühere Ministerpräsident in der "Bild"-Zeitung. Gabriel riet seiner Partei, bei künftigen Reformen mehr Rücksicht auf sozial Schwache zu nehmen.
Das SPD-Bundesvorstandsmitglied räumte ein, dass die Einschnitte im Sozialbereich zum Umfragetief der Partei beigetragen haben: "Nicht alles, was in der SPD in diesen Monaten geplant und erwogen wurde, war realistisch." Eine Trendwende sei jedoch möglich, "indem wir Kurs halten und Kinder und Familie, Bildung, Forschung und Technologie in den Mittelpunkt stellen. Und vor allem: Indem wir bei allen Veränderungen im Jahr 2004 an die kleinen Leute denken."
Gabriel schrieb, nie zuvor sei die Bereitschaft, SPD zu wählen geringer gewesen. "Viele reden nun von Personen - im Kabinett, in der Partei. Wer muss weg, wer muss kommen? Aber die SPD braucht jetzt nichts weniger als eine Personaldebatte."
Nach einer heute vorab veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins "Stern" würde die SPD bei einer Bundestagswahl derzeit nur 24 Prozent erhalten. Die Union führt deutlich mit 49 Prozent, die Grünen liegen bei zehn Prozent, gefolgt von der FDP mit acht Prozent. Ein Einzug der PDS in den Bundestag wäre mit dem Umfrage-Ergebnis von fünf Prozent unsicher. Für die Umfrage wurden in der letzten Januarwoche über 2500 Bürger befragt.
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