Interkontinental-Raketen Steinmeier kritisiert Putins Raketenplan

Parade in Moskau (Archivbild von 2011): Russische Atomrakete vom Typ Topol-M fährt am 9. Mai zur Siegesparade über den Roten Platz
Foto: DPAFür die Ankündigung hatte sich Präsident Wladimir Putin einen geeigneten Ort ausgesucht: die Militärmesse in Kubinka. Russland werde sein Atomarsenal um mehr als 40 Interkontinentalraketen aufstocken, noch dieses Jahr sollten sie angeschafft werden.
In Washington und bei der Nato reagierte man umgehend, Außenminister John Kerry kritisierte die Ankündigung, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von einem "nuklearen Säbelrasseln Russlands" in der Ukraine-Krise, das "ungerechtfertigt, destabilisierend und gefährlich" sei.
Auch in Berlin zeigte sich die Bundesregierung über den Plan beunruhigt. "Die von Präsident Putin gestern angekündigte Aufstockung des russischen strategischen Raketenarsenals ist unnötig und sicher kein Beitrag zu Stabilität und Entspannung in Europa", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Mittwoch SPIEGEL ONLINE.
Die Welt habe sich seit 1989 stark verändert, man sei nicht mehr im Kalten Krieg. "Aber die alten Reflexe aus dieser Zeit sind offenbar noch lebendiger, als wir das noch bis ins letzte Jahr gedacht haben", befürchtet Steinmeier. "Ich kann nur davor warnen, solchen Reflexen nachzugeben und in eine beschleunigte Eskalationsspirale der Worte und dann auch der Taten einzutreten", mahnte der Außenminister.
Russland sieht sich von Nato bedroht
Bereits am Montag hatte Russland mit massiven Konsequenzen wegen der geplanten Verstärkung der amerikanischen Militärpräsenz in Osteuropa gedroht. Am Wochenende war bekannt geworden, dass die USA erwägen, schweres Militärgerät in mehrere Länder Osteuropas und des Baltikums zu verlegen. Ziel sei es, Russland von einer Aggression in Europa abzuschrecken. Russlands Vizeverteidigungsminister hatte die Aufstockung mit 40 neuen Interkontinental-Raketen ausdrücklich damit begründet, die Nato zwinge Russland zu einem neuen Wettrüsten.
"Wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht in der kurzen Zeit seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise all das eingerissen wird, was wir nach dem Fall der Mauer in unserer europäischen Friedensordnung so mühsam und sorgfältig aufgebaut haben", warnte hingegen Steinmeier vor einer Eskalation.
Russland wertet eine Stationierung von Waffen und Tausenden Soldaten in Osteuropa als Verstoß gegen die Nato-Russland-Grundakte von 1997. Das Abkommen verbiete eine dauerhafte Präsenz von Kriegstechnik in osteuropäischen Staaten, argumentiert das Außenministerium in Moskau.
Steinmeier zu Nato-Plänen: "Umsetzung mit Augenmaß"
Als Konsequenz aus der Ukraine-Krise hatte die Allianz im September 2014 auf der Nato-Konferenz in Wales auf mehr Abschreckung gesetzt: Truppenstandorte werden verstärkt, eine schnelle und schlagkräftige "Speerspitze" der Schnellen Eingreiftruppe (Nato Response Force) mit 3.000 bis 5.000 Soldaten aufgebaut. Die 28 Nato-Staats- und Regierungschefs beschlossen in Wales auch den sogenannten Readyness Action Plan, der die Sicherheit der Partner in Ost- und Mitteleuropa stärken solle, vor allem in Polen und in den baltischen Staaten, die sich von Russland bedroht fühlen.
Steinmeier sagte SPIEGEL ONLINE mit Blick auf den Nato-Gipfel von Wales, man habe dort Beschlüsse gefällt, mit denen man die Sorgen der osteuropäischen Partner ernst nehme. "Wir arbeiten an ihrer Umsetzung mit Augenmaß", betonte er. Und er verwies auf die kontruktive Zusammenarbeit mit Moskau auf anderen internationalen Feldern. Mit Russland suche man nach Lösungsansätzen für die Dauerkonflikte mit dem Iran und in Syrien. "Gerade wir Deutsche engagieren uns stark zur Überwindung der Ukraine-Krise. Dafür braucht es allerdings mehr konstruktives Zutun aus Moskau als in der letzten Zeit", so Steinmeier.
Ungeachtet der Kritik verteidigte Russland die Anschaffungspläne. Der Abstand zwischen der "militärischen Infrastruktur" der Nato und der russischen Grenze werde immer geringer, erklärte der Präsidialamtssprecher Dmitrij Peskow am Mittwoch in Moskau. Zudem greife der Westen auf eine Wortwahl wie im Kalten Krieg zurück. "Das alles zwingt Russland zu Maßnahmen, um seine eigenen Interessen und seine Sicherheit zu schützen." Allerdings böten diese keinen Anlass zur Sorge. Vielmehr sei es Russland, das sich angesichts von Nato-Truppenverlegungen in Osteuropa um seine Sicherheit sorge, so der Sprecher Putins.