Deutsche Landesparlamente Was Abgeordnete nebenher verdienen

Bayerischer Landtag
Foto: imagoDie Abgeordneten in den deutschen Landtagen verdienen jedes Jahr mehrere Millionen Euro durch Nebentätigkeiten, Vorträge und Funktionen in Unternehmen und Gremien. Das hat eine Auswertung ihrer veröffentlichungspflichtigen Angaben durch den SPIEGEL ergeben. Demnach flossen in zehn Bundesländern insgesamt mehr als 17 Millionen Euro in den beiden vergangenen Jahren.
Warum sind nur zehn der 16 Bundesländer berücksichtigt? Weil es nicht in allen Ländern entsprechende Veröffentlichungspflichten gibt. Im Detail:
- Für das Jahr 2015 konnten sieben Bundesländer in der Auswertung berücksichtigt werden (Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen). Die knapp 1000 Abgeordneten nahmen zusammen mindestens 9,2 Millionen Euro neben ihrem Mandat ein.
- Für das Jahr 2016 flossen drei weitere Bundesländer in die Auswertung ein (Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und das Saarland). Die insgesamt gut 1200 Abgeordneten kamen nach vorläufigen Angaben auf mindestens acht Millionen Euro nebenher. Die Summe dürfte in den kommenden Monaten durch Nachmeldungen noch steigen.
Diese Nebeneinkünfte addieren sich zu den normalen Abgeordnetendiäten. In den Flächenländern verdienen die Parlamentarier derzeit zwischen rund 64.000 Euro (in Thüringen) und 103.000 Euro (in Nordrhein-Westfalen) brutto im Jahr.
Hinzu kommen steuerfreie Aufwandsentschädigungen für Büro-, Reise- und andere Kosten, die mit der Ausübung des Mandats zusammenhängen. In Bayern beispielsweise macht das 94.000 Euro an Diäten und gut 40.000 Euro als zusätzliche Kostenpauschale.
Während über die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten regelmäßig und bundesweit berichtet wird, gilt dies nicht für die der Landtagsabgeordneten. Mit dieser vorliegenden deutschlandweiten Zusammenschau soll deshalb mehr Transparenz und Vergleichbarkeit geschaffen werden.
Jeder vierte der berücksichtigten Landtagsabgeordneten gab für die vergangenen beiden Jahre Tätigkeiten und Funktionen an, für die er oder sie eine Bezahlung erhielt, die über der anzeigepflichtigen Grenze des jeweiligen Bundeslands lag.
Darunter sind auch prominente Landespolitiker wie FDP-Chef Christian Lindner aus Nordrhein-Westfalen oder Stanislaw Tillich, der als CDU-Abgeordneter auch seine Bezüge als sächsischer Ministerpräsident anzeigen muss.
Die Liste der Topverdiener, die Mindesteinnahmen von mehr als 100.000 Euro im Jahr angezeigt haben, wird von der Union dominiert.
Bundesweiter Spitzenreiter bei den Nebeneinkünften ist Ludwig Freiherr von Lerchenfeld, der für die CSU im Bayerischen Landtag sitzt. Der Name mag bekannt klingen, der Freiherr gehört demselben Adelsgeschlecht an wie Philipp Graf Lerchenfeld (CSU), der wiederum das Ranking der Top-Verdiener im Bundestag anführt.
Als Geschäftsführer eines Holzhandels und Sägewerks sowie Leiter einer Forstverwaltung setzte Lerchenfeld in den beiden vergangenen Jahren insgesamt mindestens 1,8 Millionen Euro um, zusätzlich zu seinen Abgeordnetendiäten aus dem Landtag. Wie bei vielen der Top-Verdiener ist zu beachten: Hat ein Abgeordneter einen eigenen Betrieb, sind in der Regel dessen Umsätze anzeigepflichtig, von denen also noch Kosten abgehen.
In den Landesparlamenten sitzen aktive Landwirte, Rechtsanwälte, Hotelbetreiber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen. All das ist völlig rechtens: Solange sie alles unter einen Hut bekommen, dürfen Abgeordnete auch anderen Tätigkeiten nachgehen. Viele von ihnen sagen: Reine Berufspolitiker gebe es schon genug in den Parlamenten, die Perspektive aus einem aktiven Berufsleben hingegen bereichere die Landtage. Bei politischen Entscheidungen schauten sie ausschließlich auf das Allgemeinwohl, mögliche andere Interessen stünden hintenan.

Ludwig Freiherr von Lerchenfeld (CSU)
Foto: Jürgen KaiserMartin Reyher, Redaktionsleiter der Organisation abgeordnetenwatch.de , teilt diese Einschätzung nicht. Er befürchtet zum einen Interessenkonflikte: "In den Landwirtschaftsausschüssen sitzen beispielsweise häufig Lobbyisten von Agrarverbänden. Würden die sich jedes Mal für befangen erklären, wenn es um die Interessen der eigenen Verbände geht, könnten sie an den meisten Ausschusssitzungen gar nicht aktiv teilnehmen."
Zum anderen sieht Reyher ein Zeitproblem: "Parlamentarier ist ein Fulltime-Job mit oftmals mehr als 70 Wochenstunden." Wer sein Mandat ernst nehme, dem bleibe eigentlich gar keine Zeit für eine Nebentätigkeit.
Nachgefragt beim bayerischen Landtagsabgeordneten Lerchenfeld: Wie stellt man bei Summen dieser Größenordnung sicher, dass man sich nicht von eigenen wirtschaftlichen Interessen leiten lässt? Oder dass das Mandat nicht zu kurz kommt? Lerchenfeld erklärt, er habe "organisatorische und personelle Umgestaltungen" in seinem Unternehmen vorgenommen und sehe sich "daher sehr gut aufgestellt für die Arbeit als Abgeordneter". Und weiter: Der Betrieb "garantiert mir als Abgeordnetem die notwendige Unabhängigkeit".
Föderales Wirrwarr
Die Mehrheit der Landtagsabgeordneten, drei von vier, weist keinerlei Nebenverdienste aus. Bei einem Großteil der mehr als 6000 ausgewerteten Tätigkeiten wurden keine anzeigepflichtigen Einkünfte angegeben: Es handelt sich um Ehrenämter in Vereinen und Aufsichtsräten, aber auch Parteiämter und Mitgliedschaften in Kommunalparlamenten. Mal sind sie unbezahlt, mal liegen die Einnahmen unter der Veröffentlichungsgrenze. Diese Grenze ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, was einen Vergleich erschwert.

Bayerns Ministerpräsident Seehofer, CSU-Abgeordneter Sauter
Foto: Andreas Gebert/ picture alliance / dpaBayern, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und das Saarland haben die Regelung des Bundestags übernommen. Hier müssen die Volksvertreter Einkünfte von mehr als 1000 Euro im Monat oder 10.000 Euro im Jahr anzeigen. Im direkten Vergleich hat Bayern die meisten Abgeordneten mit solchen Nebeneinkünften. Niedersachsen hat die wenigsten, fiel in der Recherche aber auch dadurch auf, dass bei einigen Abgeordneten noch Angaben für 2015 fehlten.
Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben niedrigere Grenzwerte, was sich naturgemäß auch auf den Anteil der Abgeordneten mit Nebeneinkünften auswirkt. In Rheinland-Pfalz und Brandenburg waren es knapp 40 Prozent, in Sachsen-Anhalt haben trotz der niedrigeren Schwelle nur rund 16 Prozent der Abgeordneten Nebeneinkünfte angezeigt. In Nordrhein-Westfalen sind Einnahmen neben dem Mandat sogar ab dem ersten Cent veröffentlichungspflichtig. Nicht überraschend kommt das Bundesland mit 42 Prozent auf den höchsten Anteil.
In NRW muss ein großer Teil der Einkünfte auch auf den Cent genau aufgeschlüsselt werden. Das ist einmalig in Deutschland. Alle anderen Bundesländer verwenden Einkommensstufen, denen die Parlamentarier ihre Einkünfte zuordnen müssen. Daraus ergibt sich eine gewisse Schwankungsbreite, innerhalb derer die tatsächlichen Einnahmen eines Abgeordneten liegen.
Das kann zu kuriosen Beträgen führen: Der CDU-Abgeordnete Frank Scheurell aus Sachsen-Anhalt etwa gab für sein Dachdeckungsgeschäft durchschnittliche monatliche Einnahmen an, die hochgerechnet auf das vergangene Jahr, beginnend mit dem Start der Legislaturperiode, 264.601 Euro ergeben - mindestens. Rechnet man mit dem Höchstbetrag jeder angegebenen Einkommensstufe, sind sogar bis zu 594.000 Euro möglich, also mehr als das Doppelte.
Welche Regeln gelten in den Bundesländern?
Martin Reyher von abgeordnetenwatch.de findet die Stufenmodelle per se ungeeignet: "Wer nachschauen will, wie viel sein Wahlkreisabgeordneter nebenher verdient, findet nur Angaben wie: '2016, Stufe 8'." Das helfe nicht weiter. Außerdem sind die höchsten Einkommensstufen in der Regel nach oben offen: Bei jenen Ländern, die das Modell des Bundestags übernommen haben, bedeutet das etwa, dass Einnahmen von mehr als 250.000 Euro in Stufe zehn fallen - wie weit die tatsächlichen Einnahmen darüber liegen, spielt keine Rolle.
Sechs Landtagsabgeordnete gaben in den vergangenen beiden Jahren mindestens eine Tätigkeit in der höchsten Stufe an, allesamt Unionsmänner: Der Spitzenverdiener Ludwig Freiherr von Lerchenfeld (CSU, Bayern) ist dabei, ebenso wie seine Landsleute und Parteifreunde Alfred Sauter, Harald Schwartz und Ernst Weidenbusch, sowie Ernst-Ingolf Angermann (CDU) aus Niedersachsen und Peter Strobel (CDU) aus dem Saarland.
Schwarz-Gelb aktiver als Linke und Grüne
Nicht nur unter den Top-Verdienern ist die Union stark vertreten. Auch insgesamt verdienen die Landtagsabgeordneten von CDU und CSU überdurchschnittlich oft etwas nebenher, ebenso wie FDP-Politiker. In NRW, dem Land mit den strengsten Transparenzregeln, hat sogar jeder zweite Liberale Nebeneinkünfte angegeben.
In den Ländern mit niedrigeren Grenzwerten rangiert die SPD knapp hinter Schwarz-Gelb. In den sechs Ländern mit der 10.000-Euro-Grenze hingegen haben nur 15 Prozent der Genossen Einnahmen angezeigt. Der SPD-Abgeordnete mit den höchsten Angaben für 2016 ist Norbert Römer, Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen. Er verdiente 91.507 Euro, unter anderem als Aufsichtsratsmitglied beim Bergbauunternehmen RAG und dem Chemieunternehmen Rütgers.
Parlamentarier von Grünen und Linken geben vergleichsweise selten bezahlte Nebentätigkeiten an. Der sächsische Grüne Gerd Lippold verdient als Geschäftsführer eines Chemieunternehmens mit mindestens 42.000 Euro am meisten. Bei den Linken kommen drei Landtagsabgeordnete auf 12.000 Euro Mindesteinkünfte: Ronald Hande und Jörg Kubitzki aus Thüringen, sowie Hermann Schaus aus Hessen.
Die bestbezahlten AfD-Parlamentarier sind die beiden Rechtsanwälte Thomas Jung aus Brandenburg und Stephan Brandner aus Thüringen mit jeweils mindestens 42.000 Euro im Jahr.