Neues BND-Gesetz Ausspähen nur unter Aufsicht

Überwachungskameras vor der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin
Foto: Kay Nietfeld/ dpaDeutlicher hätten die Karlsruher Richter kaum werden können, als sie im Mai das bisherige BND-Gesetz für verfassungswidrig erklärten. Sie hielten es für völlig unzureichend geregelt, wie der Bundesnachrichtendienst aus den weltweiten Datenströmen Informationen herausfischt. Vor allem aber räumten sie mit der Ansicht der Bundesregierung auf, wonach für Ausländer im Ausland das Grundgesetz nicht gelte: Auch bei ihnen habe die Überwachung Grenzen, hielten die Richterinnen und Richter unmissverständlich fest.
Sie verboten freilich dem BND nicht das Ausspähen von E-Mails, Chats und Telefonaten im Ausland, denn das sei für die Sicherheit der Bundesrepublik unerlässlich. Vielmehr buchstabierten die Verfassungsrichter haarklein aus, wie ein Gesetz zur sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung aussehen muss, um verfassungskonform zu sein. Selten hat Karlsruhe derart konkrete Vorgaben gemacht.
Monatelang brüteten Regierungsjuristen und Fachleute aus der Abteilung für "Technische Aufklärung" beim BND über dem Urteil. Am Wochenende hat nun das Bundeskanzleramt seinen Gesetzentwurf an die anderen Ministerien zur Ressortabstimmung verschickt. Das Dokument ist 111 Seiten lang und liegt dem SPIEGEL vor. Mit dem Gesetz trage man dem von Karlsruhe gezogenen Rahmen "ausreichend Rechnung", heißt es darin. Zuerst hatten SZ, NDR und WDR über den Entwurf berichtet.
"Unabhängiger Kontrollrat"
Kernstück des Gesetzes ist die Einrichtung einer neuen obersten Bundesbehörde, dem "Unabhängigen Kontrollrat" mit Dienstsitz in Berlin und Pullach, wo der BND seine Standorte hat. Der Kontrollrat wird streng geheim tagen und aus sechs Bundesrichtern und Bundesanwälten bestehen. Gewählt werden seine Mitglieder aus den Reihen des Bundestags. Dazu kommt ein Apparat von Fachleuten mit technischem Sachverstand.
Der "Unabhängige Kontrollrat" soll zum Januar 2022 seine Arbeit aufnehmen und sicherstellen, dass der BND beim Überwachen im Ausland die neuen, deutlich strengeren Vorgaben einhält. So sollen die Richter und Bundesanwälte etwa die Suchbegriffe überprüfen, die der Geheimdienst einsetzt, um aus den weltweiten Datenströmen relevante Nachrichten herauszufiltern. Diese Suchbegriffe können konkrete E-Mail-Adressen oder Handynummern sein, seltener sind es chemische Formeln, die etwa im Zusammenhang mit der Herstellung von Sprengstoff stehen.
Täglich erfassen die Mitarbeiter des BND so bislang mehr als 150.000 Kommunikationen, aus denen etwa 260 Meldungen pro Tag entstehen - zu allen Themen und Ländern, die im geheimen Auftragsprofil der Bundesregierung stehen.
Um darüber wachen zu können, dass der BND sich an die Grenzen des Ausspähens hält, wird der neue Kontrollrat teils auch Einblicke in einen besonders heiklen Bereich bekommen: den Austausch mit ausländischen Geheimdiensten. Dieser war bisher einer unabhängigen Kontrolle weitestgehend entzogen.
Die Kontrolleure sollen bei ihrer Arbeit zudem darauf achten, wie der BND bei der Überwachung der weltweiten Datenströme mit Journalisten, Anwälten und anderen Berufsgeheimnisträgern im Ausland umgeht.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen sowie mehrere Journalisten hatten die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht, die das bisherige BND-Gesetz gekippt hatte. Eine Überwachung gefährde den Schutz ihrer Informanten, argumentierten sie. Wie der SPIEGEL 2017 aufgedeckt hatte, standen in der Vergangenheit unter anderem Auslandsbüros der BBC und der "New York Times" auf der Ausspähliste des BND.
Künftig sollen Journalisten und Anwälte besser geschützt werden, völlig ausgeschlossen wird das Ausforschen ihrer E-Mails, Nachrichten und Telefonate aber nicht. Laut Gesetzentwurf darf ihre geschützte Kommunikation ausnahmsweise zur Aufklärung "schwerwiegender Gefahren" überwacht werden - und auch nur, wenn der "Unabhängige Kontrollrat" zustimmt.
Nicht vor Ausspähung geschützt sind, so schreibt die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung, vermeintliche Journalisten, die Propaganda für den "Islamischen Staat" betreiben. Dasselbe gilt für Reporter, die für "staatliche Presseorgane autoritärer Staaten" arbeiten oder "unter dem Deckmantel des Journalismus bewusst Fake News produzieren".