Neonazis in Mügeln Polizei war vor Hetzjagd auf Inder gewarnt

Die Behörden in Mügeln hatten Hinweise, dass Neonazis das Volksfest besuchen wollten. In der Nacht zu Sonntag waren acht Inder von Deutschen durch den sächsischen Ort gejagt und verprügelt worden. Bürgermeister Deuse bestreitet, dass es in dem Städtchen rechtsradikale Gruppen gibt.

Mügeln - Ob die Hetzjagd einen rechtsradikalen Hintergrund habe, das wisse er nicht, erklärte Bürgermeister Gotthard Deuse heute im TV-Sender N24. "Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Es ist noch nicht genau bekannt, wer und was hier den Anlass zu solchen Ausschreitungen gegeben hat." Über die Motive könne er keine Aussagen treffen, weil er selbst nicht auf dem Fest war.

Deuse räumte ein, dass es bereits im Vorfeld des Stadtfestes Hinweise auf Aktionen von Rechtsradikalen gegeben habe. "Es wurde angedeutet, dass es irgendwelche Probleme geben könnte. Ich habe das auch der Polizei rechtzeitig mitgeteilt. Die waren informiert, und ich denke, sie haben dann diese Sache auch ordnungsgemäß bearbeitet."

Organisierte Rechtsradikale gebe es in seiner Gemeinde nicht, sagte Deuse. "Ich muss das eigentlich verneinen. Die Kleinstadt Mügeln mit 5000 Einwohnern, wo sich eigentlich jeder kennt – es ist nicht bekannt, dass es hier rechtsextreme Gruppierungen gibt." Das Altstadtfest werde bereits seit zwölf Jahren gefeiert und es habe bislang keine ähnlichen Vorfälle gegeben. Die Polizei habe ihm heute mitgeteilt, dass alle verletzten Inder schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden seien.

Bei dem Altstadtfest in Mügeln hatten Dutzende deutsche Jugendliche acht Inder attackiert und in einer regelrechten Hetzjagd durch die Straßen getrieben. Nach einem Streit im Festzelt waren die Inder nach Polizeiangaben in eine nahe gelegene Pizzeria geflüchtet. Dorthin verfolgte sie eine Gruppe von etwa 50 zumeist jungen Deutschen. Die Angreifer traten die Tür der Gaststätte ein. Rund 70 Polizeibeamte drängten die Angreifer dann ab. Bei den handgreiflichen Auseinandersetzungen wurden acht Inder und vier Deutsche verletzt. Zahlreiche Schaulustige hatten sich den Überfall mit angesehen, ohne den Verfolgten zu helfen.

"Ein fremdenfeindliches Motiv wird nicht ausgeschlossen", sagte
Landespolizeipräsident Bernd Merbitz der Deutschen Presse-Agentur. Die Polizei ermittele aber in alle Richtungen. Die "Leipziger Volkszeitung" berichtet heute, die deutschen Angreifer hätten ausländerfeindliche Parolen gebrüllt. Einer Polizeisprecherin zufolge soll die Meute "Ausländer raus" und "hier regiert der nationale Widerstand" gerufen haben.

Wie die Polizeisprecherin weiter sagte, versucht eine neunköpfige Ermittlungsgruppe, den genauen Ablauf der Auseinandersetzung zu rekonstruieren. Bislang sei es aber wegen der vielen Beteiligten nicht gelungen, den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen. Es handle sich aber um mindestens 15 Personen. Zwei Männer im Alter von 21 und 23 Jahren seien am Sonntag vorläufig festgenommen worden. Gegen sie bestehe zwar weiter ein dringender Tatverdacht, sie befinden sich aber wieder auf freiem Fuß.

Was den Streit ausgelöst hat, ist noch offen. Bisher sei auch
noch unklar, ob die Schaulustigen zustimmend applaudiert "oder
einfach nicht eingegriffen" hätten. "Fakt ist: Der Alkohol hat um
diese Zeit eine Rolle gespielt - und außerdem war plötzlich mal was los", sagte Böttcher.

ler/kai/dpa/AFP

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