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Mögliche Wulff-Nachfolger: Die Schloss-Anwärter

Foto: Jens Büttner/ dpa

Nächster Bundespräsident Merkels heikle Mission Blitzkür

Schwarz-Gelb drückt bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten aufs Tempo, doch die Kandidatenkür stockt: Zwei Top-Anwärter haben bereits abgesagt, und die Opposition stellt Bedingungen. Im Gespräch ist nun der frühere Bischof Huber.

Berlin - Die kommende Woche ist das Fest der Narren. Rosenmontag, Faschingsdienstag, Aschermittwoch. Und gleich zu Beginn findet in der Euro-Krise noch ein wichtiges Treffen der Finanzminister zu Griechenland statt. Keine gute Woche, um weiter über einen Nachfolger im höchsten Staatsamt zu räsonieren und neue Namen durch die Medien zu jagen. "Es bleibt unser Ziel, wenn möglich, am Sonntag zum Abschluss zu kommen", heißt es denn auch aus der Koalition.

Und so wird nicht ausgeschlossen, dass es am Sonntagabend zu einem Treffen Angela Merkels mit den Parteichefs und womöglich auch den Fraktionsvorsitzenden der fünf Parteien im Kanzleramt kommt. Eine Hängepartie um die Nachfolge im höchsten Staatsamt soll nach dem Rücktritt von Christian Wulff vermieden werden. So lautet der Plan in der CDU/CSU/FDP-Koalition. Und so will es offenkundig auch die Opposition aus SPD und Grünen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten "stilbildend".

Diesmal soll alles anders sein als im Sommer 2010, als Angela Merkel keinen gemeinsamen Kandidaten wollte und das Angebot der SPD und Grünen, Joachim Gauck zu wählen, ablehnte. Diesmal hat die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende den beiden Oppositionsparteien versprochen, einen gemeinsamen Kandidaten zu suchen und der Bundesversammlung vorzuschlagen. Zwar gab es manches parteipolitisches Geplänkel - aber in der Sache sind beide Seiten bemüht voranzukommen.

Voßkuhle will nicht

Zwei Namen allerdings schieden schon im Verlaufe des Samstags aus: Andreas Voßkuhle, Verfassungsgerichtspräsident, sagte ab. Und ebenso tat es Bundestagspräsident Norbert Lammert. Somit blieb auf der Liste der Koalition vor allem ein Name: der von Wolfgang Huber. Läuft es also am Ende auf den früheren Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und einstigen Bischofs der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und schlesische Oberlausitz zu? Es gebe auch noch weitere Namen, wurde in Koalitionskreisen am Samstag gestreut. Also doch noch ein weiterer Überraschungsname? Oder bloße Taktik, um abzulenken? Auf einer CSU-Präsidiumssitzung in München fiel am Samstag neben Huber auch der Name von Petra Roth, langjährige und über die Parteigrenzen anerkannte CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main. Sie will im Juli aus ihrem Amt ausscheiden.

Klar ist: Die Sache ist noch längst nicht ausgestanden. Doch der Kreis der möglichen Kandidaten hat sich in den vergangenen 48 Stunden rasch gelichtet, nachdem SPD und Grüne - die Kanzlerin ließ die Linkspartei bei der Suche außen vor - klar gemacht hatten, keinen aktiven Minister aus dem Kabinett wählen zu wollen. Und auch die FDP hatte sich gegen CDU-Mann Klaus Töpfer ausgesprochen. Der einstige Bundesumweltminister gilt den Liberalen als Signal für Schwarz-Grün.

So schien zunächst der 48-jährige Jurist Voßkuhle für manche in der Koalition der geeignete überparteiliche Kandidat: jung, eloquent - vor allem aber ein Mann, den Rot-Grün hätte mittragen können. Schließlich war er, ohne parteilich gebunden zu sein, auf Vorschlag der SPD auch mit den Stimmen von Union und FDP ins höchste Richteramt gewählt worden. Doch Voßkuhle, einer breiten Öffentlichkeit unbekannt, brachte sich am Samstagnachmittag aus dem Spiel. Stunden später wurde dann in Koalitionskreisen bestätigt: Auch Norbert Lammert, dessen Name zuvor in der Koalition genannt worden war, stehe nicht zur Verfügung.

Schon zuvor war spekuliert worden, ob der Christdemokrat im eigenen Lager überhaupt genügend Unterstützung finden würde. Denn Lammert hat sich in der Euro-Krise wiederholt kritisch über den Kurs der Kanzlerin geäußert, manche halten ihn auch für zu eitel und selbstgefällig. Wenngleich er wegen der Stärkung der Parlamentsrechte bei den Eurohilfen durchaus auch über die Parteigrenzen hinweg Anerkennung findet. Der Christdemokrat wäre wohl ein zu starkes Gegengewicht zu Merkel im Schloss Bellevue - ein politischer Präsident mit ausgeprägten eigenen Vorstellungen, zudem ein Mann, der das Wort führen kann. Doch auch bei der Opposition schien Lammert am Ende nicht auf Gegenliebe zu stoßen - und zwar aus prinzipiellen Erwägungen. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel erklärte am Samstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, dem Grünen-Parteichef Cem Özdemir und der Fraktionsvorsitzenden Renate Künast, der Kandidat sollte kein aktives Kabinettsmitglied und "nach Möglichkeit" auch kein "aktives Mitglied einer Partei" sein.

Hubers Vorteil und Nachteil

Kommt am Ende also ein Theologe ins Schloss Bellevue? Der streitbare Christ Huber hat zumindest einen Vorteil - er könnte auch für Schwarz-Gelb in der Bundesversammlung wählbar sein. Ihm wird zwar eine Nähe zur SPD unterstellt, aber er liegt auf vielen Gebieten nicht mit der Partei - und den Grünen - auf einer Linie. Im Streit um den Religionsunterricht an Berliner Schulen hatte er sich an der Seite der CDU dafür eingesetzt, dass neben Ethik auch Religion als Wahlpflichtfach angeboten werden sollte - ein Vorstoß, der bei einer Volksabstimmung durchfiel. Die damalige rot-rote Koalition und auch die Grünen in der Hauptstadt hatten sich gegen Huber und Co. gestellt. Wiederholt hat sich Huber auch kritisch in den christlich-islamischen Dialog eingeschaltet und vor einem "Kuscheldialog" gewarnt. Dass er reden kann, hat er hinlänglich bewiesen, seine Predigten genossen Kultcharakter. Sein Nachteil, finden manche bei Schwarz-Gelb, ist seine Schwäche in den aktuellen Krisenthemen Wirtschaft und Finanzen.

Doch ist das ein Hinderungsgrund? Ein Bundespräsident muss Generalist im besten Sinne sein - Huber, der sich derzeit auf einem Forschungsaufenthalt in Südafrika befindet, wäre das allemal.

Wie im Übrigen auch Joachim Gauck, den SPD-Chef Gabriel am Samstag als "unseren Favoriten" vorstellte. Doch Rot-Grün weiß, dass der frühere Kandidat für das höchste Amt im schwarz-gelben Lager auf Vorbehalte stoßen wird. Gauck wäre der Beweis, dass sich Merkel vor 19 Monaten geirrt hat, als sie Wulff durchsetzte. Kaum jemand glaubt daher, dass Angela Merkel im Falle Gauck handelt wie einst nach dem Atomunfall in Fukushima. Damals schmiss sie entschlossen ihr Energiekonzept um und schwor Schwarz-Gelb auf den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Eine solche Volte im Fall Gauck, heißt es in der Koalition, könne man sich nur schwerlich vorstellen.

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