"Säbelrassel"-Aussage zur Nato Warum Steinmeier irritiert

Putin und Steinmeier im März 2016 im Kreml
Foto: Kirill Kudryavtsev / Pool/ picture alliance / dpaEs ist vor allem ein Satz des deutschen Außenministers, der in Berlin, in Washington, Paris, London Irritationen und in Moskau große Aufmerksamkeit auslöst. "Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anheizen", hat sich Frank-Walter Steinmeier in der "Bild am Sonntag" zitieren lassen.
Seitdem muss er sich erklären. Am Montagmorgen, vor dem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg, verteidigt Steinmeier sein Konzept der zwei Säulen, er spricht von Abschreckung und Dialog. Im Augenblick scheine es so zu sein, "als würden wir diese zweite Säule völlig vergessen". Die Nato könne sich nicht allein auf militärische Stärke verlassen, sondern sollte versuchen, bestehende Konflikte zu entspannen.
Bundespräsident Joachim Gauck, in Rumänien unterwegs, wird in Bukarest gefragt, ob Steinmeier die Nato-Mitgliedschaft der östlichen Länder infrage stellen wolle. Das Staatsoberhaupt wiegelt ab: Deutschland stehe zu seinen Verpflichtungen.
Steinmeiers Sätze werfen Fragen auf. In Berlin muss Außenamtssprecher Martin Schäfer in der Bundespressekonferenz ausführlich Stellung beziehen. Bereits am Wochenende haben sie im Ministerium den gesamten Text, der der Zeitung zuging, auf die Homepage gestellt. Das wirkt wie eine Vorwärtsverteidigung. "Man möge mir den Satz oder Absatz zeigen, der nicht auf der Linie der Bundesregierung wäre", sagt Schäfer. Neben ihm sitzt Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch der Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) greift ein und sagt, die Manöver der Nato seien "gut, richtig und wichtig", "maßvoll und transparent".
Gibt es da einen Dissens zwischen Kanzlerin und Außenminister? Seibert wiegelt ab, Steinmeiers Sprecher habe sich ja auch positiv zu den Nato-Manövern geäußert. "Ich habe dies verstärkt", fügt Seibert hinzu, es gebe "nicht einen Hauch" eines Unterschieds zwischen Kanzleramt und Außenministerium.
Steinmeier stellt nicht Nato-Beschluss von Wales infrage
Doch auch wenn die Regierung einen Konflikt herunterzudimmen versucht, Steinmeiers Sätze lösten scharfe Kritik beim Koalitionspartner aus. Es gibt ja nicht nur den "Säbelrassel"-Satz. Ein weiterer lautet:
"Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt. Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern."
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Nobert Röttgen (CDU), nennt die Äußerungen auf SPIEGEL ONLINE einen "ungeheuerlichen Vorwurf". In Moskau hingegen begrüßt sie der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Auswärtige Beziehungen, Alexej Puchkow: Durch den "Vorhang der Bedrohungen und der Hysterie" seien "einzelne Stimmen der Vernunft zu hören".
Zielt Steinmeiers Kritik auf das jüngst von Polen mit anderen Nato-Partnern und auch der Bundeswehr durchgeführte Großmanöver "Anakonda"? Also auf den Kern der Verteidigungsfähigkeit? Nein, sagt Schäfer, "Anakonda" sei schließlich mit Zustimmung des Amts erfolgt, auch habe es im Vorfeld Unterstützungsmaßnahmen gegeben, weil Nato-Partner auf dem Weg nach Osten Deutschland durchqueren mussten.
Steinmeier, das stellt Schäfer klar, steht zum Beschluss des Nato-Gipfels von Wales im September 2014, auf dem das Bündnis sein Sicherheitskonzept nach der Annexion der Krim durch Russland anpasste. Seitdem werden verstärkt Luftraum- und Seeüberwachung, aber eben auch Übungen in den östlichen Partnerländern durchgeführt.
Geht es Steinmeier um den Versuch, der im 20-Prozent-Tief verharrenden SPD durch ein außenpolitisches Thema Auftrieb zu geben? Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger will mehr Kooperation und weniger Konfrontation mit Moskau. "Abwegig" nennt Schäfer Interpretationen, die aus den Äußerungen "einen innenpolitischen Schlenker" ableiten.
Doch was ist es dann? Bekannt ist, dass sich Steinmeier seit Längerem sorgt, wie manche in der Nato nach der Krim-Annexion die Kalte-Krieg-Rhetorik wiederentdeckt haben. Sein Sprecher Schäfer spricht von "martialischen Namen für Manöver"; er redet von "opulenten Fotostrecken" von "Panzerparaden" im Internet, über Nato-Generäle, die in der Vergangenheit "durchaus durch markige Sprüche aufgefallen sind". Es gehe nicht um die Manöver an sich, betont er, sondern darum, dass man solche Manöver nutze, "um sie propagandistisch auszuschlachten". Das sei "nicht in unserem Interesse." Wen er genau meint, lässt er offen.
Kein Freund der drastischen Sprachbilder
Tatsächlich wurden viele Bilder und Videos (auch der Bundeswehr) über "Anakonda" (die gleichnamige Schlange aus Südamerika um- und verschlingt ihre Gegner) im Internet verbreitet, darunter auch vom Pionierbataillon 901 der Bundeswehr, das zusammen mit britischen Einheiten eine Brücke über die Weichsel schlug, von US-Soldaten, die sich lachend eine Stoffanakonda um die Hälse legten.
Steinmeier ist Diplomat, martialische Posen gehören nicht zu seinem Arsenal. Und im Falle der deutsch-russischen Beziehungen reagiert der Außenminister ohnehin besonders sensibel. Er sieht sich in einer Traditionslinie mit Kanzler Willy Brandt, der als SPD-Politiker die Ostpolitik in den Siebzierjahren voranbrachte, auch gegenüber der Sowjetunion. Wie kaum ein anderer auf der internationalen Bühne investiert Steinmeier seit mehr als zwei Jahren Zeit und Mühe, um den Krieg zwischen russischen Separatisten und Ukrainern im Osten der Ukraine zu befrieden.
Demnächst reist Steinmeier als amtierender Präsident der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in eine andere Krisenregion, in der auch Russlands Interessen berührt sind: nach Armenien, Aserbaidschan und Georgien.
Zusammengefasst: Mit seinen jüngsten Aussagen über "Säbelrasseln und Kriegsgeheul" sorgt Steinmeier für Wirbel. Als Kritik an den jüngsten Nato-Manövern will der Minister die Äußerung nicht verstanden wissen. Sein Sprecher ließ jedoch durchblicken, dass die mediale Aufbereitung der Kriegsübungen unangebracht sein könnte.
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