Verfassungsschutz gegen Bundesanwalt Keiner will für Ermittlungen gegen Netzpolitik.org verantwortlich sein

Der Verfassungsschutz hat die Anzeige wegen des Durchstechens geheimer Dokumente verteidigt. Die Verantwortung für die Ermittlungen liege jedoch beim Generalbundesanwalt. Dort wiederum beruft man sich auf ein Gutachten des Geheimdienstes.
Schild auf Demo gegen die Landesverrats-Ermittlungen gegen Netzpolitik.org, Berlin, 1. August

Schild auf Demo gegen die Landesverrats-Ermittlungen gegen Netzpolitik.org, Berlin, 1. August

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Jetzt will es niemand gewesen sein: Verfassungsschutz (BfV) und Bundesanwaltschaft weisen unter Verweis auf die jeweils andere Institution die Verantwortung für die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org wegen Landesverrats von sich. Aus Karlsruhe hieß es am Sonntag in einer Erklärung, die Bundesanwaltschaft habe nach der Anzeige des Verfassungsschutzes zunächst lediglich einen Prüfvorgang angelegt. Dabei sollte geklärt werden, ob die Causa überhaupt in die Zuständigkeit der Bundesanwälte falle. Die sei bei Geheimnisverrat nur in bestimmten Fällen gegeben. Der Verfassungsschutz habe daraufhin ein Rechtsgutachten vorgelegt, das die Zuständigkeit gegeben sah, heißt es in der Erklärung weiter. Erst daraufhin sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Der Verfassungsschutz seinerseits verteidigte am Sonntag die Entscheidung, Anzeige erstattet zu haben. "Wenn eingestufte Geheimdokumente aus dem BfV an die Öffentlichkeit gelangen, ist das ohne Zweifel eine Straftat nach dem deutschen Strafgesetzbuch." Die Verantwortung für die Ermittlungen sieht die Behörde jedoch in Karlsruhe. Ob die zuständige Strafverfolgungsbehörde den notwendigen Anfangsverdacht bejahe, sei allein deren Sache, teilte ein Sprecher des Verfassungsschutzes SPIEGEL ONLINE mit.

Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Karlsruher Behörde gegen zwei Journalisten von Netzpolitik.org wegen des Verdachts auf Landesverrat (lesen Sie die wichtigsten Fakten zu dem Fall). Die Webseite hatte über eine Ausweitung der Internetüberwachung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtet, woraufhin der Inlandsgeheimdienst Strafanzeige stellte. Nach heftiger Kritik lässt Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen ruhen und will ein Gutachten abwarten.

Maas lässt eigene Expertise erstellen

In der Erklärung vom Sonntag aus Karlsruhe heißt es nun weiter, der Generalbundesanwalt habe bereits bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens im Mai Rücksicht auf die Presse- und Meinungsfreiheit genommen. Er habe angewiesen, dass "keine Maßnahmen gegen die in den Strafanzeigen des BfV namentlich genannten Journalisten ergriffen werden." Er habe damals entschieden, ein externes Gutachten einzuholen, das beurteilen sollte, ob ein Staatsgeheimnis vorliegt.

Netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl (re.) und Autor Andre Meister bei einer Demo in Berlin: Ermittlungen wegen Landesverrat

Netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl (re.) und Autor Andre Meister bei einer Demo in Berlin: Ermittlungen wegen Landesverrat

Foto: Britta Pedersen/ dpa

Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich bereits am Freitag von Range distanziert. Offenbar warnte er den Juristen schon frühzeitig vor Ermittlungen wegen Landesverrats gegen die Journalisten. Laut "Süddeutscher Zeitung" signalisierte das Bundesjustizministerium Range nach eigener Darstellung, man halte das Verfahren für falsch. Das Ministerium sei schon am 27. Mai von der Bundesanwaltschaft über das Verfahren informiert worden. Die Bundesanwaltschaft habe den Erhalt der Warnung nicht bestätigt, schreibt die Zeitung weiter. Es habe nur allgemeine Hinweise auf die Problematik eines solchen Verfahrens gegeben.

Maas will die Affäre offenbar schnell beilegen. Laut "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR werden seine Beamten in der bereits am Freitag angekündigten Stellungnahme aus dem Ministerium zu dem Ergebnis kommen, dass es sich im Netzpolitik-Fall nicht um Landesverrat gehandelt hat. Das Quasi-Gutachten soll bis Donnerstag fertiggestellt werden. Die Expertise wird dann Range zugestellt werden. Ob danach schon die Ermittlungen eingestellt werden, sei ungewiss.

Video: "Wir lassen uns nicht einschüchtern"

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