Roland Nelles

Die Lage am Morgen Heucheln gehört bei der AfD zum Geschäftsmodell

Roland Nelles
Von Roland Nelles, US-Korrespondent

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,

heute beschäftigen wir uns mit der Bundestagsdebatte über die AfD-Störer, mit dem Parteitag der Grünen – und mit Donald Trumps Anwalt Rudy Giuliani, der sich lächerlich macht.

Aktuelle Stunde zu Störungen im Bundestag

Das dürfte munter werden: Der Bundestag wird sich heute zu Beginn seiner Sitzung in einer Aktuellen Stunde mit den Störungen durch AfD-Sympathisanten in den Räumen des Parlaments beschäftigen. Unter anderem war Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor der Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz am vergangenen Mittwoch bedrängt und beschimpft worden.

Vor allem Vertreter von Union und SPD dürften die Aktuelle Stunde nutzen, um die Fraktion der AfD zu kritisieren. Einige ihrer Abgeordneten hatten die Störer als Gäste in den Bundestag eingelassen. Auf die Ausflüchte der AfD-Oberen darf man gespannt sein, sie sind ja bekanntlich Meister im Verdrehen von Tatsachen. Erst hetzen sie die Leute auf, am Ende wollen sie dann alles nicht so gemeint haben. Man kennt das Spiel. Das Heucheln gehört bei der AfD zum Geschäftsmodell.

AfD-Abgeordnete im Bundestag

AfD-Abgeordnete im Bundestag

Foto: via www.imago-images.de / imago images/Political-Moments

Die eigentlich interessante Frage wird nun sein, ob die Störer oder auch die AfD-Abgeordneten, die sie eingelassen haben, mit Konsequenzen rechnen müssen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) weist gegenüber der Nachrichtenagentur dpa darauf hin, dass man von einer Nötigung der Abgeordneten durch die Störer ausgehen könne. Es komme eine Straftat nach Paragraf 106 Strafgesetzbuch in Betracht, zu der Abgeordnete auch Anstiftung oder Beihilfe leisten könnten. »Dies wird ernsthaft zu prüfen sein«, sagte Kubicki. »Es müssen auch empfindliche Sanktionen für die beteiligten Abgeordneten erwogen werden.«

Paragraf 106 behandelt die Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans. Er sieht dafür Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren und in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren vor.

AfD muss zahlen

Geld aus der Schweiz für die AfD

Geld aus der Schweiz für die AfD

Foto: Valentin Flauraud/ picture alliance / dpa

Apropos Heuchler: Zu den Grundregeln des politischen Geschäfts zählt es, dass es sich lohnt, immer dann besonders hellhörig zu werden, wenn sich ein Politiker oder eine Politikerin zum Saubermann oder zur Sauberfrau stilisiert und andere als korrupt bezeichnet. Meist ist es dann nämlich genau umgekehrt.

Bei den Rechtspopulisten von der AfD sind solche Fälle von notorischer Doppelgesichtigkeit besonders regelmäßig anzutreffen. Dies zeigt der Skandal um verschleierte Parteispenden, der für die Partei nun erneut empfindliche Konsequenzen hat. Nach SPIEGEL-Informationen muss die Partei wegen der unzulässigen Annahme von zwei illegalen »Strohmannspenden« aus der Schweiz Strafen in Höhe von insgesamt 504.429,36 Euro zahlen.

Hintergrund der ersten Strafzahlung in Höhe von 108.412 Euro ist die Finanzierung des von der AfD veranstalteten Kongresses »Europäische Visionen – Visionen für Europa« am 13. Februar 2016. Wie der SPIEGEL im Juni 2017 aufgedeckt hatte, war ein Teil der Veranstaltungskosten aus undurchsichtigen Quellen über eine Werbeagentur in der Schweiz finanziert worden. Diese Finanzierung wertete die Bundestagsverwaltung nun als illegale Parteispende und erließ einen Strafbescheid in dreifacher Höhe.

Der zweite Sanktionsbescheid über 396.016,56 Euro resultiert aus einer ebenfalls als illegale Parteispende eingestuften Zahlung für den Wahlkampf von Alice Weidel, der heutigen Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion.

Verpasst die Grünenbasis den Chefs einen Dämpfer?

Grünenchefs Robert Habeck und Annalena Baerbock

Grünenchefs Robert Habeck und Annalena Baerbock

Foto: KAY NIETFELD / AFP

Die Grünen starten heute ihren dreitägigen Parteitag. Üblicherweise ist das eine recht fröhliche Veranstaltung. Doch wegen der Coronakrise wird das Treffen weitestgehend online stattfinden, was natürlich nicht ganz so schön ist.

Bei dem Parteitag wird es vor allem um das Grundsatzprogramm gehen. Es stehen keine Personalentscheidungen an, die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sind unumstritten, die K-Frage soll erst im Frühjahr nächsten Jahres geklärt werden.

Ein Parteitag gänzlich ohne Spannung also? Nicht ganz. Ein paar interessante Entscheidungen stehen an. Die grüne Parteibasis könnte sich gegen den Wunsch der Parteispitze stellen und Volksentscheide fordern. Oder – unwahrscheinlicher, aber aufregender – gegen den Willen der Grünenführung, ein bedingungsloses Grundeinkommen ins Grundsatzprogramm schreiben.

Außerdem plant die Grünenspitze eine Parteireform: Das Quorum für die Einreichung von Anträgen und Änderungsanträgen soll erhöht werden. Bislang reichen 20 Stimmen, um einen Antrag auf die Agenda zu setzen. Die Bearbeitung kostet unheimlich viel Zeit und Nerven. Deswegen will die Parteispitze die Satzung ändern.

Basismitglieder sehen die innerparteiliche Demokratie gefährdet und mobilisieren seit Monaten gegen die Reform. Es sei gut möglich, dass Baerbock und Habeck mit diesem Anliegen daher nicht durchkommen, meint meine Kollegin Valerie Höhne aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro. Sie wird für unsere Leser über den Parteitag berichten.

Verlierer des Tages…

 …ist der frühere Bürgermeister von New York, Rudolph »Rudy« Giuliani. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 wurde er als Held gefeiert, weil es ihm auf so unnachahmliche Weise gelang, der verwundeten Stadt New York neuen Mut zu machen. »Rudy« war »America's Mayor«, ein politischer Superstar. Vorbei.

Rudy Giuliani bei seiner Pressekonferenz zu den angeblichen Wahlfälschungen

Rudy Giuliani bei seiner Pressekonferenz zu den angeblichen Wahlfälschungen

Foto: MANDEL NGAN / AFP

Inzwischen ist Giuliani ein skrupelloser Hasardeur. Sein Handeln ist sehr gefährlich für die Demokratie in den USA. Als treuer Mitstreiter von Donald Trump setzt er Verschwörungsmythen in die Welt. Am Donnerstag verbreitete er wirre Behauptungen über manipulierte Computerprogramme aus Venezuela, mit denen die Ergebnisse der US-Wahl in einer »nationalen Verschwörung« gefälscht worden seien. Dann lief Giuliani kurioserweise ein schwarzer Saft an der Schläfe herunter, vermutlich ein Haarfärbemittel, was zu reichlich Spott im Internet führte: »Rudy« habe ein Ölleck wie ein alter Buick, meint ein Lästervogel.

Das wirkt auf den ersten Blick lustig. Leider glauben aber immer noch viel zu viele Amerikaner Giulianis Geschichten.

Die gute Nachricht: Zum Glück schütteln inzwischen selbst stramm-konservative Fox-News-Kommentatoren wie Karl Rove den Kopf über Rudy, auch weil er nie Beweise für seine wilden Erzählungen vorlegt. Giuliani und die anderen Trump-Anwälte sollten ihre »seltsamen« Behauptungen vor Gericht belegen, ätzte Rove. Wenn sie das nicht könnten, müssten sie das Gesagte wieder zurücknehmen. Stimmt. Besser wäre aber noch, Rudy würde einfach endlich für immer in Rente gehen.

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Ihr Roland Nelles

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