Neuer Bundesbankvorstand Sarrazin provoziert Hartz-IV-Empfänger und Problemfamilien

"Hartz-IV-Empfänger haben es gern warm", Frauen gebären, ohne die Erziehung bewältigen zu können - Berlins früherer Finanzsenator Thilo Sarrazin hat im neuen Job als Bundesbanker nicht die alte Lust an Provokationen verloren. Für die glaubt er ein "gesellschaftliches Bedürfnis" entdeckt zu haben.

Hamburg - Geld hilft nicht immer - das jedenfalls meint der neue Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, wenn es um soziale Probleme geht. Politiker müssten vielmehr darauf dringen, das Verhalten der Menschen zu ändern, sagte Sarrazin dem "Stern": "Die große Frage ist: Wie kann ich es schaffen, dass nur diejenigen Kinder bekommen, die damit fertig werden."

Gegenwärtig würden manche Frauen zwei, drei oder mehr Kinder in die Welt setzen, obwohl sie "nicht das Umfeld" oder "die persönlichen Eigenschaften" hätten, "um die Erziehung zu bewältigen", erklärte Sarrazin dem Magazin zufolge. Deswegen müsse das Sozialsystem so geändert werden, "dass man nicht durch Kinder seinen Lebensstandard verbessern kann, was heute der Fall ist".

Der frühere Berliner Finanzsenator kritisierte erneut den Umgang vieler Hartz-IV-Empfänger mit Energie. Weil Städte und Gemeinden die Heizkosten übernähmen, gingen die Bedürftigen oft verschwenderisch mit Energie um. "Hartz-IV-Empfänger sind erstens mehr zu Hause; zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die Temperatur mit dem Fenster", sagte Sarrazin dem Magazin zufolge. Ähnlich hatte sich Sarrazin schon zuvor geäußert (siehe Kasten).

Zudem müssten sich die Deutschen laut Sarrazin auf sinkende Renten einstellen. "Langfristig müssen die Renten natürlich real fallen", sagte er dem Magazin. Gegenwärtig komme auf einen Arbeitnehmer statistisch gesehen ein halber Rentner, in 25 bis 35 Jahren liege das Verhältnis bei eins zu eins. "Wir können die Erwerbstätigen aber nicht ohne Ende belasten", fügte Sarrazin hinzu. Deshalb müssten die Renten "langfristig auf das Niveau einer Grundsicherung sinken". Die Rentenerhöhung im Juli kritisierte er als "völlig unsinnige Maßnahme". Dadurch würden die Altersbezüge "übermäßig" erhöht.

Sarrazin, der bis Ende April auf seinem Posten als Berliner Finanzsenator war, warb dafür, dass die Menschen verstärkt selbst für das Alter vorsorgen sollten. Dabei solle der Bürger vor allem auf sichere Anlagen wie Bundesanleihen setzen und sich nicht von den Versprechungen der Geldinstitute blenden lassen. "Man muss den Leuten sagen: Glaube keinem Bankberater."

Grund, seine provokante Art zu ändern, sieht Sarrazin offensichtlich nicht. "Nachdem ich das sieben Jahre gemacht habe und die Leute es immer noch nicht überhaben, konstatiere ich ein gewisses gesellschaftliches Bedürfnis", sagte er. Allerdings äußere er sich nur, "wenn ich mir die Kompetenz zutraue, im Kern richtig zu liegen".

ffr/ddp/AP
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