Neuer Bundesbank-Chef Weidmann Karrieresprung für Merkels Musterschüler

Neuer Bundesbank-Chef Weidmann: Karrieresprung für Merkels Musterschüler
Foto: Soeren Stache/ dpaBerlin - Wenn die Alten nicht mehr wollen, kann es manchmal ganz schnell gehen mit den Jungen. Katapultartig. ist so ein Fall. 42 Jahre ist er erst alt und nun bald Chef der Bundesbank. Der jüngste überhaupt in deren Geschichte.
Dass er den Posten übernehmen kann, ist der Entscheidung seines Mentors geschuldet, seines Wirtschaftsprofessors aus Bonner Zeiten: . Der 53-Jährige wollte nicht mehr. Seine überraschende Ankündigung, die Bundesbank Ende April zu verlassen, sorgte für jene Leerstelle, die gefüllt werden musste. Möglichst schnell.
Weidmann und Weber - das ist eine denkwürdige Verschränkung von Lebensläufen. Schließlich war es Weber, der 2006 der Kanzlerin den jungen Mann als ihren Wirtschaftsberater empfahl. Und derselbe Weber war es auch, der nun für ihn an der Spitze der Bundesbank warb.
Weidmann sei "ein hervorragender Ökonom" und "ein absoluter Profi", lobte er ihn im SPIEGEL-Interview. Bereits im Sommer war in Berlin geunkt worden, Weidmann wolle als Vize an seine frühere Wirkungsstätte Bundesbank zurück - er kennt sie von innen, war schon einmal als Abteilungsleiter für Geldpolitik und monetäre Analyse dort. Nun also kommt er als Chef.
Entscheidung getroffen
Seit Tagen war in Berlin sein Name gehandelt worden, am Mittwochvormittag wurde die Entscheidung inoffiziell bestätigt, am frühen Nachmittag schließlich von Kanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gemeinsam offiziell bekanntgegeben. Weidmann wird - wie es Merkel wollte - Bundesbank-Chef, bereits am Mittwoch räumte er im Kanzleramt seinen alten Arbeitsplatz auf. Als neue Vize der Bank wird in voraussichtlich einem Monat die Exekutivdirektorin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Sabine Lautenschläger, kommen. Sie war von FDP-Chef Guido Westerwelle vorgeschlagen worden, ihm sei es wichtig gewesen, für den Vizeposten eine Frau zu benennen, hieß es aus FDP-Kreisen. Der Vizekanzler habe sich dabei eng mit seiner Fraktion abgestimmt, am Mittwochmorgen dann von Lautenschläger die Zusage erhalten, hieß es weiter.
Gegen die Personalie Weidmann hatten
CSU und FDP keine grundsätzlichen Bedenken erhoben. Dass er am Ende den Zuschlag erhält, ist allerdings nicht unumstritten. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier monierte, das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank werde untergraben, wenn ein "weisungsabhängiger Beamter aus dem Bundeskanzleramt" die Nachfolge Webers antrete. Auch Grüne und Linke kritisierten die Entscheidung.
Weidmann wird solche Spitzen der Opposition überleben.
Es ist ja auch ein bisschen geschichtsvergessen, wie die SPD da vermeintlichen Widerstand aufbauen wollte. Schließlich gab es manche Bundesbankpräsidenten mit SPD-Parteibuch - Karl Otto Pöhl in der Zeit von Kanzler Helmut Kohl, Ernst Welteke unter Gerhard Schröder. Pöhl und Welteke hatten, Parteibuch hin oder her, ihren eigenen Kopf. Das wird wohl auch für Weidmann gelten, der übrigens bis heute kein CDU-Mitglied ist. Und der zu einem anderen Weber-Schüler ein freundschaftliches Verhältnis pflegt - zum SPD-Mitglied und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen. Beide kennen sich aus ihrem Studium in Bonn.
Dass Weidmann erst 42 Jahre alt ist, halten manche für einen Nachteil. Sein Vorteil ist: Als früherer Abteilungsleiter der Bundesbank betritt er kein Neuland. Weidmann wird den Abgang aus Berlin und den Wechsel nach Frankfurt am Main auch aus privaten Gründen zu schätzen wissen - seine Frau und seine beiden Kinder leben in Hessen. Sein bisheriges Leben als Berater im Kanzleramt war zeitraubend, fast ein Dauereinsatz im globalen Maßstab der Krisenreaktion. Viel Zeit für die Familie blieb da nicht. Zumal er im Beraterkreis Merkels eine zentrale Stelle inne hatte. Vor einem Jahr wurde er auch noch als "Sherpa" auf deutscher Seite zuständig für die Vorbereitung der G-8- und G-20-Treffen der Staats- und Regierungschefs, er war und ist einer der maßgeblichen Architekten der Krisenrettungspläne während der Finanz- und Wirtschaftskrise, nicht zuletzt auch zur Stabilisierung des Euro.
Wie alle engen Mitarbeiter Merkels - ob Uwe Corsepius, ihr europapolitischer Experte, der in diesem Jahr mit tatkräftiger Hilfe der Kanzlerin ins Amt des Generalsekretärs des EU-Rats nach Brüssel wechselt oder Christoph Heusgen, ihr außenpolitischer Analytiker, auch Weidmann gehört zu jener Sorte Männer, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken. Keine "Hoppla, jetzt komm' ich"-Typen, die sofort auffallen, sobald sie einen Raum betreten. Im Hintergrund bleiben, das war bislang Weidmanns Rollenbeschreibung. Wenn Merkel im Gespräch mit Journalisten war, dann konnte es schon mal geschehen, dass er ihr geräuschlos einen Zettel zuschob. Beide harmonierten, auch weil Weidmann nie einen Zweifel ließ, wer am Ende die Entscheidungen zu treffen hatte: Angela Merkel.
Als jüngst in Berlin, in einem fenster- und schmucklosen Raum des Bundespresseamtes, ein Hintergrundgespräch zur Euro-Krise angesetzt war, saß da auch wieder Weidmann dabei. Blass und überarbeitet, die Beine übereinandergeschlagen, blickte er in den kleinen Kreis der Journalisten und man wusste aus seinem Gesicht nicht abzulesen, was er über die Gruppe da vor ihm eigentlich dachte. Ruhig, sachlich, fernab jedes Gedröhns beantwortete er geduldig jede Frage. Es war ein unprätentiöser Auftritt.
Am Ende hatten die Journalisten das Gefühl, einer Vorlesung über Währungsfragen gelauscht zu haben. Vielleicht nicht die schlechteste Voraussetzung, um eine auf Diskretion angelegte Bundesbank zu führen.