
S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Dummdeutsch im Straßenverkehr


Verkehrsschild für "zu Fuß Gehende" und "Radfahrende": Gleichbehandlung auf der Straße
Foto: Bundesanstalt für Straßenwesen/ dpaDas Schöne am Fortschritt ist, dass er manchmal auch dort weht, wo man ihn am wenigsten vermutet. Nehmen wir Peter Ramsauer, Müllermeister aus Traunreut im Chiemgau und seit bald vier Jahren Bundesverkehrsminister. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieser brave CSU-Mann dem Feminismus in Deutschland einmal eine Bresche schlagen würde? Bislang galt Ramsauer eher als Freund der Fernstraße und des Streusalzes, alles Dinge, die man in den aufgeklärten Kreisen eher skeptisch sieht. Wie man sich doch in Menschen täuschen kann.
Ab kommenden Montag, pünktlich zum 1. April, gilt in Deutschland eine neue Straßenverkehrsordnung. Wer verkehrt herum in eine Einbahnstraße fährt, muss nun mindestens 25 Euro zahlen, und auch Falschparken wird teurer. Aber das ist alles unbedeutend neben dem eigentlichen Durchbruch, den Ramsauers Ministerium mit der Gesetzesnovelle erzielt hat: der Anpassung der StVO an das "Erfordernis der sprachlichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen".
Erstmals fließt der Verkehr in Deutschland geschlechtsneutral, also ohne "Fußgänger", "Radfahrer" und überhaupt ohne jeden "Verkehrsteilnehmer". Um das zu erreichen, heißt es künftig nur noch "wer zu Fuß geht" beziehungsweise "wer ein Fahrrad führt". Auch "zu Fuß Gehende" gibt es nun oder "Mofa Fahrende", aber eben keine Mofafahrer mehr. Man mag darüber streiten, inwieweit diese Änderungen der Verkehrssicherheit in Deutschland dienen. Für die Sache der Emanzipation ist die Neuerung nach Ansicht der Unterstützer zweifellos ein wichtiger Schritt.
Hannover schafft die "Fußgängerzone" ab
Im täglichen Sprachgebrauch hat es die Gleichberechtigung nicht immer leicht. Menschen neigen dazu, Worte so zu verkürzen oder zusammenzusetzen, wie es ihnen passt. Was ihnen zu umständlich erscheint, lassen sie weg, allen Empfehlungen der Sprachpädagogik zum Trotz. Man kann ihnen noch so oft sagen, dass es Kunden und Kundinnen heißt (oder Sündenziege statt Sündenbock), am Ende fallen sie in ihre Gewohnheiten zurück. Glaubt man den Vertretern der feministischen Linguistik ist es deshalb umso wichtiger, dass wenigstens in der Amtssprache jeder Anschein von Diskriminierung vermieden wird. Man mag über so viel Vertrauen in die erzieherische Wirkung der politischen Sprache lächeln, aber so stehen die Dinge in diesem Zweig der Sprachforschung.
Dem Straßenverkehr scheint dabei eine besondere Rolle beizukommen. In Hannover ist man jetzt dabei, die "Fußgängerzone" abzuschaffen. Weil "Fußgänger" männlich ist und "Zone" militaristisch, wünscht sich die stellvertretende grüne Ratsfraktionsvorsitzende Ingrid Wagemann, dass dieses Wort aus dem Sprachgebrauch gestrichen wird. Frau Wagemann möchte, dass fortan nur noch von "Flaniermeile" die Rede ist - das sei atmosphärisch besser geeignet, wie sie "Bild" anvertraute.
Für eine gerechtere Welt
Gemeinsam ist solchen Bemühungen die Überzeugung, dass Sprache Bewusstsein schafft, weshalb man nur lange genug an ihr herumschrauben muss, um zu einer besseren und gerechteren Welt zu kommen. Die deutsche Sprache gilt in diesem Fall als besonderer Problemfall, weil sie durch die Verwendung des generischen Maskulinums Frauen schon durch den Sprechakt unsichtbar mache und damit marginalisiere. Generationen von Sprachwissenschaftlern haben zwar darauf hingewiesen, dass Genus und Sexus in der deutschen Sprache nicht ein und dasselbe sind. Der Käse hat genauso wenig Männliches wie die Wurst Weibliches. Aber das hindert die Vertreter dieser Denkrichtung selbstredend nicht, immer neue Programme aufzulegen, um Frauen sprachlich in den Vordergrund zu rücken.
Wer sich daran macht, dem Feminismus auch linguistisch zum Sieg zu verhelfen, braucht einen langen Atem. Es ist ja nicht damit getan, den "Fußgänger" zu neutralisieren; man muss alle Wörter aus dem Verkehr ziehen, die auch nur vermeintlich ein Geschlecht bevorzugen. "Mannschaft" zum Beispiel ist ein Wort, das schon so verdächtig exklusiv ist, dass man es selbst im Fall einer durchgängig männlichen Mannschaft lieber durch "Team" ersetzen sollte. Auch "herrlich" oder "jedermann" steht aus nachvollziehbaren Gründen auf dem Index, ebenso wie das beliebte Pronomen "man". Am besten sagt man nur noch "frau", oder "Mensch", was in den Worten des legendären Sprachkritikers Eckhard Henscheid "gleich noch meschugger, ja fast dämlicher ist" als "frau".
Am Ende steht die Unlesbarkeit
Vollends verloren ist, wer sich an Redewendungen wagt. Wie will man die Aufforderung "Haltet den Dieb" feministisch korrekt wiedergeben, wenn man das Geschlecht des Diebes nicht weiß? Oder den Sinnspruch "Der Klügere gibt nach" so anpassen, dass er nicht sexistisch gelesen werden kann? Am Ende steht die Unlesbarkeit und damit die Lächerlichkeit des Unterfangens.
Im Vorwort zu seinem berühmten Wörterbuch der modernen Blähsprache hat Henscheid vor Jahren eine Definition des "Dummdeutschen" versucht. Als "Dummdeutsch" definiert der Schriftsteller "diese gallertartige Aufschüttung aus Neo- und Zeitlosquatsch, aus verbalem Imponiergewurstel, modisch progressistischem Gehabe wie gleichzeitig bürokratieseligem Geschwafel", die sich nahezu inflationär ausbreitet. "Dieses Dummdeutsche bekommt am Ende etwas über die lässliche Verfehlung weit hinaus konstitutionell Hirnzerbröselndes, fast eine Ästhetik also auch des Scheußlichen, des Ruinösen und des Desaströsen alles Phonetischen."
Möglicherweise hat ja der Feminismus doch wichtigere Projekte als die Sprachumerziehung. Wer die reale Ordnung verändert, muss sich irgendwann über die symbolische keine Sorgen mehr machen.