Kurt Biedenkopf, 91

Jakob Schnetz & Janek Stroisch
* 28.01.1930
† 12.08.2021
Es gibt diesen vielsagenden Eintrag im Tagebuch von Kurt Biedenkopf vom August 1990. Als er verbotenerweise hinter dem Gewandhaus in Leipzig parkt, der Pförtner verärgert angerannt kommt und dann nur verblüfft stammelt: »Ei verbibsch! Der neie sächs'sche Kenich.« Die untertänige Ansprache fand der kleine Intellektuelle keineswegs unpassend. Sein einziger Kommentar: »Seitdem ist mir dies schon oft widerfahren.« Biedenkopf und Sachsen – das war für beide Seiten eine Chance. Im Westen war der Politiker Biedenkopf mehrfach gescheitert, hatte sich mit Helmut Kohl überworfen und war in die Wissenschaft geflüchtet. Erst die Deutsche Einheit öffnete ihm den letzten Karriereschritt zum Ministerpräsidenten. Ausgerechnet in Sachsen, wo 1900 sein Vater zur Welt kam. Er traf auf ein mit der Wende überfordertes Land und regierte mit Sachverstand durch. Biedenkopf hielt die Finanzen zusammen, förderte Zukunftsbranchen und die Forschung, legte sich zum Wohl der Sachsen mit EU und Kanzler an. Der Freistaat wurde zum ostdeutschen Vorzeigeland. Und die sächsische CDU erzielte überragende Wahlergebnisse: bis zu 58,1 Prozent. Das Ende war wenig ruhmreich. Im Nachgang zahlreicher Affären wurde Biedenkopf 2002 von der eigenen Partei nach fast zwölf Jahren zum Rücktritt gedrängt. »König Kurt« ruht in sächsischer Erde auf dem Dresdner Johannisfriedhof.