Reaktionen auf Wahlkampfpläne Scholz stärkt Faeser den Rücken

Nancy Faeser will in Hessen Ministerpräsidentin werden – sich aber auch ihr Amt als Bundesinnenministerin offenhalten. Die Ankündigung sorgt für viel Kritik, der Bundeskanzler springt ihr zur Seite.
Bundesinnenministerin – und baldige SPD-Wahlkämpferin – Nancy Faeser

Bundesinnenministerin – und baldige SPD-Wahlkämpferin – Nancy Faeser

Foto: MICHELE TANTUSSI / REUTERS

Im Oktober wählt Hessen einen neuen Landtag – und Bundesinnenministerin Nancy Faeser will die SPD als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf führen. »Ich werde kandidieren«, sagte sie im SPIEGEL-Gespräch. Faeser beabsichtigt, zweigleisig zu fahren: Das Ministerinnenamt führt sie parallel zum Wahlkampf weiter. Falls sie Ministerpräsidentin wird, will sie es abgeben. Im Falle einer Wahlniederlage in Hessen wolle sie hingegen im Bundeskabinett bleiben. (Lesen Sie hier das ganze Interview. )

Die Ankündigung sorgte für größtenteils kritische Reaktionen in Berlin und Hessen. Bundeskanzler Olaf Scholz nahm sie in Schutz: Faeser werde ihr Ministeramt trotz ihrer Entscheidung für die Spitzenkandidatur der Hessen-SPD mit voller Kraft ausfüllen, sagte Scholz bei einem Bürgerdialog im hessischen Marburg. »Nancy Faeser, von der ich weiß, dass das eine sehr, sehr pflichtbewusste Frau ist, wird jeden Tag alles tun für die Aufgabe, die sie hat«, sagte Scholz.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, kritisiert die Pläne scharf. »In solchen Zeiten darf man politisch nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen«, sagte er der Nachrichtenseite »t-online«. Es gebe zahlreiche drängende innenpolitische Gesetzesvorhaben, sagte der für Innenpolitik zuständige Politiker. Diese dürfen nicht weiter verzögert werden. »Die sich nun abzeichnende monatelange Doppelbelastung darf keinesfalls zulasten der inneren Sicherheit des Landes gehen«, so von Notz.

»Dieses Amt ist nicht dazu gedacht, es als Wahlkampfplattform zu missbrauchen«

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), attestierte Faeser, Karrierewünsche über ihre politische Verantwortung zu setzen. »Faeser wird jetzt für Monate Wahlkampf in Hessen betreiben und das Innenministerium in einer der schwierigsten Zeiten als Nebenjob führen.«

Die Partei- und Fraktionschefin der Bundes-AfD, Alice Weidel, forderte den sofortigen Rücktritt von Faeser: »Dieses Amt ist nicht dazu gedacht, es als Wahlkampfplattform zu missbrauchen.«

Auch aus Wiesbaden hagelt es Kritik. »Ich hoffe im Sinne unseres Landes, dass die Arbeit im Bundesinnenministerium nicht leidet und wichtige Entscheidungen nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden«, sagte der Generalsekretär der hessischen CDU, Manfred Pentz. »Die Menschen werden natürlich sehr genau darauf achten, dass das Amt nicht für Wahlkampfzwecke missbraucht wird.«

Ob Faeser gleichzeitig der großen Verantwortung als Innenministerin im Bund und Spitzenkandidatin der SPD in Hessen gerecht werden kann, werde die Zukunft zeigen, erklärte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. »Ganz offensichtlich glaubt sie aber selbst nicht richtig daran, mit der SPD die nächste Wahl zu gewinnen. Sonst würde sie jetzt nicht versuchen, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, sondern sich mit ganzer Kraft um Hessen kümmern.«

»Das Amt der Bundesinnenministerin ist kein Teilzeitjob«, betonte Linken-Landeschef Jakob Migenda. Faeser sollte entweder das Amt zur Verfügung stellen oder auf die Spitzenkandidatur in Hessen verzichten. »Von Berlin aus sind die Nöte und Probleme der Hessinnen und Hessen zu weit weg.«

»Jeder weiß, dass Nancy Faeser und Hessen zusammengehören«

Auch die Gewerkschaft der Polizei sieht den Plan von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Ministerpräsidentin in Hessen zu werden, skeptisch. »Wir haben wegen des Ukrainekrieges und der Migration eine politisch sehr schwierige Situation«, sagte Andreas Roßkopf, bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuständig für die Bundespolizei, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Und es ist eine spannende Frage, ob Frau Faeser ihr Amt als Spitzenkandidatin noch so ausfüllen kann, wie man es von einer Innenministerin erwartet.«

Rückendeckung gab es, wenig überraschend, allein von Genossinnen und Genossen der SPD. »Sie ist heute bereits Hessens mit Abstand bekanntestes Gesicht, und es ist folgerichtig, dass sie als Ministerpräsidentin für ihre hessische Heimat kandidiert«, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu n-tv. »Jeder, der sich mit ihr einmal über hessische Kultur oder auch nur über Eintracht Frankfurt unterhalten hat, weiß, dass Nancy Faeser und Hessen zusammengehören.« Auch der hessische Fraktionschef Günter Rudolph bezeichnete Faeser als »die Richtige für einen Wahlerfolg der SPD in Hessen«.

In Hessen sind die Sozialdemokraten seit 1999 in der Opposition. Die Christdemokraten gehen mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Boris Rhein ins Rennen. Für die seit 2014 mitregierenden Grünen kandidiert Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.

mrc/hba/dpa
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