Neuer Bundesvorsitzender Apfel krempelt die NPD um

Die NPD hat einen neuen Hoffnungsträger: Holger Apfel soll den Ultrarechten frische Wähler verschaffen. Mit einem nach außen hin harmlosen Kümmerer-Image will er den Parteien der Mitte Wähler abnehmen - Experten sind besorgt.
NPD-Politiker Voigt (l.), Apfel: "Eindeutig gefährlicher"

NPD-Politiker Voigt (l.), Apfel: "Eindeutig gefährlicher"

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Als sich Udo Voigt am Sonntagmorgen den Weg durch das Spalier aus Polizisten, Delegierten und Journalisten bahnt, verrät seine Miene nichts. Der Noch-Partei-Vorsitzende blickt grimmig, wie immer. Doch er weiß längst: Seine Zeit an der Spitze der NPD ist vorbei.

Die Presse ist mal wieder nicht erwünscht im Sitzungssaal von Neuruppin. Freundlich, aber unmissverständlich teilen junge Männer mit kurzen Haaren und "Ordner"-Armbinden mit, man möge doch bitte in einigen Stunden wiederkommen. Bei der Entscheidung über die eigene Zukunft ist die NPD dann doch lieber unter sich.

Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die Partei das Ergebnis schon vor der offiziellen Pressekonferenz. 126 Delegierte haben sich für Voigts Gegenkandidaten Holger Apfel ausgesprochen, das sind fast 60 Prozent - dem jungen Flügel der Nationalen ist die Wachablösung geglückt.

Als Nummer zwei zieht Udo Pastörs auf den Posten des Stellvertreters. Das ist also das Duo von dem sich die Ultrarechten den Schritt aus der extremen Ecke versprechen. Es ist die Achse Dresden-Schwerin, die bisher auf Landesebene ihre ganz eigene Erfolgsgeschichte feiern konnte. Pastörs hat es in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr wieder in den Landtag geschafft, Apfel ist in Sachsen fest etabliert. Nun folgt der Sprung auf die Bundesbühne.

"Die Partei wird gefährlicher"

Doch was ist zu erwarten von den neuen Spitzenkräften? Welchen Kurs schlägt die NPD unter Apfel ein? "Die Partei wird eindeutig gefährlicher", sagt Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Köln. "Apfel steht für eine Tarntaktik, die der NPD zu neuem Erfolg verhelfen könnte. Das zeigt sich besonders in dem von ihm immer wieder verwendeten Begriff von der 'seriösen Radikalität'", so der Rechtsextremismusexperte.

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Die NPD, so viel ist sicher, drängt in die Mitte der Gesellschaft - zumindest in der Außendarstellung. Weg vom Image der plumpen Neonazis, hin zu seriösem Auftreten und massenkompatiblem Programm. Auf dem Parteitag präsentieren sich die Delegierten adrett, nur ganz selten blitzen eindeutige Tätowierungen oder szenetypische Kleidungsmarken auf.

"Es ist der Schwenk zum Populismus - und eine echte Chance für die Partei. Das war aber mit einem Vorsitzenden Voigt nicht zu machen", sagt Butterwegge. Zu eingebrannt war das Image des scheidenden Bundeschefs als offener Vertreter des äußerst rechten Flügels, als das mit ihm noch ernsthaft ein Neuanfang möglich gewesen wäre.

Unter der neuen Nummer eins Apfel ist das anders. Der 40-Jährige hat nach neun Jahren als Bundes-Vize mehr als genug Erfahrung im Umgang mit Medien und politischen Konkurrenten. Er weiß, die harmlose Fassade aufrechtzuhalten und macht sich damit zugänglich für potentielle neue Rechts-Wähler. Öffentliche Ausfälle wie im sächsischen Parlament, wo er immer wieder zur Ordnung gerufen werden muss, dürfte er sich in Zukunft verkneifen.

Einfache Schlagworte und Kümmerer-Image

Das spiegelt sich in seinen Vorstellungen von der zukünftigen Ausrichtung der Partei wieder. Radikal, das schon. Aber vor allem seriös soll die NPD rüberkommen. Sie soll das Potential der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung voll ausnutzen. "Raus aus dem Euro", prangt in großen Lettern auf den Unterlagen, die beim Parteitag verteilt werden. Deutschland dürfe nicht mehr als Zahlmeister für andere europäische Länder herhalten, der Euro sei ohnehin in zwei, drei Jahren abgeschafft. Es sind einfache Schlagworte - aber sie dürften so oder so ähnlich in unzähligen Büros, an Stammtischen, in Sportvereinen wiederholt werden.

Auf diese potentiellen Wähler schielen die Ultrarechten. "Da pirschen sie sich an die Stimmen von gefestigten, demokratischen Parteien heran", warnt Butterwegge. Vize Pastörs hat im Nordosten vorgemacht, was nun bundesweit als Modell gelten soll. Die NPD zieht als "Kümmerer-Partei" in Vereine, Schulen und Verbände. Da werden Gemeindefeste veranstaltet, Trikots gesponsort und Hartz-IV-Beratung organisiert. "Das Konzept der 'Kümmerer-Partei' ist geeignet, Meinung zu bilden, Menschen zu binden und Politik von unten, an der Basis, zu betreiben", schreibt Apfel selbst in der NPD-Partei-Gazette "Deutsche Stimme".

Die harmlose Fassade darf jedoch nicht über die Gefahr hinwegtäuschen, die von der NPD nach wie vor ausgeht. Kontakte zum extremen Flügel werden keineswegs gekappt, ist sich Forscher Butterwegge sicher: "Die finden dann eben in Hinterzimmern statt und werden nach außen totgeschwiegen."

Das Thema der Neonazi-Zelle in Zwickau war auch am Sonntag in Neuruppin tabu. Die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Rechts-Terroristen befeuern die Debatte über ein mögliches NPD-Verbot. Voigt hatte sich bei der Pressekonferenz zur Eröffnung des Parteitags noch in Rage geredet ("Die Linken wollen doch den Bürgerkrieg, wir wollen die Volksgemeinschaft"), der neue Chef Apfel dürfte hier diplomatischer vorgehen. Die Debatte um den rechten Terror kommt für die NPD zur Unzeit und wird erst einmal ausgesessen. Von den Delegierten, die am Morgen in die Tagungsstätte strömen, heißt es unisono: "Kein Kommentar".

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